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Ein außergewöhnliches Schulprojekt für die Holzfachklassen der Max-Eyth-SchuleSchüler bauen mittelalterliches Folterinstrument nach

ALSFELD (ls). Es ist schon ein besonderes, wenn nicht sogar außergewöhnliches Projekt, das die Holzfachklassen der Max-Eyth-Schule da verwirklicht haben: Gebaut haben die nämlich eine Gaagk, ein mittelalterliches Folterinstrument.

Nach den Herbstferien ging es los in der Holzfachabteilung der Max-Eyth-Schule: Statt des üblichen Lehrplans stand für rund 15 Schüler der zwei Klassen ein besonderes Projekt auf dem Lehrplan: das mittelalterliche Folterinstrument Gaagk, das seinen Namen den Geräuschen verdankte, die durch die Foltermethode beim Menschen hervorgerufen wurden, wie Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule bei der offiziellen Vorstellung des Folterinstruments erklärte.

Noch ist die Gaagk nicht ganz fertig: Die Tragekonstruktion fehlt noch. Alle Fotos: mwn

Die Gaagk – auch „Bäcker-Galgen“ oder „Gack“ genannt – ist im Grunde eine Art Holzkäfig oder Holzkonstruktion zur Strafvollstreckung, die an einen Schnappgalgen befestigt war, der über einem Teich stand. Wer im 16. und 17. Jahrhundert Schandtaten begangen hatte, konnte die Strafe „Gacken“ erhalten, wobei je nach Schwere der Straftat der Übeltäter im Korb mehrmals für längere Zeit unter Wasser getaucht wurde.

Wenn der Betroffene wieder über Wasser gezogen wurde, musste er sich meist übergeben, um das Wasser aus der Lunge zu bekommen. Dabei entstand ein Würgegeräusch, das in Vogelsberger Mundart noch heute als „gaagksen“ „goacksen“ oder ähnlich ausgesprochen für das Aufstoßen verwendet wird – daher der Name des Folterinstruments, das ursprünglich einmal am Alsfelder Ludwigsplatz gestanden habe, wo damals noch die Liederbach zu einem kleinen Teich aufgestaut wurde.

Zwei Klassen der Holzfachabteilung waren mit dem Bau beschäftigt.

„Im Stadtarchiv existiert eine Aufzeichnung darüber, wie die Gaagk einmal einen Scharfrichter auf den Kopf gefallen ist“, erzählte Paule. Beim Hochziehen sei das Seil gerissen, wodurch der Korb mitsamt der Menschen dem Scharfrichter dabei auf den Kopf gefallen sei und er erschlagen wurde. Den dadurch entstandenen Tumult habe der zu Bestrafende übrigens genutzt und sei geflohen.

Wie eine solche Gaagk im Mittelalter wohl ausgesehen hatte, entdeckte Michael Hölscher vom städtischen Bauamt in einem Museum in Rothenburg und brachte Bilder der Holzkonstruktion mit nach Alsfeld, auf deren Grundlage eine Bauzeichnung angefertigt wurde, die von den Schülern der MES letztendlich detailgetreu nachgebildet wurde – wenn auch nicht nach Denkmalschutzrichtlinien.

Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule und Michael Hölscher vom städtischen Bauamt bei der Vorstellung des Folterinstruments.

„Wir haben für die Fertigung moderne Maschinen genutzt, weil das Teil der Ausbildung ist“, sagte MES-Schulleiter Friedhelm Walther. Das Projekt nämlich war ein Teil der alltäglichen schulischen Ausbildung und wurde so in den Unterricht und auch in die theoretische und praktische Prüfung integriert. „Wenn wir sowas bauen, dann nach ausbildungstechnischen Grundlagen“, erklärte er. Gefertigt wurde der Käfig aus Eichenholz von den rund 15 Schülern aus zwei Klassen der Holzfachabteilung; Unterstützung gab es von der MES-Metalltechnik für Winkel, Scharniere und Riegel.

Das erste mittelalterliche Folterinstrument, das durch Schüler der Schule hergestellt wurde, war das übrigens nicht: Schon in 2016 baute die Holzfachabteilung den Triller, der heute vor dem Alsfelder Stadtarchiv steht und anschaulicher Bestandteil von Stadtführungen ist – und bei Touristen oftmals als beliebtes Fotomotiv fungiert.

Das musste vom Bürgermieter höchstpersönlich getestet werden.

Noch ist die Holzkonstruktion nicht ganz fertig, die Tragekonstruktion fehlt noch, die von einem Schreiner angefertigt werden muss. Die soll aber voraussichtlich im Spätsommer bis Anfang Herbst fertig, der Stadt endgültig übergeben und öffentlich aufgebaut werden. Wo genau der neue Bestimmungsort sein wird, steht jetzt allerdings noch nicht fest. „In der Nähe von Wasser wäre schön“, sagte Hölscher in Anlehnung an die mittelalterliche Foltermethode. Neben dem Pranger am Weinhaus und dem nachgebildeten Triller am Beinhaus wird es damit bald eine dritte mittelalterliche Strafmaßnahme in der Stadt zu sehen geben.

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