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Übungen in Präsenz sind weiter ausgesetztWas Corona mit den Feuerwehren macht

VOGELSBERGKREIS (nah). Corona und kein Ende in Sicht. Die Pandemie macht auch den Menschen zu schaffen, die sich freiwillig für unsere Hilfe engagieren. Bei den Feuerwehren liegen Übungen in Präsenz noch immer auf Eis. Wie geht es den Helfern damit?

Wer sich in der Feuerwehr engagiert, dessen Hobby ist es, im Ernstfall Leben zu retten. Wenn die Feuerwehr alarmiert wird, muss jeder Handgriff sitzen. Doch seit der Pandemie ist das Üben für die freiwilligen Helfer schwer geworden, in manchen Fällen gar unmöglich. Um Infektionen zu vermeiden, ist den Feuerwehren in einem Erlass empfohlen worden, Übungen in Präsenz ausfallen zu lassen. Vor-Ort-Lehrgänge an der hessischen Landesfeuerwehrschule in Kassel und Marburg wurden für die Ehrenamtlichen sogar untersagt, hier darf derzeit nur hauptamtliches Personal wie zum Beispiel Berufsfeuerwehren unter bestimmten Voraussetzungen geschult werden. Somit bleibt aktuell nur das, was die heimische Wehr an Ausbildung anbieten kann.

Wo welches Strahlrohr verstaut ist, das lässt sich vielleicht noch gut mit Übungsblättern oder in einer Videokonferenz erklären. Aber was ist, wenn es darum geht, den Trick mit eigenen Händen zu begreifen, mit dem man die Geräte richtig nutzt beziehungsweise schnell zum Laufen bringt? Oder darum, das Gefühl für die schwere Atemschutzausrüstung nicht zu verlieren? Und was ist eigentlich mit dem kameradschaftlichen Wir-Gefühl, das große wie kleine Feuerwehren so stark macht?

Es gibt Dinge, da stößt auch die modernste Kommunikationstechnik an ihre Grenzen. Das haben die heimischen Wehren in den letzten beiden Jahren der Pandemie deutlich zu spüren gekommen. Und dabei haben sie sich extra gut vorbereitet, um „vor die Lage zu kommen“, wie Feuerwehrleute sagen. So geht es auch der Feuerwehr Ulrichstein, wie Stadtbrandinspektor Andreas Hädicke berichtet: „Wir haben letztes Jahr Equipment gekauft, um Onlineunterrichte anbieten zu können, das machen wir derzeit einmal im Monat. Der Nachteil daran ist, dass man nicht jeden erreicht. Die jungen und wissbegierigen Kameraden erreicht man mit den theoretischen Unterrichten, doch die älteren nicht ganz so gut, sie bevorzugen mehr die Praxis.“

Stadtbrandinspektor Andreas Hädicke. Foto: nah

Die Gerätewartungen werden natürlich regelmäßig gemacht, „da haben wir aber festgelegt, dass nur ein Minimum an Personal vor Ort ist und der Aufgabe nachgeht“, berichtet der Stadtbrandinspektor. „Nach Einsätzen wird sich aber nicht länger wie nötig im Feuerwehrhaus aufgehalten, die Kameraden kommen mit Maske rein, arbeiten den Einsatz ab, machen die Fahrzeuge wieder einsatzbereit und dann geht es zurück nach Hause“ sagt Hädicke, und klingt dabei ernüchtert.

Er schwelgt in Erinnerungen, wie man vor der Pandemie locker nochmal zusammensaß, ob nach Einsätzen oder Übungsdiensten: „Feuerwehr ist eine große Familie, ich finde es schade, dass dies momentan zu kurz kommt. Es war immer schön.“ Nichtsdestotrotz muss „der Laden weiterlaufen“, daher haben die Feuerwehrangehörigen die Zeit, wo in Präsenz geübt werden konnte im vergangenen Jahr, genutzt und wöchentlich Praxisübungen angeboten. Hädicke blickt hoffnungsvoll nach vorne, um bald, zumindest in Kleingruppen, Übungen wie Fahrzeugkunde in Präsenz anbieten zu können.

Ein ähnliches Bild berichtet Thomas Stein, Stadtbrandinspektor in Homberg. „Wir machen das, was möglich ist, online und können damit zumindest einen Großteil der Kameraden erreichen. Es ist nur ein Ersatz, aber kein adäquater“, sagt er über die Situation. Der Onlineunterricht wird einmal im Monat angeboten, „Jung und Alt“ nehmen gleichermaßen teil, berichtet Stein positiv gestimmt. Auch Sprechstunden der Wehrführer finden derzeit online statt, in manchen Stadtteilen hat es sogar Weihnachtsfeiern virtuell gegeben, um die Kameradschaft zu stärken. Pünktlich um zwanzig Uhr gab es über einen Einwahllink Zugang für den virtuellen Raum, und dort eine gesellige Runde mit Essen und Trinken.

Zweiter von links, Stadtbrandinspektor Thomas Stein. Foto: Philipp Weitzel

Diesen Versuch, digital zusammenzukommen, hat es aber nicht überall gegeben. „Es sind halt zwei Faktoren, die da mitspielen, zum einen müssen die Führungskräfte es wollen und zum anderen muss es angenommen werden.“ Stein blickt euphorisch nach vorne: „Ich hoffe und gehe davon aus, dass wir nach dieser Hochphase schnell wieder in einen normalen Modus kommen können, daran glaube ich ganz fest. Zur Not gibt es in kleinen Gruppen Übungsdienste, die an mehreren Tagen angeboten werden, um jedem denselben Lerninhalt anbieten zu können, so wie beim letzten Mal.“

Er sagt auch: „Alle fiebern wieder auf Veranstaltungen hin, wo man sich sieht. Nicht nur innerhalb der einzelnen Wehr. Wir planen im Juli wieder einen Stadtfeuerwehrtag durchzuführen. Jeder freut sich darauf.“ Für Stein ist klar, die Feuerwehr lebt vom Miteinander.

Auch für die Jugendfeuerwehr blieb letztes Jahr einiges auf der Strecke, trotz Phasen, in denen geübt werden konnte, fanden keine Wettkämpfe statt, auf die sich der Feuerwehrnachwuchs immer sehr freut, wie Stein berichtet. Dabei ist gerade die Jugendfeuerwehr für viele der Einstieg in die Feuerwehr. Stein empfindet es als frustrierend, dass die Jugend nichts tun kann.

Der Stadtbrandinspektor wünscht sich, so schnell wie möglich aus der Misere rauszukommen und „dass wir vielleicht auch gestärkt aus der Situation raus gehen und erkennen, wie sehr wir uns selbst brauchen und wie sehr die Kameradschaft gebraucht wird.“

„Kameradschaft ist wie eine Pflanze, die immer wieder gegossen werden muss“

Auch in Alsfeld setzt man auf den Onlineunterricht als Mittel zur Wahl zum Schutz der kritischen Infrastruktur. Hier wird einmal pro Woche der virtuelle Ausbildungsdienst angeboten, „mit reger Beteiligung“, wie Stadtbrandinspektor Daniel Schäfer berichtet. Wer Interesse an der Feuerwehr hat, ist dabei. Da spielt das Alter keine Rolle, sagt er. Wöchentlich werden hier die Ausbildungsthemen gewechselt. So gab es bereits virtuelle Fahrzeugkunde oder das Thema Verkehrsunfälle von Bussen, Kleintransportern und Lkw. „Trotzdem fehlt die Ausbildung in Präsenz, Handgriffe müssen geübt werden, theoretisches Wissen muss in die Praxis umgesetzt werden. Die wichtige Kameradschaft wird dabei auch „gepflegt“.

Stadtbrandinspektor Daniel Schäfer. Foto: akr

„Wir haben oft und gerne in der Freizeit zusammengesessen, mit Kaffee oder auch mal mit Kuchen und einfach in geselliger Runde Zeit miteinander verbracht. Auch nach dem Einsatz gehörte dies dazu, und gerade nach belastenden Einsätzen war das sehr hilfreich für jeden einzelnen“, so Schäfer.

Ebenfalls bleibt die Jugendarbeit, die für die Nachwuchsgewinnung der Feuerwehren sehr wichtig ist, auf der Strecke. „Andere Hobbys können Kinder und Jugendliche weiterführen, der Feuerwehr wird nach Erlass empfohlen, das Ganze auszusetzen. Und eine Empfehlung in einem Erlass muss man als bindend ansehen.“

Einmal im Monat gibt es zusätzlich zu den Ausbildungsdiensten die Möglichkeit für die Feuerwehrleute der Kernstadt am Online-Kameradschaftsabend teilzunehmen, dieses Angebot wird teilweise in den Stadtteilen ebenfalls umgesetzt. „Wir tun unser Möglichstes, um die wichtige Kameradschaft zu pflegen“, berichtet der Stadtbrandinspektor.

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