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Bundesinnenministerium Nancy Faeser zu Besuch in MES und beim THWFaeser in Alsfeld: „Das Leben hat sich verändert, wir leben in anderen Zeiten“

ALSFELD (ls). Es war ein Besuch in einer angespannten Phase – und doch nahm sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei einem Besuch in Alsfeld die Zeit für die Probleme des ländlichen Raums, nahm Kritik und Anregungen aus der Max-Eyth-Schule mit und lobte das Ehrenamt beim THW. Fragen zur künftigen Flüchtlings-Politik blieben offen – genauso wie zu Möglichkeiten der Unterstützung des Bundes.

Zwei Termine waren es, zwei Besuche, zu denen die SPD Vogelsberg gemeinsam mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser eingeladen hatte – einen mit Blick auf Faesers SPD-Landesvorsitz in der Alsfelder Max-Eyth-Schule, den anderen mit Blick auf die aktuelle Situation des Katastrophenschutzes auf Bundesebene beim Alsfelder THW.

Zunächst aber hatte Faeser die Max-Eyth-Schule in Alsfeld besucht, für sie eine „Vorzeigeschule unter den Berufsschulen in Hessen“, wie sie sagte. Dort gab Schulleiter Friedhelm Walther zunächst einen Überblick über die Schule, machte auf Herausforderungen und Probleme aufmerksam, mit denen Berufsschulen konfrontiert sind – und sparte auch nicht mit Kritik.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin und SPD-Landesvorsitzende in Hessen, beim ersten Termin in der MES. Alle Fotos: ls

Die galt insbesondere der Personalkapazitäten, die Berufsschulen im Bereich der Schulleitung zugestanden werden. Während die MES nämlich nicht nur vollschulische Ausbildungen anbietet, wie die zur Maßschneiderin, ist sie auch berufliches Gymnasium und Fachoberstufe – im Leitungsteam bekomme die Schule allerdings lediglich die gleiche Personaldichte zugeschrieben, wie ein normales Gymnasium. Ein Problem sei außerdem, dass die Schulen aufgrund von fehlenden Schülern oder neuen Strukturen einige Fachrichtungen schließen müssten und Schüler in der Folge weite Wege auf sich nehmen müssten, da die schulische Begleitung nicht mehr gewährleistet werden könne. Hier suche man vermehrt das Gespräch zu den Betrieben.

Das Thema Fachkräftemangel ist für Faeser nicht neu: „Für mich ist es ist eine wichtige Frage wie wir gemeinsam in der Bundesrepublik den Fachkräftemange bewältigen“, sagte sie. Sie sei sich sicher, dass der Schulleiter bei den Gesprächen mit Handwerkern und kleineren Betrieben öfter gesagt bekomme, dass keine Leute mehr gefunden werden und dass es dafür Wege geben muss. Daran arbeite man in der Bundespolitik sehr stark. Ganz aktuell mache die Regierung einen sehr großen Zuschlag über Fachkräftezuwanderung, kündigte sie an und freute sich auf die Anregungen des Schulleiters.

Bevor es in die Schule ging bat Landrat Manfred Görig noch um ein kurzes Gespräch unter vier Augen.

Für sie sei das ein hochaktuelles Thema mit vielen wichtigen praktischen Fragen, die es zu beantworten gilt. Deshalb sei es für sie wichtig, sich diese Themen vor Ort anzuschauen, denn so könne sie gucken, wo sie helfen könne. „Hier muss Hand in Hand gearbeitet werden“, sagte die Innenministerin.

Walther wünschte sich außerdem, dass den Schulen – auch im Bereich der Budgetierung – mehr Verantwortung übertragen wird und dass die Betroffenen bei Gesetzen oder neuen Vorschriften mehr einbezogen werden, denn viele Vorgaben seien zwar in der Theorie leicht verständlich, in der Praxis seien sie aber weniger gut umsetzbar. Dem stimmte Faeser zu, da habe Deutschland etwas Nachholbedarf, insbesondere was die Umsetzung der Praxis anbelange. Das was man in Gesetze oder aber Vorgaben formuliere, müsse auch in der Praxis funktionieren, das könne man nur überprüfen, wenn die Betroffenen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden.

MES-Schulleiter Friedhelm Walther.

„Verantwortung übertragen heißt aber auch Verantwortung übernehmen“, ergänzte die Bundesinnenministerin. Das gehört aus ihrer Sicht nämlich auch dazu und das erschwere die Arbeit in Deutschland leider viel zu häufig.

Ortswechsel: THW Alsfeld

„Für mich war das sehr wichtig hier her zu kommen“, sagte Faeser, die selbst Mitglied beim THW ist. Deshalb sei es ihr besonders wichtig eben auch THWs zu besuchen, wenn sie unterwegs ist. In Alsfeld habe sie einen Vorzeige-Standort vorgefunden, der allerdings, das machte der Vorsitzende des Alsfelder THWs bei einem Rundgang vorab mehrfach deutlich, mittlerweile trotz Neubau wieder zu klein geworden ist.

Pläne für eine mögliche Erweiterung gibt es bereits, nun braucht es nur noch eine Freigabe und die Umsetzung. „Wir wollen uns aber nicht beschweren, denn immerhin haben wir einen sehr modernen Standort“, erklärte Steffen Zulauf. In Lauterbach hingegen warte man auf einen moderne Unterkunft.

Auch Bundestagsabgeordneter Felix Döring war in der Schule, genauso wie Maximilian Ziegler, der Vogelsberger SPD-Kandidat zur Landtagswahl im kommenden Jahr.

Das kritisierte auch die CDU in Person von Landtagsabgeordnetem Michael Ruhl und Kreistagsfraktionsvorsitzendem Stephan Paule vorab in einer Pressemitteilung vor dem Besuch der Innenministerin und wies darauf hin, dass beide Standorte aus ihrer Sicht weiterentwickelt werden müssten. „Frau Faeser könne ein gutes Werk tun und eine Zusage für eine Erneuerung mitbringen“, heißt es darin. Außerdem kritisierten die Christdemokraten die Etatkürzungen des Bundesinnenministeriums um 2,3 Milliarden Euro, wobei allein die Ausgaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe um 40 Prozent fallen würden.

SPD-Kreisvorsitzender Patrick Krug sagte zu OL, dass auch er die Etatkürzungen für falsch halte. „Politik ist manchmal wie Politik ist“, sagte er. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Entwicklungen nun auf Entscheidungen der letzten 30 Jahren fußen, in denen die CDU maßgeblich an der Regierung und den Entscheidungen beteiligt gewesen sei. Die Kürzungen nun seien das Resultat eines auslaufenden Konjunkturpaketes, erklärte er im Nachgang.

Den zweiten Termin an diesem Tag gab es beim THW in Alsfeld.

Faeser selbst ging unterdessen insbesondere auf die wichtige Bedeutung des Ehrenamts in diesen unsicheren Zeiten ein. Doch ähnlich wie bei anderen Vereinen gebe es auch beim THW Probleme bei der Nachwuchs-Gewinnung. Es sei immer schwieriger geworden, die Menschen von der Couch zu holen, erklärte Zulauf. Hier müssten neue Anreize geschaffen werden, stimmte Faeser zu. „Da müssen wir ran“, sagte sie und freute sich über die Anreize von vor Ort. Ohne das ehrenamtliche Engagement würde vieles nicht gehen.

„Das Leben hat sich verändert, wir leben in anderen Zeiten“, sagte sie. Zwar rechne das THW nicht mit einer unmittelbaren Kriegsgefahr, wie Zulauf erklärte, doch ganz unbetroffen bleiben die Einsatzkräfte nicht. Zwischenzeitlich wurden beim THW keine Kriegsszenarien geübt, bei denen es konkret darum ging, verletzte und vermisste Menschen aus zerbombten Häusern zu retten. Doch nun gehöre die Vorbereitung auf solche Übungen mittlerweile wieder dazu, sagte der ehemalige Vorsitzende Jochen Weppler.

THW-Vorsitzender Steffen Zulauf begrüßte die Gäste.

Das machte auch die Innenministerin an einem konkreten Beispiel deutlich: Einen Tag nach Kriegsbeginn sei das THW nach Polen gefahren, um den Opfern zu helfen. Darüber werde ihrer Meinung nach zu wenig gesprochen, während Waffenlieferungen in die Ukraine im Fokus stehen würden. Und auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangenen Jahr waren alle deutschen THW-Ortsverbände vor Ort. „Nach zwei Wochen interessiert das niemanden mehr. Wer weiß, dass das THW die Brücken im Ahrtal wieder aufgebaut hat“, fragte Faeser.

Nicht nur das: Auch vor Ort helfe das THW ganz aktiv beim Brückenbau, so erst kürzlich in Maar, wo im Zuge einer Amtshilfe für den Landkreis eine Brücke während einer Baumaßnahme errichtet wurde, sodass man innerhalb des Orts wieder miteinander verbunden war. „Eine große Hilfe gab es auch beim Bücking-Brand“, sagte Landrat Manfred Görig und erinnerte auch an die Hilfeleistungen bei der Flüchtlingskrise in 2015.

Faeser in der Runde beim Alsfelder THW.

Vor ähnlichen Herausforderungen könne man künftig auch stehen, denn nur einige Meter entfernt von dem THW-Standort wurde in diesem Jahr eine große Flüchtlingsunterkunft errichtet, zuerst in der Hessenhalle, dann in Form einer Zeltstadt. Mittlerweile wird die Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete nochmal erweitert, weil es kaum mehr freie Plätze gibt. In der vergangenen Woche kritisierte die Kreisspitze die fehlende Unterstützung aus Berlin.

Die Kritik nahm auch die CDU vorab nochmal auf: „Auch die nun für das Jahr 2023 vom Bund zugestandenen 1,25 Milliarden für die Kosten der Flüchtlingsunterbringung werden die entstehenden Kosten nicht decken“, erklärten Ruhl und Paule. Das sei eine weitere offene Baustelle der Ministerin, bei der man „nicht erkennen könne“, wie das Problem im Sinne der Kommunen und Landkreise gelöst werden soll. Die CDU-Politiker lassen unterdessen unerwähnt, dass die 1,25 Milliarden für die Unterbringung von Geflüchteten sind, die nicht aus der Ukraine stammen. Für Ukrainer kommen nochmals zusätzlich 1,5 Milliarden in 2023 hinzu.

Diskutiert wurde das Thema durch Bundesinnenministerin Faeser zwar am Vorabend bei einem Besuch in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“, in Alsfeld blieb das Thema allerdings unbesprochen. Rückfragen dazu, so hieß es vor Ort, könnten an die offizielle Pressestelle gestellt werden.

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