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Rückblick und Ausblick auf 750 Jahre AngenrodEin ganzes Dorf feiert

ANGENROD (ls). 750 Jahre alt wird Angenrod in diesem Jahr, oder jedenfalls wurde der Ort vor etwas über 750 Jahren das erste Mal urkundlich erwähnt, damals noch als „Ingerode“. Wie aus einer ursprünglichen Wüstung in all den Jahren der heutige Alsfelder Ortsteil mit seiner starken Geschichte wurde. Ein Rückblick und Ausblick.

Auf den ersten Blick vermag Angenrod durch die durchführende Bundesstraße fast wie ein Durchfahrts-Ort wirken, hinter alldem steckt aber doch so viel mehr: Zusammenhalt, Engagement, eine lange Geschichte und auch ein Stück weit Ruhe, die Flucht aus dem Alltag. Insbesondere kann man eben diese spüren, wenn man vom Grafenberg hinab auf die malerische Silhouette des Ortes blickt.

„Das ist ein schönes Fleckchen Erde“, sagt Ingfried Stahl bei einem Treffen mit Ortsvorsteher Axel Möller und Stellvertreterin Christa Haidu oben am Aussichtspunkt an der sanierten Grillhütte. Der Lokalhistoriker beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte von Angenrod, die in diesem Jahr gefeiert wird.

Auf mittlerweile insgesamt 750 Jahre Ortsgeschichte blickt das Dorf zurück, jedenfalls wurde es vor eben genauso vielen Jahren erstmals urkundlich erwähnt: Am 26. April 1272. „Damals noch als ‚Ingerode'“, erklärt Stahl, der pünktlich zum Jubiläum sein gesammeltes Wissen über die Ortsgeschichte in einen Vortrag zusammenfasste und dabei interessante Einblicke bot.

Aus Ingerode wird Angenrod

Noch heute ist die vermoderte Pergamenturkunde erhalten und befindet sich im Original im Staatsarchiv Marburg. Ausgestellt wurde sie, so erklärt es Stahl, im damaligen Ailesuelt, dem heutigen Alsfeld, am 25. April 1272. Das Besondere sei allerdings, dass von eben dieser Urkunde eine Kopie gemacht wurde, die man heute im Staatsarchiv in Wien begutachten kann. Dort ist auch der vollständige Urkundentext überliefert, mit dem Passus „sita in Ingerode“.

Im Text selbst ist es „Alheid, Wittwe des Ritters Albert von Romrod“, die den „Ritter Conrad v. Linden alle Güter in Ingerode von Abgaben“ befreit. Die Endung auf -rod oder -rode gehe übrigens auf die zweite karolingische Rodezeit im Spätmittelalter zurück und treffe auch auf Vockenrod, Reibertenrod und Schwabenrod zu.

Das Hofgut ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte von Angenrod.

„Angenrod selbst war ursprünglich einmal als Wüstung erwähnt“, sagt Stahl. In einer Urkunde wurde dann mit Henne von Wehrda genannt Noding auch erstmals ein Vertreter der Noding-Dynastie genannt, die mit dem Tod des letzten Nodings in 1806 endete. Bereits 1450 hatte die Familie von Wehra genannt Noding das Lehn erhalten, zuvor wechselten die Lehnsherren, zeitweise lag Angenrod unbewohnt vor. Schon in dieser Urkunde wurde vom Bau der Wasserburg berichtet, die errichtet werden soll, später wurde die zum Hofgut rund um die Antrift. Dem Bau folgten später Bauern und deren Höfe, die allmählich das eigentliche Dorf formten. „Die Wasserburg und das Hofgut waren also der Ursprung von Angenrod“, ergänzt Ortsvorsteher Axel Möller.

1513 kam zum Hofgut eine Mühle hinzu, die später „Obere Mühle“ genannt werden sollte und noch immer in Betrieb ist. Das Hofgut selbst wurde Ende der 80er Jahre von der Stadt Alsfeld gekauft, heute befinden sich Wohnungen drin. Nach dem Tod des letzten Noding wechselte das Hofgut in die Hände der Familie von Bibra, gefolgt von der Familie des Grafen Bernstroff.

Jüdische Geschichte Angenrods von besonderer Bedeutung

Die Geschichte von Angenrod endete damit allerdings nicht, wenn sie zwischenzeitlich auch schwerer nachzuvollziehen war: Kirchenbücher gab es zunächst noch gar nicht, dann erst in lateinisches Sprache. Während des 30-jährigen Krieges allerdings habe es keinerlei Aufzeichnungen gegeben.

„Die Geschichte von Angenrod ist sehr vielfältig“, sagt Stahl. Von besonderer Bedeutung sei vor allem die jüdische Geschichte und die Bedeutung der jüdischen Gemeinde in der Region. Nachdem der Fürstabt von Fulda im 17. Jahrhundert aus seinem Herrschaftsbereich ausgewiesen hatte, war es die Familie Noding, die den jüdischen Händlern in Angenrod Schutz bot. „1736 wurde dafür gesorgt, dass die jüdischen Händler dauerhaft bleiben können“, sagt Stahl.

Zwölf kleine Häuser wurden dazu gebaut, die in der Judengasse – „früher hieß es Neu-Jerusalem“ – angesiedelt wurden und noch heute erkennbar sind. „Die kleine Backsteinmauer davor nannte man im Volksmund Klagemauer“, ergänzt Stahl. Die jüdischen Mitbürger seien sehr orthodox gewesen. Mit einer der größten Gemeinden von Landjuden habe es in Angenrod gegeben. „Nur Rhina bei Hünfeld hatte eine größere jüdische Gemeinde zu diesem Zeitpunkt“, sagt Stahl.

In der Judengasse wurden de ersten zwölf Häuser für jüdische Händler erreichtet. Später war Angenrod dann als „Neu-Jerusalem“ bekannt.

1797 entstand eine prächtige Synagoge und danach sogar eine eigene Schule. Die Synagoge steht heute nicht mehr. „Das war ein großer Fehler die nicht zu erhalten“, sagt Stahl, heutzutage habe man immerhin einen ganz neuen Blick auf diese Zeit bekommen. „Damals war es aber eine andere Zeit gewesen, mit anderen Vorstellungen“, erklärt die stellvertretende Ortsvorsteherin Christa Haidu.

Neben dem gut erhaltenen jüdischen Friedhof erinnert auch das Haus Speier an die ehemals große jüdische Gemeinde im Ort. Heute als Gedenkstätte hergerichtet war es einst der Ort, in dem 1942 die letzten zwölf jüdischen Mitbürger lebten, ehe sie vermutlich über das KZ Theresienstadt nach Auschwitz deportiert wurden. Symbolisch dürfte das Haus Speier auch für den Zusammenhalt im Ort stehen, denn einzelne Aktive haben nachdem sie seitens des Kreises, der Kirche und der umliegenden Kommunen auf Ablehnung stießen, 2014 den Verein „Gedenkstätte Speier Angenrod“ gegründet, der das Haus sanierte und von der Stadt Alsfeld dabei finanziell unterstützt wurde.

Speier Haus als Sinnbild für bunten Vogelsberg

Auch das Dorfgemeinschaftshaus, was ursprünglich 1880 als Schule gebaut wurde, wurde in Eigenleistung der Bürger saniert und umgebaut, damit auch Angenrod ein Dorfgemeinschaftshaus hat. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Ortsvorsteher Axel Möller. Angenrod sei zu diesem Zeitpunkt eines der Dörfer gewesen, was kein DGH hatte. „Das hat Angenrod nochmal einen ordentlichen Schub gegeben“, ergänzt Haidu. Damals habe es seitens der Stadt geheißen, dass kein Geld zur Sanierung und Aufarbeitung da sei, aber dass wenn der Ort das in Eigenleistung schaffe, man seitens der Stadt für das nötige Material sorge. Ein heutiger Blick zeigt: Angenrod hat es geschafft.

So ist auch das Hofgut in seiner jetzigen Form saniert worden, ebenfalls wie auch die Grillhütte in Eigenleistung. „Bei der Eingemeindung zur Stadt Alsfeld haben viele Orte eine Grillhütte bekommen, auch Angenrod. Aber irgendwann hat sich gezeigt, dass die viel zu klein war und dann haben wir sie in Eigenleistung umgebaut“, erklärt Möller. 2010 sei das etwa gewesen. Auch der Kindergarten im Ort sei ein wichtiges Merkmal, sowie die aktive Vereinsarbeit – von der Jugendfeuerwehr, über den Carneval-Verein und viele mehr.

Das Engagement zeige sich auch auf dem Kinderspielplatz im Ort, der von jungen Familien entworfen wurde und durch deren Input so durch die Stadt umgesetzt wurde. Auch wenn schon viel passiert ist in 750 Jahren Ortsgeschichte von Angenrod – und vieles davon in den vergangenen noch jüngeren Jahren – an Ideen mangelt es nicht: So könnte das Hofgut, das mit der Dorfentwicklung und der Schaffung von Wohnungen bereits einen guten Schritt gemacht hat, noch zu einem Dorfmittelpunkt hergerichtet werden und auch das Wohnbaugebiet Rudolphswiese müsse fertig entwickelt werden.

Der Spielplatz in Angenrod wird wurde von Familien mitgestaltet und von der Stadt auf Grundlage dessen gebaut.

Angenrod als Ort mit Zukunft

„Wir brauchen ein Neubaugebiet“, sagt Haidu. Schon 2005 sei das Neubaugebiet ausgewiesen worden, passiert sei bisher nicht viel. Es gehe an der Rudolphswiese nicht voran. Zwölf Bauplätze sollen dort entstehen, mehrere Anfragen habe man schon gehabt – doch noch immer nichts passiert. „Historie super, aber wir haben auch eine Zukunft und junge Menschen, die in Angenrod leben und bauen möchten. Darüber freuen wir uns sehr und dazu muss Entwicklung zugelassen werden“, ergänzt sie. Nur so kann Angenrod auch in Zukunft das wachsende Dorf bleiben, das es schon seit einigen Jahren ist.

Jetzt feiert Angenrod aber erst einmal Jubiläum, den Auftakt gab es mit dem Gottesdienst im Getürms bereits und auch einen ersten Vortrag zur Angenröder Geschichte von Ingfried Stahl. Die Kindergartenkinder habe Sonnenblumen gepflanzt und Kartoffeln gesetzt, zu Ostern wurden 750 echte Eier bemalt und am Osterbaum dekoriert.

In der Folge gibt es im Juli ein Klappstuhlkonzert und ein weiteres musikalisches Highlight mit Flex-a-ton am Gedenkstein an der ehemaligen jüdischen Synagoge, ehe am zweiten Wochenende im August dann das Jubiläums-Wochenende mit verschiedenen Aktionen für Kinder, dem Festkommers und ein historischer Festzug durch den Ort wartet. Am 9. September steht dann der zweite Vortrag zum historischen Angenrod von Ingfried Stahl auf dem Plan.

Ein Sonnenblumen-Wettbewerb zum 750. Geburtstag

Ein Gedanke zu “Ein ganzes Dorf feiert

  1. Was ein Witz ……junge Leute ins Dorf holen wollen aber nichts dafür tun…….ein Dorf Jubiläum ohne Kirmes ohne Discoabend usw. stattdessen Orgelkonzert, Geigenkonzert und Ufffada Musik….so bekommt man bestimmt junge Einwohner….. Angenrod ihr müsst Mal aufwachen und nicht den selben Mist machen wie Alsfeld beim Stadt Jubiläum…..In Marburg war Part überall…in Alsfeld war nichts außer Marktspielgruppe….super…für die Jugend war nichts….kein Wunder daß alle weg ziehen…..

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