Pfarrer Pierre Bouvain in Queck in den Ruhestand verabschiedetZugewandt, kreativ, streitbar und ganz nah dran
SCHLITZ (ol). Er stand unter dem Thema „Vom Säen und Ernten“ – für den Gottesdienst am Erntedanktag lag das nah: Die Menschen danken an diesem Tag für all das, was sie haben – trotz Krieg, Krise und Klimawandel immer noch selbstverständlich. Das diesjährige Erntedankfest in Queck war jedoch auch ein Dankfest für Pierre Bouvain.
Der 65-jährige Pfarrer Pierre Bouvain wurde in den Ruhestand verabschiedet: Fast ein Vierteljahrhundert seines Berufslebens hat er in Queck verbracht, heißt es in der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats Vogelsberg. In einem festlichen Gottesdienst sowie in einem anschließenden Empfang in der Kulturscheune würdigten sowohl die Kirche in Person von Dekanin Dorette Seibert das Schaffen Bouvains als auch die Kirchenvorstände und Vertreter der öffentlichen Gremien.
Den Gottesdienst in der Quecker Kirche gestalteten gemeinsam mit dem Pfarrer Mitglieder der Kirchenvorstände der Evangelischen Kirchengemeinde in Ober- und Unter-Wegfurth mit Unter-Schwarz, Queck, Rimbach und Sandlofs. Auch durch seine musikalische Gestaltung unter der Mitwirkung von drei Organisten (Christiane Fink, Mario Stucki, Elke Turba), dem Solo-Trompeter Jochen Grabowski, dem Posaunenchor der Pfarrei Queck unter der Leitung von Jonas Emmerich sowie dem Singkreis der Pfarrei Queck unter der Leitung von Ellen Mogk hob sich der Gottesdienst hervor.
„Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten. Und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“ Diesen Spruch aus dem Korintherbrief legte Pfarrer Pierre Bouvain seiner Abschiedspredigt zugrunde. Das Bild des Säens und Erntens übertrug der Geistliche zum einen auf das Erntedankfest.
Die Bibel habe einen großen Bezug zur Landwirtschaft und gerade im Schlitzerland könne man noch erleben, wie sehr sie gebraucht werde, aber auch wie viel Arbeit sie mache. Gott habe die Welt mit der Möglichkeit des Säens und Erntens großartig ausgestattet, so Bouvain, der betonte, dass in dem Spruch das Pendant zu „kärglich“ nicht „viel“, sondern „im Segen“ ist.
Als zweites bezog der Pfarrer das Säen und Ernten auf seinen Abschied. Mit dem Bild des Sämanns vor Augen resümierte er, nicht jede Saat gehe auf, doch er hoffe, dass Teile seiner Saat – das Wort Gottes ausgebracht mit vollen Händen in Gottesdiensten, Andachten und Begegnungen – aufgegangen seien und noch aufgehen werden. „Meine Zeit ist nun zu Ende“, sagte der scheidende Pfarrer und mahnte mit Blick auf die bevorstehenden strukturellen Änderungen in der Kirche, dass man – um im Bild der Landwirtschaft zu bleiben – nicht immer mehr Land mit immer weniger Menschen und Ausstattung bestellen könne.
Bouvain dankte seinem Kirchenvorstand und seinen Gemeindegliedern, die gemeinsam viel geschaffen haben und sicher imstand wären, ihr Gemeindeleben weiterzuführen. Als dritten Aspekt des Erntedankfestes nannte der Pfarrer das großzügige Spenden für arme Menschen.
Dank und Rückblick
Dekanin Dorette Seibert entpflichtete den Geistlichen sodann von seinem Dienst. Mit Blick auf sein Wirken dankte sie Pierre Bouvain für seine Gaben und seine Kraft, für seine Treue und seine Liebe und für manches deutliche Wort. Sie blickte zurück auf seine Vita, die beruflich in Friedberg begann und ihn vor 23 Jahren nach Queck geführt hatte. Von Anfang an habe er Traditionen aufgegriffen, die Geschichte der Orte erforscht, sich stets theologisch weiterentwickelt und Bewährtes und Neues im Gemeindeleben zusammengebracht.
Dabei habe er „faszinierende Wege gefunden, um zu säen“. Als Beispiele nannte die Dekanin die musikalische Vesper, die etwas anderen Weihnachtsgeschichten, den Silvestergottesdienst oder viele Gottesdienste im Freien. Als versierter Theologe sei er stets auch streitbar gewesen, hob Seibert positiv hervor.
Mit Blick auf seine Kritik an dem Zukunftsprozess der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau drückte sie ihre Hoffnung aus, dass man sich vielleicht neu zusammenfinden könne, um von dem großen Land gemeinsam doch alles bearbeiten könne.
„Die Gesellschaft hat sich verändert“, sagte die Dekanin, „und es liegt an uns allen, was aus unserer Kirche wird.“ Und an die Gemeinde gewandt: „Pfarrer Bouvain hat die Kirche für Sie gestaltet, war für Sie da, und hat Sie ermutigt, für Ihre Gemeinschaft einzutreten.“
Nach seiner Entpflichtung ergriff Pfarrer Bouvain noch einmal das Wort: Er halte es mit Luther, nach dessen Lehre alle Getauften Priester seien. Durch sein Amt als Pfarrer sei er für seine Dienstzeit in einer herausgehobenen Position gewesen; nun gebe er sein Amt zurück und werde der, der er war. Die Absicht, nicht wieder als Pfarrer tätig zu werden, unterstrich er, indem er das Beffchen löste und den Talar auszog.
Als normales Gemeindeglied im Anzug verließ Pierre Bouvain an der Seite der Dekanin die Kirche – nach einem anhaltenden, stehenden Applaus, der auch seiner Familie galt, und einem Überraschungslied, in das alle Gäste einstimmten.
Der Empfang in der benachbarten Kulturscheune war bestimmt von einer fröhlichen, dankbaren Stimmung mit viel Musik – ganz so, wie Pierre Bouvain es sich gewünscht hatte. Eine lange Liste an Grußworten, gepaart mit vielen Geschenken, Danksagungen und Zeichen der Wertschätzung und Verbundenheit, erfreute den scheidenden Pfarrer und auch die Gäste in der Kulturscheune – humorvoll und freundschaftlich verabschiedeten sich die Vertreter der öffentlichen Gremien von Pierre Bouvain.
Die Kirchenvorstände blickten in ihrer Ansprache unter anderem zurück auf die Anfänge der Familie Bouvain in Queck, die sich mit Dialekt und Hausnamen schwertat. Sie dankten dem Pfarrer für seine Kreativität und Zugewandtheit. Bürgermeister Heiko Siemon bestätigte Bouvain, dieser habe mit seinem Tun die Gemeinde geprägt.
Für die Pfarrer im Schlitzerland sprach der Pfarrer im Ruhestand Siegfried Schmidt. Er dankte Bouvain für jede Unterstützung, mit der dieser insbesondere die Vakanzen in Schlitz mitgetragen hatte. In die Liste der Redner reihten sich Vertreter der ansässigen Vereine, der Sing- und Musikkreise der Pfarrei sowie der Ortsvorsteher. Sie alle würdigten die Verdienste des Mannes, der ihr Pfarrer war und der nun – wie sie – einfaches Gemeindeglied wird.
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