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Beitragsreihe zum 50-jährigen JubiläumVon der Therapie über die Betreuung zu einem eigenständigen Leben

LAUTERBACH (ol). 50 Jahre alt wird das Haus am Kirschberg in diesem Jahr. Eine kleine Reihe setzt sich mit der Geschichte und der Entwicklung der Einrichtung auseinander, die im Lauf der Jahrzehnte von einem Mutter-Kind-Heim zu einem wichtigen Akteur der Jugendhilfe geworden ist. Der erste Teil der Reihe beleuchtete im Mai die Anfänge des Hauses. Der zweite Teil geht um die Weiterentwicklung des Angebotes in den Achtzigerjahren.

In der Pressemitteilung heißt es, im Mittelpunkt des Handelns der Verantwortlichen im Haus am Kirschberg stand und seht das Wohl der hier Betreuten, der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Kinder. Bereits Ende der Siebzigerjahre hatte das Haus am Kirschberg sein Angebot erheblich erweitert: Es gab einen Berufsbildungsbereich und eine eigene Betreuungsgruppe auch für Mädchen und junge Frauen ohne Kinder.

In der Folgezeit wurde die Mädchengruppe weiter ausdifferenziert, wie Gerhild Hoos-Jacob sich erinnert. Die Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin war seit Ende der Siebzigerjahre bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Beruf im Jahr 2021 im Haus am Kirschberg tätig, zuletzt als Pädagogische Leiterin. Heute ist Hoos-Jacob noch ehrenamtlich im Vorstand des Trägervereins „Hilfe für das verlassene KIND“ aktiv.

Wie ihr Mitstreiter Bodo Kester hat auch sie daher einen jahrzehntelangen Einblick in die Entwicklung der Einrichtung. „Das Haus am Kirschberg war stets auch ein Abbild der Gesellschaft“, berichtet sie. So kamen in den Achtzigerjahren nicht selten Mädchen mit muslimischem Hintergrund aus der ganzen Republik in Lauterbach an, die von ihren Familien bedroht wurden. „Eine neue Herausforderungen für unser Haus und eine große Anstrengung für die Mädchen“, fasst Hoos-Jacob diesen Komplex zusammen.

Über die Betreuung in der Einrichtung hinaus

Aus den mehr und mehr therapeutischen Inhalten des Hauses am Kirschberg entwickelte sich in diesen Jahren die Notwendigkeit, über die Betreuung in der Einrichtung hinaus zu denken und die jungen Frauen mit ihren Kindern für ein eigenes Leben zu ertüchtigen: Die ersten Außenwohngruppen in Lauterbach entstanden, interne Trainingsapartments wurden eingerichtet.

Beschäftigungstherapie war ein Teil des Angebots im Haus am Kirschberg. Foto: Archiv Haus am Kirschberg

Hier konnten die Klientinnen zunächst noch im geschützten Raum des Hauses üben, ihren eigenen Haushalt zu führen, bis sie die nächste Stufe in die Außenwohnungen wagten. „Wir gingen damit einen großen Schritt in Richtung Verselbständigung der Frauen“, erklärt die Sozialpädagogin. „Viele von ihnen mussten erst lernen, ihren Alltag mit Kind, Berufstätigkeit und allen Alltagspflichten zu organisieren. Auch der Umgang mit eigenem Geld musste geübt werden.“

Damals machten viele der Betreuten ihre Ausbildung ebenfalls im Haus am Kirschberg oder bei Kooperationspartnern – eine Maßnahme aus Mitteln des Jugendamts, sodass auch Teile des Einkommens an das Jugendamt flossen und als Leistungen von dort wieder zurückkamen. „Das ganze System mussten die jungen Menschen ja erst einmal verstehen und nach der Maßnahme in der Lage sein, selbstständig weiterzugehen“. In vielen Fällen sei das auch gelungen, so Hoos-Jacob, allerdings sei es für Alleinerziehende in den damaligen Zeiten immer schwer geblieben, sich zu behaupten.

„Wir konnten uns glücklich schätzen, dass die Spendenbereitschaft unserer Unterstützer aus den Anfangsjahren nicht abriss, im Gegenteil: Ohne die Spendengelder wäre eine solche Entwicklung unseres Hauses nicht möglich gewesen“, sagt Gerhild Hoos-Jacob und ergänzt: „Nicht zuletzt ermöglichten die Spenden unseren betreuten Familien auch besondere Angebote wie Freizeiten oder Ausflüge. Gerade solch schöne Erlebnisse waren vielen unbekannt und unterstützten eine positive Entwicklung der Menschen.“

Bedarf an Nachbetreuung

Mit der Verselbständigung der im Haus am Kirschberg betreuten Menschen ergab sich auch ein Bedarf an Nachbetreuung: Menschen, die die Einrichtung verlassen hatten, konnten in besonderen Wohnformen oder im eigenen häuslichen Umfeld betreut werden – nach ihrem individuellen Bedarf. Aus diesem Angebot entwickelten sich schließlich der Ambulante Dienst für Jugendliche und junge Familien in der Region.

Diese Konzepte waren innovativ, entstanden aus dem Bedarf, der gesehen und sinnvoll weiterentwickelt wurde. Neu und wegweisend war im Haus am Kirschberg auch, dass eine Elternzeit auch für Schülerinnen eingeführt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es diese für Schülerinnen nicht – ein innovatives Konzept, das zu diesem Zeitpunkt noch individuell mit dem jeweiligen Kostenträger besprochen und in der Hilfeplanung festgelegt wurde.

Bodo Kester, Weggefährte von Beginn an und langjähriger Geschäftsführer des Hauses am Kirschberg, blickt in seinen Erinnerungen zurück: „Wir waren eine neue Generation von Sozialpädagogen, ausgebildet in den Siebzigern, wir arbeiteten basisdemokratisch, fassten gemeinsam mit unseren Bewohnerinnen Beschlüsse und haben viel gemeinsam getragen.“ Sigrid Krauss, die Gründerin des Hauses am Kirschberg, unterstützte die Arbeit ihrer Pädagoginnen und Pädagogen; ihr Vertrauen gab ihr recht: Das Haus am Kirschberg entwickelte sich stetig weiter. Und die Mitarbeitenden blieben der Einrichtung trotz großer Belastungen jahrelang, oft jahrzehntelang treu.

Beschäftigungstherapie war ein Teil des Angebots im Haus am Kirschberg. Foto: Archiv Haus am Kirschberg

Die Klientel des Hauses am Kirschberg hatte sich mit all diesen Angeboten gewandelt und erweitert: Die Integrations-Therapeutischen Ausbildungsplätze standen nicht nur den Mädchen und jungen Frauen zur Verfügung, sondern wurden auch Jugendlichen der Region angeboten, die auf dem damals noch sogenannten „Ersten Arbeitsmarkt“ wenig Chancen hatten. Die psychosoziale Betreuung junger Menschen – darunter inzwischen auch Jungen – machte einen erheblichen Anteil des Angebots aus, und das Haus am Kirschberg wurde von einer Einrichtung mit einem neuartigen Nischenangebot vom Anfang zu einem bedeutenden Mitglied der regionalen und überregionalen Jugendhilfe.

Als Konsequenz daraus vernetzte man sich immer weiter mit Schulen, Ämtern und sozialen Trägern. Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Träger entstand als ein wichtiges Netzwerk im Vogelsberg. Gerhild Hoos-Jacob: „Die Achtzigerjahre waren für das Haus am Kirschberg auch Jahre, in denen es sich in der Region positionierte und in der Fläche bekannt wurde. Eine Zeit des Ankommens.“

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