Abschieds-Besuch bei Hombergs Bürgermeisterin Claudia BlumBlum: „Ich blicke nicht ärgerlich zurück“
HOMBERG OHM (akr). Sechs Jahre lang war Claudia Blum Bürgermeisterin von Homberg Ohm. Am 1. Juli übergibt sie den Chefsessel im Rathaus an ihre Nachfolgerin Simke Ried, dann nämlich endet offiziell ihre Amtszeit, die sie selbst als „extrem“ bezeichnet, auf die sie aber dennoch nicht ärgerlich zurückblickt. Ein letzter Besuch.
Claudia Blums Schreibtisch ist aufgeräumt. „Normalerweise ist er das nicht“, lacht sie. Da aber in wenigen Tagen Blums Nachfolgerin Simke Ried das Büro beziehen wird, soll Ordnung herrschen. Dafür hat sie in den letzten Tagen schon gesorgt. Fertig ist sie aber noch nicht. „Die Pflanze muss ich auch noch mitnehmen“, lächelt sie. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Schefflera“, die sie von ihren Mitarbeitern zum Amtsantritt geschenkt bekommen hatte. Sechs Jahre ist das mittlerweile her. „Damals war sie ungefähr halb so groß.“
Blum wirkt glücklich. „Ich freue mich auf einen Lebensabschnitt mit hoffentlich weniger Ärger“, lächelt die noch amtierende Rathauschefin. Davon hatte sie in den vergangenen Jahren genug – und diese laut Blum „schwierigen Rahmenbedingungen in Homberg Ohm“ haben sie letztendlich auch dazu verlasst, nicht erneut für das Amt der Bürgermeisterin zu kandidieren.
Entscheidung fiel ihr schwer
„Ich blicke nicht ärgerlich zurück“, sagt Blum und lächelt – auch wenn es durch die beiden großen, unvorhersehbaren Geschichten wie die Corona-Pandemie und der A49 eine „extreme Amtszeit“ gewesen sei, habe sie auch viel Schönes erlebt.
Leicht sei ihr diese Entscheidung nicht erneut zu kandidieren aber nicht gefallen, sondern sehr schwer. „Ich war gerne Bürgermeisterin“, betont sie, weshalb neben der Freude auf einen neuen Lebensabschnitt auch ein Stück Wehmut herrsche. Systematisch ist sie die Entscheidungsfindung angegangen, hat Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Am Ende sei das Ergebnis eindeutig gewesen. Auch als sie es nach dem Urlaub im „erholten Zustand“ nochmals prüfte, habe sich an dem Ergebnis nichts verändert. „Es war eindeutig“.
Als die 54-Jährige 2015 für das Bürgermeisteramt in der Ohmstadt kandidierte, war nicht absehbar, dass im Bezug auf die A49 so „extreme Proteste“ entstehen würden. Damit habe sie persönlich nicht gerechnet. „Selbst wenn mir das jemand gesagt hätte, hätte ich es vermutlich nicht geglaubt.“ Doch sie hat es hautnah miterlebt, musste immer wieder teils heftige Kritik einstecken – auch im Stadtparlament.
Respektloser Umgang in der Homberger-Stavo
„Das hat mich schon sehr belastet, weil es in gewisser Weise sehr ungerecht war“, sagt sie. Ihre Stimme zittert. Es habe sie in ihrer Funktion als Bürgermeisterin getroffen, doch letztendlich habe sie in keiner Weise zu den Entscheidungen beigetragen, die im Vorfeld ihrer Amtszeit getroffen wurden. „Die Gremien waren in Hinblick auf die Planfeststellung zuletzt 2012 damit befasst“, betont die 54-Jährige. Eine Kommune könne zwar eine Stellungnahme einreichen, habe aber auf ein Bundesbauprojekt, in dem Fall den Bau einer Autobahn, nur minimale Einflussmöglichkeiten.
Blum hält kurz inne, blickt aus dem Fenster und nimmt einen Schluck Wasser zu sich. „Ich kann persönlich gut mit Kritik umgehen. Ich bin immer froh, wenn ich eine ehrliche Rückmeldung bekomme, aber wichtig ist: es muss respektvoll passieren und das ist in der Stadtverordnetenversammlung in Homberg Ohm nicht der Fall“, betont sie. Der Umgang, ihr gegenüber als Bürgermeisterin, sei an vielen Punkten respektlos gewesen. Ihr derzeitiger Vertreter, der erste Stadtrat Michael Rotter, erlebe das momentan ähnlich.“Vor nichts und niemanden wird hier Halt gemacht.“ Das müsse sich grundsätzlich ändern. Bei allen Differenzen sei es wichtig, respektvoll miteinander umzugehen.
„Es ist ein riesen Projekt, das Auswirkungen auf die ganze Stadt hat, das kann ich auch verstehen“, betont die 54-Jährige. Ihre Stimmlage wird ernster. Blum ist bewusst, dass diese Auswirkungen nicht nur positiv, sondern auch negativ sein werden. „Wir werden an vielen Stellen in Homberg Ohm künftig Geräusche der Autobahn hören“, betont sie. Das ist eine „einschneidende Sache“.
Natürlich müsse man, so Blum, als Stadt auch gucken, wie man darauf reagiert. Die Grundlage sei aber der Planfestellungsbeschluss, indem alles Wesentliche geregelt ist. „Es war aus meiner Sicht eine falsche Annahme, hier noch Verbesserungen erreichen zu können, die nicht im Planfeststellungsbeschluss geregelt sind“, betont die Bürgermeisterin, Ihrer Meinung nach hat sich das bislang bestätigt. „Es ist das entscheidende Regelwerk, wo alle dran gebunden sind. Dieser Sack wird nicht nochmal aufgeschnürt.“
Auf die Frage, ob es Fehler ihrerseits gegeben habe, für die sie sich rückblickend entschuldigen würde, hält Blum inne, überlegt und verneint. „Was mich aber persönlich geärgert hat, war die fehlerhafte Feldwegegenehmigung, die hier aus dem Haus gegangen ist.“ Die Bau-Arbeitsgemeinschaft der A49, kurz „Bau-Arge“, hatte von der Stadt die Genehmigung bekommen, den Meiserholzweg sowie weitere Feldwege mit ihren Baufahrzeugen zu nutzen. Doch dieses Schriftstück sei „zu einfach“ genehmigt worden, so hätte unter anderem auch ein Vorbehalt gefehlt. Blum habe diese Genehmigung selbst vorher nicht gesehen, „sonst wäre sie so nicht raus gegangen“, betont sie.
Das sei aber eben ein Fehler, der passieren kann. „Deswegen will ich mich dafür nicht entschuldigen, für mich gehört zu einem respektvollen Umgang auch dazu, eine positive Fehlerkultur zu haben“, betont sie. Jedem würden Fehler unterlaufen, aber man müsse auch schauen, wie man diesen Fehler korrigieren kann. Das hat sie in der Verwaltung gemacht. Die Bau-Arge habe außerdem schriftlich zugesagt, dass der Feldweg, der durch die Arbeiten in Mitleidenschaft gerät, auch wieder instand gesetzt wird.
Schöne Momente in ihrer Amtszeit
Wenn Blum auf ihre Amtszeit zurückblickt, kommen auch schöne Erinnerungen hoch. Stolz ist die 54-Jährige zum Beispiel auf die bienenfreundlichen Blühwiesen und den in Kooperation mit einem heimischen Imker entstandenen Blühwiesen-Honig. Die Bürgermeisterin steht auf, geht zu ihrem Schreibtisch, öffnet eine Schublade und holt eine Karte heraus, auf der die farbenfrohe Blütenpracht der Blühwiesen zu sehen ist. Ein breites Lächeln macht sich in ihrem Gesicht breit. Blum, die nicht nur Finanzwirtin sondern auch Biologin ist, ist bekannt für ihre Verbundenheit zur Natur. Nicht selten erkundet sie die Region auf ausgiebigen Wandertouren. Kein Wunder, dass in ihrer Amtszeit das Wanderangebot der Kommune erweitert und neue Touren angeboten wurden.
Das für sie typische Lächeln findet sich auf ihrem Gesicht wieder, als die 54-Jährige wenige Minuten später vor der evangelischen Stadtkirche steht, die sich nur wenige Schritte entfernt vom Rathaus befindet. „Ich kann mich noch erinnern, als ich das erste Mal hier war“, sagt sie und blickt lächelnd auf das Gotteshaus. Damals war die Kirche noch zugeparkt mit Autos, die Verkehrspoller, die das verhindern sollen, noch nicht installiert. „Hier war es teilweise so eng, dass kein Rettungsfahrzeug mehr durchkam“, erinnert sich Blum. Ohne die Autos sei das Kulturdenkmal besser sichtbar, die Umgebung schöner.
Zu den schönen Erinnerungen und Momenten zählen für sie vor allem auch die Gespräche und Begegnungen mit den Menschen, sei es bei Jubiläumsbesuchen oder Veranstaltungen. Was ihr aber am meisten Freude bereitet habe: wenn sie Menschen helfen konnte. „Es ist einfach schön, wenn man den direkten Kontakt zu den Bürgern hat“, erklärt die Rathauschefin, die beim Gang durch die Homberger Innenstadt immer wieder herzlich begrüßt wird. „Hallo Frau Blum, ich wünsche ihnen ein schönes Wochenende“, ruft ihr eine Frau zu, die ihr, etwas in Eile, entgegenkommt.
Blum bleibt an einem Rosenstock stehen. Es ist nicht der einzige, der die Homberger Innenstadt ziert. 2018 hatte der Arbeitskreis Innenstadtentwicklung Hauseigentümer gesucht, die ihr Haus mit Rosen verschönern lassen wollten, um die Innenstadt optisch aufzuwerten. 20 Rosenstöcke konnten schließlich gepflanzt werden – „auch an meiner früheren Wohnung“, ergänzt sie und zeigt auf ein Haus nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt. Ihre Wohnung hat Blum bereits gekündigt. Sie ist zurück zu ihrem Lebensgefährten nach Lauterbach gezogen. „Ich gehe aber davon aus, dass ich immer mal wieder hier sein werde.“ Spätestens um auf einem der vielen Wanderwege zu wandern.
Projekt-Verzögerungen durch A49 und Corona
Zwar konnten in ihrer Amtszeit viele Projekte und Themen umgesetzt werden, seien es die Blühwiesen, der Drogeriemarkt, die energetische Sanierung der Kläranlage, die Fertigstellung des Mehrgenerationenhauses in Ober-Ofleiden – um nur einige Beispiele zu nennen – aber vieles sei eben auch auf der Strecke geblieben, weil die A49 viel Raum eingenommen und sich dadurch alles verzögert habe.
„Die Corona-Pandemie hat uns in den Planungen um ein Jahr zurückgeworfen und die A49 mit den Unmengen an Beschlüssen, die gefasst und bearbeitet wurden“, betont Blum. Dadurch sind andere Themen zu kurz gekommen oder hätten einfach länger gedauert, wie beispielsweise Bauleitplanungen, eigene Projekte der Stadt wie der Radweg und auch das Projekt Friedrichstraße, wo unter anderem barrierefreie und seniorengerechte Wohnungen entstehen sollen. Diese Projekten könnten heute schon besser ausgearbeitet sein, findet die 54-Jährige.
Ob die Kommunalpolitik irgendwann wieder in ruhiges Fahrwasser kommt? Blum lacht. „Ich hoffe es“, sagt sie. Homberg könne wesentlich mehr gestaltet werden, wenn man sich nicht mit solchen „Streitereien“ aufhalten würde, sagt sie. Das sei bedauernswert. Doch darüber wird sich das scheidende Stadtoberhaupt nicht länger Gedanken machen müssen, denn in wenigen Tagen wird Simke Ried ihr Amt als neue Bürgermeisterin antreten.
Ihrer Nachfolgerin wünscht Blum nicht nur alles Gute, sondern auch „gute Nerven und die nötige Gelassenheit“. Blum spricht aus Erfahrung. Und für die Zukunft von Homberg Ohm? „Ein konstruktives Klima in der Stadtverordnetenversammlung und der Rest wird dann auch passieren.“ Dann macht sich Blum auch schon wieder auf den Weg zurück in Richtung Rathaus.
Auch wenn es für Claudia Blum nicht mehr viel zu tun gibt und die Übergabe schon vorbereitet ist, will sie ihren Schlüssel erst am 30. Juni abgeben. Schon im Rathaus machte sie klar: „Ich mache das bis zum Schluss“.
Endlich weiß ich, wie alt Frau Blum ist! Ganze sechs Mal wurde es in dem Bericht erwähnt: Sie ist 54!
es wird aber gemunkelt, dass „Homberg-Jahre“ wie Hundejahre mit Faktor 7 zu multiplizieren sind…..