Industriegebiet "Weißer Weg": Firma lüftet Pläne des geplanten StandortsWie Nordwest Klima und Umwelt schonen will
ExklusivALSFELD (ls). Unbemerkt ist die Kritik über zu wenige Klima- und Naturschutzmaßnahmen an den geplanten Neubauten im neuen Alsfelder Industriegebiet nicht am Großhandelsverband Nordwest Handel vorbeigegangen, im Gegenteil. Das Unternehmen hat zugehört und reagiert: mit angepassten Plänen und noch mehr Klimaschutz.
Es war das erste Unternehmen, das sein Kaufinteresse für ein Grundstück im geplanten Alsfelder Industriegebiet „Am Weißen Weg“ bekundete: Ein 130.000 Quadratmeter großes Areal wurde im vergangenen Mai an Nordwest Handel verkauft, auf dem das neue Zentrallager des Großhandelverbands gebaut und zum Aushängeschild des Unternehmens gemacht werden soll.
Nordwest Handel plant neues Zentrallager im Industriegebiet „Weißer Weg“
Fast ein Jahr ist seither vergangenen, viel wurde seitdem über das Industriegebiet diskutiert – insbesondere durch Klima- und Naturschutzverbände und auch Lokalpolitiker, die die Bodenversiegelung, aber auch die zusätzliche Verkehrs- und Lärmbelastung kritisierten. Auch wenn dabei meist der mittlerweile zweite Käufer, der Logistiker DHL-Express mit seinem Deutschland Hub im Mittelpunkt stand, ist die Kritik auch an Nordwest-Vorstand Jörg Simon und Projektleiter Bastian Wolfgarten nicht vorbei gegangenen.
Gebäude an naturhafte Umgebung anpassen
„Aufgrund der ersten Reaktionen haben wir uns natürlich überlegt, ob wir noch mehr tun können. Wenn es Themen gibt, wo wir noch etwas machen können, dann wollen wir da etwas tun – das ist unser Anspruch“, resümierte Vorstandsmitglied Jörg Simon. Deshalb habe man schon kurz darauf überlegt, was man für das Unternehmen vertretbar noch gestalten oder ändern könne. Ein Aspekt sei dabei der Lutherweg gewesen – und die Befürchtungen der Kritiker, man würde auf dem Weg pilgern und plötzlich vor einer riesigen Industriehalle stehen, die den Blick über die Natur versperre.
Also habe man überlegt, wie und vor allem wo man die Büroräume integrieren könne. Letztendlich habe man sich für ein vorgelagertes, niedrigeres Gebäude entschieden, was eine Dachbegrünung erhalten soll – zusätzlich zu der nochmal erhöhten Anzahl an Bäumen, die auf dem gesamten Gelände gepflanzt werden soll. „Auch wenn die logistische Planung ähnlich geblieben ist, ist es nun unser Vorhaben, das Gebäude bestmöglich in die naturhafte Umgebung zu integrieren“, sagt Wolfgarten. So wolle man verhindern, dass der Eindruck entsteht, man würde vor einer „Wand“ stehen und auch soll der Höhenunterschied zum Wald dadurch optisch gemindert werden.
Auf einer Grundstücksfläche von 130.000 Quadratmetern soll eine knapp 50.000 Quadratmeter große Halle entstehen, die bei Bedarf nochmal um 10.000 Quadratmeter erweitert werden kann. Gut 200 Mitarbeiter sollen durch den eingemieteten Partner beschäftigt werden, ungefähr 30 Mitarbeiter in der Administration und Prozessmanager, etwa 170 gewerbliche Mitarbeiter in der Logistik, Teamarbeiter, Techniker und Wartungspersonal.
Dachbegrünung, Ruhebänke, Wärmepumpe und Regenwassernutzung
„Auch das war ein Punkt, den wir aus den ersten Reaktionen mitgenommen haben. Wir bemühen uns auch auf Themen wie Ausbildungsplätze zu reagieren, indem wir Nachwachs aufbauen und ihm hier vor Ort eine Perspektive bieten“, sagt Simon. Hier fokussiere sich das Unternehmen darauf, Ausbildungen zur Fachkraft für Lagerlogistik anzubieten und auch das duale Studium mit den Schwerpunkt BWL und Logistik.
Auch das sei eines der Themen gewesen, über die man sich nach den Anregungen der Lokalpolitik intensiv Gedanken gemacht habe. „Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass man sich aufgenommen und willkommen fühlt“, ergänzte Simon. Auch die Mitarbeiter sollen sich gut aufgehoben fühlen in dem Unternehmen. Das solle sich auch auf Alsfeld und das Arbeitsumfeld übertragen.
Nochmal zurück zur Optik des Baus: Auch das Außengelände soll naturhaft angepasst werden, mit Insektenhotels, Ruhebänken und begrünten Beeten. Die Parkflächen sollen wasserdurchlässig werden, sodass der Boden nur im nötigsten Maße versiegelt werde und das Regenwasser im Bereich der Parkplätze weiterhin versickern kann. Auch Ladesäulen für E-Autos und für E-Bikes sind vorgesehen, denn das Unternehmen bietet für Mitarbeiter unter anderem das Job-Bike an – unterstützt Mitarbeiter also mit speziellen Angeboten dabei, ein E-Bike für den Weg zur Arbeit zu nehmen.
Zusätzlicher Verkehr lasse sich aber trotz entsprechender Angebote für die Mitarbeiter nicht ganz verhindern. Mit 80 Lkw-Verkehren rechnet der Projektverantwortliche Wolfgarten am Tag, an Spitzentagen bis zu 120. Die Logistik-Partner würden aber keine regionale Verteilung vornehmen und zu 85 bis 95 Prozent ausschließlich die Autobahn nutzen, wodurch man versuche den Verkehr an der Stadt vorbei zu führen.
Nordwest Handel sei kein Logistiker im klassischen Sinne und verstehe sich auch nicht als ein solcher, sondern als Großhändler für mittelständische Unternehmen mit umfangreichen Leistungen wie Lagerung, Versand, Warenbestellung- und -annahme, Datenverarbeitung und vieles mehr. „Wir kümmern uns darum, dass die mittelständischen Unternehmen handlungsfähig bleiben. Dazu brauchen wir Lagerfläche, aus der wir den Mittelstand stärken möchten“, sagt Simon.
In dieser Lagerfläche, wo neben einem Palettenlager, einem Blocklager und einem Kragarmlager ebenfalls ein automatisches Kleinteillager entsteht, ebenso wie ein großer Warenausgangsbereich, arbeite man daran den Energiebedarf auf das Notwendigste zu reduzieren. Derzeit befinde man sich in Abstimmungen mit dem Generalunternehmen, wie man die Energie durch hochwertige Dämmung am Gebäude reduzieren kann, die Lager an sich sollen intelligente Steuerungen aufweisen, die die Technik abschaltet und wo Start- und Demand-Lösungen genutzt werden.
Die Beleuchtung soll vollständig durch LED erfolgen und mit Präsenzmeldern arbeiten. Auch das Verpackungssystem, was für das Unternehmen und die damit einhergehenden Versandtätigkeiten eine wichtige Rolle spielt, sei intelligent und volumenabhängig gesteuert, um den Verpackungsaufwand und das Material so minimal und gering wie nötig zu halten. „So werden die Verpackungen optimal angepasst und nicht mehr Material verbraucht, als nötig“, erklärt Wolfgarten.
Photovoltaikanlagen auf dem Dach seien fest eingeplant, die das automatisierte Kleinteillager und möglicherweise die Gabelstapler mit Strom versorgen. Die darüberhinaus benötigte Energie soll durch Wärmepumpen statt Gas erzeugt werden – das befinde sich allerdings gerade erst in der Prüfung. Ein weiterer Nachhaltigkeitsaspekt sei, dass man das Regenwasser auffangen und vollumfänglich nutzen wolle. Das könne dann entweder zur Bewässerung der Grünanlagen, oder – je nach Niederschlagsmenge – auch zur Spülung der Toiletten genutzt werden. Auch hier befinde man sich gerade in Abstimmungen und Gesprächen über die Möglichkeiten.
Simon: „Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind uns sehr wichtig“
„Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind uns sehr wichtig und deshalb planen wir da intensiv dran, den Energiebedarf auf das Notwendigsten zu reduzieren“, sagt Jörg Simon. Das beschäftigte das Unternehmen nicht nur beim Bau des neuen Lagers, sondern habe auch in der Logistik selbst in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. „Das zeigt, dass man zukünftig hier wichtige Wege gehen kann“, bestätigte auch Wolfgarten.
Derzeit befindet sich der Bebauungsplan für das neue Industriegebiet noch in der Offenlegung; Nordwest Handel jedenfalls ist bereit für den Bau, der im besten Fall bereits 2024 fertig sein soll. „Unsere Planungen stehen, die Partner und Dienstleister ist ausgewählt – wir stehen in den Startlöchern“, blickt Vorstandsvorsitzender Simon voraus. Sobald die Bebaubarkeit formell abgeschlossen ist, wolle man den Bauantrag stellen. Simon und Wolfgarten rechnen hier mit Anfang Juli. Bis dann aber wirklich die ersten Bagger rollen, wird es noch ein paar Monate dauern. Wolfgarten allerdings hofft auf eine Vorabgenehmigung für die Erdarbeiten, sodass die ersten Arbeiten noch vor dem Winter beginnen können.
Schon bei der Vorstellung des Projekts habe man deutlich gemacht, dass man dringend eine neue Heimat braucht. „Das Großhandelszentrum ist das größte Projekt in der Firmengeschichte. Wir wollen Alsfeld als unsere zweite Heimat ansehen“, erklärt Simon die Beweggründe. Deshalb sei es dem Unternehmen ein besonderes Anliegen gewesen, auf die Kritik zu reagieren. „Wir möchten hier gern gesehen sein und nicht als Gegner gesehen werden.“
Für die Bemühungen muss natürlich ein Lob ausgesprochen werden.
Trotzdem, die Befürchtung wird immer mehr zur Gewissheit. Es wird eine Alibi- Solaranlage geben. Das wars dann. Dabei wären die Flächen geeignet, mit Gewinn Solarstrom zu erzeugen, von dem wir in der Zukunft gar nicht genug bekommen können. Der gesamte Strombedarf von Alsfeld könnte rechnerisch gedeckt werden.
Während die Klimamanagerin in der Innenstadt flyer verteilt und versucht, die Bürger für meist unwirtschaftliche PV-Anlagen auf ihren Wohnhäusern zu überzeugen, bleibt im neu entstehenden Gewerbegebiet wertvolle Dachfläche ungenutzt.
Dabei stehen doch gerade durch den Neubau alle Möglichkeiten für die solare Nutzung offen.
Dieses Projekt wird ein wahres Aushängeschild für die Klimakommune Alsfeld, ihre Klimamanagerin und ihren Bürgermeister.
Ich freue mich schon über den Bericht bei Extra 3.