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Die Festschrift zum Jubiläum „Alsfeld. 800 Jahre Stadtgeschichte 1222 – 2022“ ab 14. März erhältlich800 Jahre Stadtgeschichte in einer Festschrift

ALSFELD (ol). Ab Montag, 14. März, ist sie endlich erhältlich: Die Festschrift zum Jubiläum „Alsfeld. 800 Jahre Stadtgeschichte 1222-2022“. Bevor am morgigen Sonntag das erste Exemplar an Bürgermeister Stephan Paule sowie die Belegexemplare an die Autoren übergeben werden, stellt Stadtarchivar und Autor Dr. Norbert Hansen die Jubiläumsfestschrift vor und gibt einen Einblick in die Kapitel.

Es war gar keine Frage, dass sich der Geschichts- und Museumsverein Alsfeld mit Blick auf das Stadtjubiläum 2022 wieder mit einer Festschrift engagieren würde. Schon 2018 wurde beschlossen, zum dritten Mal nach 1922 und 1972 ein solches Werk zu erstellen. Mit Traudi Schlitt und Matthias Nicolai aus dem Rathausbuch-Team von 2012 standen die ersten Mitstreiter bereit. Die Zusage von Prof. Dr. Otto Volk, Historiker aus Marburg mit den Arbeitsschwerpunkten Landes-, Zeit-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, war dann ein großer Gewinn.

Mit Dr. Sascha Reif, Fachinformatiker und als Historiker mit der Regionalgeschichte Oberhessens vertraut, sowie Michael Hölscher vom Bauamt der Stadt Alsfeld war schnell ein vielseitig qualifiziertes Redaktionsteam komplett. Als Koordinator und Mitautor fungierte der Schriftleiter des Geschichts- und Museumsvereins, der auch diesen Zeitungsartikel verfasst hat. Die erste Redaktionssitzung fand bereits am 4. Februar 2019 im Stadtarchiv statt. Weitere 18 Termine bis in den Juni 2021 folgten, einige Male Corona-bedingt auch per Zoom.

Geschichten aus über 800 Jahren zeigen die Vielfalt der Stadt

Wie gestaltet man nun im 21. Jahrhundert eine Festschrift zu einem Stadtjubiläum? Ein Blick in die Vorgängerwerke von 1922 und 1972 machte schnell klar, dass – bei aller Wertschätzung für die damaligen Fachbeiträge – auf jeden Fall Lücken zu füllen waren. So finden selbst noch 1972 beide Weltkriegsereignisse einschließlich Nationalsozialismus und Judenverfolgung keine Erwähnung. Auch die Nachkriegsentwicklung der Stadt wurde nicht thematisiert. Deshalb ergab sich für 2022 der Anspruch, ein Werk auf der Höhe der Zeit zu schaffen; eine möglichst lückenlose Geschichte Alsfelds von den Anfängen bis in die jüngste Vergangenheit, das heißt bis in das Alsfeld des Jahres 2021.

Dass die Fülle des Stoffes auch Auswahl und Komprimierung erzwang, liegt auf der Hand. Umso wertvoller das erreichte Ergebnis, weil zusätzlich zum Redaktionsteam versierte Fachleute und Zeitzeugen als Gastautoren für erinnerungswürdige Ereignisse der letzten 50 Jahre eingebunden werden konnten. Alle Beteiligten haben ehrenamtlich mit Begeisterung dazu beigetragen, dass eine inhalts- und bilderreiche Festschrift von 504 Seiten entstanden ist.

Ein Einblick in die einzelnen Kapitel

Mit dem Buchtitel „800 Jahre Stadtgeschichte“ ist natürlich die Zeit vor 1222 nicht ausgeblendet. Im ersten Kapitel hat deshalb Matthias Nicolai die wichtigsten historischen Fakten bis zur Stadtwerdung zusammengefasst: Jahrtausende alte Funde zeugen von frühen Besiedlungsspuren im Alsfelder Raum; mit den Ausgrabungen in der Walpurgiskirche konnten Fundamentreste einer vorromanischen, um das Jahr 900 entstandenen Basilika mit Dreiapsiden-Chorabschluss nachgewiesen werden; der Brakteatenfund von 1949 am Homberg belegt die Existenz einer Münzprägestätte um 1170/1180. Alsfeld besaß also ein Münzprägerecht, das zusammen mit dem Marktrecht und dem Recht, eine Stadtbefestigung zu errichten (Mauerrecht), Voraussetzung war, um schon vor 1222 das Stadtrecht zu besitzen.

Nach diesem Einführungskapitel folgt ein Novum bisheriger Stadtgeschichts-Darstellungen: In Form eines aus dem hinteren Buchdeckel herausnehmbaren Faltblattes (Leporello) haben Matthias Nicolai und Dr. Sascha Reif Bild- und Textinformationen aus den letzten 800 Jahren als Zeitstrahl konzipiert. Er versteht sich als komprimierte Übersicht und Ergänzung zu allen anderen Artikeln des Buches. Durch die vertikale Gliederung in verschiedene Ebenen werden auf der Zeitachse sowohl Vernetzungen als auch Wechselwirkungen zwischen Stadt-, Regional- und Globalgeschichte erkennbar.

Wer sich auf diese Weise bis hierhin schon einen Überblick verschafft hat, findet auf den folgenden 400 Buchseiten vertiefende Beiträge zur Stadtgeschichte der vergangenen zweieinhalb Jahrhunderte.

Den Anfang bildet Alsfelds Entwicklung im „langen“ 19. Jahrhundert. Diese Epoche, überregional durch Restauration und Revolution, Industrialisierung, Rationalisierung und Technisierung, Patriotismus, Liberalismus und Nationalismus geprägt, untersucht Dr. Sascha Reif bezüglich ihrer Relevanz für die Stadt. Er legt dabei den Zeitraum von 1775 bis 1915 zu Grunde. In zwei Abschnitten (Entgrenzung/Grenzerfahrung/Grenzüberschreitung und Umordnung/Unordnung/Neuordnung) werden die Einflüsse auf Alsfelds Entwicklung zur modernen Stadt aufgezeigt.

„Vom Obrigkeitsstaat zur Demokratie. Alsfeld 1914 – 1949“

Mit dem nächsten Abschnitt „Vom Obrigkeitsstaat zur Demokratie. Alsfeld 1914 – 1949“ füllt Prof. Dr. Otto Volk die schon eingangs erwähnte Lücke in der Stadtgeschichtsdokumentation der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gerade als Nicht-Alsfelder war er prädestiniert, objektiv und unbeeinflusst historische Fakten zu benennen und zu bewerten. Mehr als 300 zitierte Quellen sowie 92 Abbildungen belegen die systematische Aufarbeitung der Thematik.

Beginnend mit dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik zeichnet Volk ein nüchternes Bild wie auch Alsfeld ab den 1930er Jahren von der Diktatur geprägt wird. Der Nationalsozialismus 1933-1939, Ausgrenzung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung, Gewalt und Zerstörung im Zeiten Weltkrieg: Dies alles gehört auch zur Aufarbeitung der Stadtgeschichte, die dann mit der Entnazifizierung ab 1945 und der Währungsreform 1948 in eine neue Phase eintritt.

Die Einführung zum anschließenden Kapitel „Alsfeld in der Bundesrepublik“ beschränkt sich auf einen Überblick: Neuaufbau der Verwaltungsstrukturen, „Notstandsarbeiten“ zur Wiederherstellung der Infrastruktur und die Etablierung eines wechselnden Spektrums politischer Parteien heißen Stichworte der Jahre ab 1949. Die folgenden Jahrzehnte der Nachkriegszeit mit allen Facetten ihres politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebens zu beschreiben, war aber nicht beabsichtigt. Der Stoff würde für ein eigenes Buch reichen. Vielmehr sollten Gastautoren – möglichst aus eigenem Erleben – über ausgewählte Themen von Bedeutung für die Stadt berichten.

So informiert aus seiner Zeit als Landrat Dr. Jochen Zwecker über die Gebietsreform 1969-1972 und schildert ausführlich die Geschehnisse, die 1972 zum Verlust der Kreisstadtfunktion geführt haben. Bürgermeister Stephan Paule setzt sich mit der Thematik „Alsfeld und das Geld“ auseinander, beginnend in der Nachkriegszeit über die Schwierigkeiten der Defizitjahre 1995-2013 bis zu den Verbesserungen in der jüngeren Vergangenheit.

Michael Hölscher ruft die Altstadtsanierung 1966-1976 in Erinnerung mit dem Höhepunkt der Auszeichnung Alsfelds als Europäische Modellstadt 1975. Vom gleichen Autor folgt dann eine Übersicht zur Wohn- und Industriegebietserweiterung in der Stadt mit Hervorhebung besonderer Neubauprojekte. Als „Ehemaliger“ stellt danach Herbert Böckel den früheren Bundesgrenzschutz-Standort Alsfeld vor. Er betont die enge Verbundenheit des BGS mit Stadt und Bevölkerung in den Jahren 1960-1998.

Dr. Norbert Hansen beschäftigt sich anschließend mit dem jahrhundertealten Thema „Zuwanderung“. Von früher Arbeitsmigration – insbesondere im 19. Jahrhundert – über die Migration als Kriegsfolge, die „Gastarbeiter“, die Aus- und Übersiedler bis zu den Flüchtlingen des Jahres 2015 wird die Relevanz für die Stadt betrachtet.

Die nächsten Artikel richten bewusst den Blick auf kulturelle Ereignisse mit überregionaler Bedeutung für die Stadt: Roland Heinrichs lebendige Schilderung des „Spiel ohne Grenzen“ 1976, Günther Krämers Rückschau auf den 1., 25. und den nicht stattgefundenen 50. Hessentag 2010, das deutschlandweit beachtete Projekt „Kommunale Oper Die Regentrude“ 1987 (Dr. Norbert Hansen) und schließlich das Kulturstipendium „Stadtzeichner Alsfeld“, mit dessen Einrichtung und Betreuung von 1980 bis 1996 sich Bodo Runte (†) bleibende Anerkennung erworben hat.

Sprung ins 21. Jahrhundert

Jetzt folgt ein Sprung ins 21. Jahrhundert mit einer Auswahl neuer Erkenntnisse zur Stadtgeschichte beziehungsweise zu historischen Gebäuden, zusammengestellt von Dr. Norbert Hansen. Zunächst die überraschenden Mauerfunde bei archäologischen Grabungen auf dem Markt- und Kirchplatz mit Indizien zum Standort des älteren Rathauses. Aber auch die erstaunlichen Freilegungen im Marktplatzuntergrund, Studien zum Vorgänger-Beinhaus, in Vergessenheit geratene Brunnen und Hausinschriften sowie Jochen Wepplers Analyse zum Walpurgis-Kirchturm belegen anschaulich, dass immer wieder mit Neu- oder Wiederentdeckungen in der Stadt zu rechnen ist.

Den letzten Text der Festschrift hat Traudi Schlitt mit dem bildreichen Beitrag „Alsfeld heute – Stadt zum Leben“ gestaltet. Alle, die als  Außenstehende die Lebenswirklichkeit im Alsfeld der Gegenwart kennenlernen wollen, finden hier eine Fülle von Informationen. Schon die Aufzählung der beschriebenen Einzelaspekte würde den Rahmen dieser Kurzpräsentation sprengen. Deshalb hier als kleine Besonderheit nur der Hinweis auf das Grußwort Martin Luthers an die Bürger von „Adelesfelt“, überbracht vom Gastautor Pfarrer Peter Remy. Mit Fragen, Prognosen Aussichten endet dann dieses umfangreiche Kapitel unter der Motto: „Kann Alsfeld Zukunft?“.

Ein Grußwort von Bürgermeister Stephan Paule sowie ein Resümee mit Danksagung vom Vorsitzenden des herausgebenden Geschichts- und Museumsvereins, Jochen Weppler, runden den Buchinhalt ab. Für alle historisch Interessierten, die sich über die vorgestellten Texte hinaus informieren wollen, folgt noch eine Bibliographie zur Geschichte der Stadt Alsfeld mit 1.135 Titeln, die Prof. Dr. Otto Volk systematisch zusammengestellt hat . Auch dies hat es in früheren Veröffentlichungen noch nicht gegeben. Gesetzt wurden alle Texte von Dr. Sascha Reif. Die Gestaltung dieses umfangreichen Jubiläumsbandes lag wieder in den bewährten Händen von Jürgen Litzka, der selbst mit einem Kurzbeitrag zum Stadtlogo im Buch vertreten ist.

Die Vermarktung der Festschrift hat die Stadt Alsfeld übernommen. Ab 14. März erfolgt der Verkauf zum Preis von 30 Euro über das TCA und die Buchhandlung Lesenswert.

Von Dr. Norbert Hansen

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