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Nachgefragt bei Schulleitern, Eltern und der PolitikKitas und Schulen in Zeiten der Omikron-Welle

VOGELSBERG (ls). Omikron beschert täglich neue Höchstwerte in der Inzidenz, die Infektionszahlen sind so hoch wie nie. Das sorgt auch für Spannungen bei manchen Familien mit Kindern – wenn wie am Anfang der Pandemie plötzlich die Kitas dicht sind. 

Christina Schmidt, die in Wirklichkeit anders heißt und ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist sprachlos an diesem Montagnachmittag. Durch das Telefon ist immer wieder dumpfes Kleinkind-Gebrabbel zu hören, die junge Mutter aus der Gemeinde Mücke ist in Quarantäne – zusammen mit den Kindern. Wenige Tage vorher wurde eines ihrer Kinder positiv getestet, allerdings nicht durch den Lolli-Test in der Kita, die es dort seit Januar gibt, sondern durch einen Selbsttest zuhause.

„Der Lolli-Test ist negativ ausgeschlagen“, erzählt die junge Mutter. Ihr Kind allerdings hat kurz darauf Symptome entwickelt, der Selbsttest zuhause schlug positiv aus, ein PCR-Test kurz drauf bestätigte das Ergebnis. Das sei, so erklärt es Schmidt, bei anderen Kindern auch so gewesen. „Die Tests schlagen nicht richtig aus“, sagt sie. Neben einigen Kindern sind auch die Betreuungskräfte erkrankt, weshalb die Kita mit Beginn dieser Woche in die Notbetreuung gerutscht ist – jedenfalls für 25 Kinder. Die einzige Kita im Vogelsberg die von Krankheitsfällen beim Personal betroffen ist ist das aber nicht, wie der Kreis Mitte der Woche informierte.

In den 59 Kitas im ganzen Vogelsbergkreis sind insgesamt acht Gruppen geschlossen, erklärte Erster Kreisbeigeordneter Jens Mischak in einer Pressekonferenz. Die Tendenz sei steigend – aber ebenso diffus und dynamisch. Während es einige Kitas gibt, in denen es in den vergangenen Wochen nicht einen positiven Test gab, gibt es andere, in denen es mit einem Schlag 28 positive Fälle gibt.

Entsprechend unterschiedlich müsse auch mit Notbetreuung und Gruppenschließung reagiert werden. Kreisweite Kita-Schließungen hält Mischak für unwahrscheinlich, da die Situation in den Kommunen zu unterschiedlich sei – auch wenn er sich abgewöhnt habe „in irgendeiner Lage zu sagen, dass etwas nicht in Betracht oder in Betracht kommt“. Die Folgen auf den Familienalltag seien bei einer solchen flächendeckenden Entscheidung zu stark.

Schulen zwischen Herausforderungen, hohen Zahlen und befürchteten Lehrermangel

Das gilt auch für Schulen, denn auch Hessens Kultusminister Alexander Lorz erklärte, dass es nicht erneut zu Schulschließen kommen soll – und wahrlich: die Situation an den Vogelsberger Schulen ist überschaubar, wenn auch die Zahlen nach den Weihnachtsferien merklich angestiegen sind. „Die Meldezahlen der Schulen sind sehr unterschiedlich. Es gibt tatsächlich Schulen, die kaum betroffen sind, andere dagegen heftiger“, erklärt der Leiter des Schulamts, Norbert Kissel. Und auch der Kreis bestätigt, dass gerade die Grundschulen betroffen seien, insbesondere dort, wie das Infektionsgeschehen ohnehin größer sei – beispielsweise Schlitz, Lauterbach oder Alsfeld. Das liege unter anderem daran, dass dort vermehrt getestet werde, erklärte Mischak.

An den Grundschulstandorten in Ruhlkirchen und Kirtorf, ist die Infektionslage überschaubar, wie Schulleiter Nils Strowitzki bestätigt, an der Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) in Alsfeld nimmt sie hingegen leicht zu, sagt Schulleiter Angelo Müller. Schulschließungen hält Strowitzki nicht für sinnvoll, denn den Kindern sei schon genügend Unterrichtszeit genommen worden. Home-Schooling sei der letzte Schritt, sollte es zu einem Mangel an Lehrkräften kommen, vorher würde man Unterrichtszeiten verkürzen, Doppelaufsichten einführen oder aber die der Schule angegliederten Sozialpädagogen zur Unterstützung einbeziehen.

„Präsenzunterricht und ein möglichst normaler Sozialkontakt ist für unsere Schülerinnen und Schüler im dritten Jahr der Pandemie äußerst wichtig“, erklärt auch Christian Bolduan von der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld. An der GHS ist der Schulleiter Angelo Müller hingegen skeptischer und befürchtet einen Lehrkräfte-Mangel für die kommende Zeit. Derzeit gebe es keinen Stufenplan, weshalb manchmal nicht klar sei, welche Regeln nun gelten würden. Gleichzeitig würden die Lehrkräfte unter zusätzlichen Herausforderungen stehen, allen gerecht zu werden: Vor Ort habe man Kinder im Präsenzunterricht, dann seien welche im Home-Schooling und wieder andere in Quarantäne. Zusätzlich müsse getestet werden und alles müsse dokumentiert werden und dann gelte es noch erkrankte Kollegen zu vertreten. Das seien enorme Herausforderungen.

„Ich bin sehr beeindruckt, mit welcher Professionalität und Ruhe die allermeisten Schulen diese äußerst anstrengende Krisenzeit bewältigen. Präsenzunterricht um die vielen Widrigkeiten und einschränkenden Maßnahmen herumzubauen, das will gearbeitet sein“, erklärt Kissel. Wie die Stimmung an den einzelnen Schulen ist, könne er nicht pauschalisieren, wisse allerdings durchaus, dass die Schularbeit zurzeit sehr schwer ist. „Jeden Tag gibt es neue Überraschungen, fast jeden Tag muss getestet und dokumentiert werden und alle warten auf den Silberstreif am Horizont, die Antwort auf die Frage: Wann ist das alles endlich mal vorbei?“, sagt er.

Er selbst halte den Präsenzunterricht wichtig für die „seelisch-emotionale Gesundheit und die soziale Entwicklung“ der Kinder und jungen Leute, kritisiert aber auch die Aussage vom Vorsitzenden des Landeselternbeirats, Volkmar Heitmann, der gegenüber FFH die Bitte äußerte, die Schulen nicht überall offen zu halten. „Ich frage mich, welchen Beitrag für die Stimmung in den Kollegien der Herr LEB-Vorsitzende Heitmann (sich) da gerade geleistet hat“, wirft Kissel ein.

Schließungen bei Kitas oder einzelner Gruppen durchaus möglich

Bei den Kitas im Kreis sind Schließungen hingegen durchaus möglich, so wie in Schlitz, wo eine Kita sowie eine Außenstelle vorsichtshalber geschlossen wurden, wie Johann Gekkel auf Anfrage erklärt. Dort habe es vermehrt positive Fälle gegeben, seit Beginn der Woche konnten die Kitas wieder in den Normalbetrieb wechseln. „Aufgrund der momentanen Lage besteht die Befürchtung, dass sich die Situation nicht so schnell entspannen wird. Wir versuchen durch Maßnahmen ein Ausweiten des Corona-Virus weitestgehend einzudämmen. Durch die rasante Ausbreitung des Corona-Virus ist täglich mit Personalengpässen zu rechnen“, erklärt Gekkel.

In der Feldataler Kita „Kinderplanet“ gab es dahingegen bislang noch keinen Fall. In den städtischen Kitas in Alsfeld gab es zu Beginn der Woche mehrere positive Schnelltests, Gruppen mussten deshalb allerdings nicht geschlossen werden, wie Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule Anfang der Woche sagte. Sollte es beim Personal in den kommenden Wochen zu Ausfällen durch Krankheit oder Quarantäne kommen – „bei einer Vogelsberger Inzidenz von fast 1.000 steigt hierfür natürlich die Wahrscheinlichkeit“, erklärt Paule – dann könnte es auch hier zu einer Gruppenschließen oder sogar zu einer vorübergehenden Schließung der Kita kommen – das ist allerdings die letzte Wahl.

In den Kitas in Mücke musste davon schon gebraucht gemacht werden, die Kita Nieder-Ohmen hatte in der vorletzten Woche geschlossen. Für Christina Schmidt kam die Nachricht über die Notbetreuung sehr kurzfristig – und hatte zudem noch Bedingungen, die erfüllt werden mussten. Eine Arbeitgeberbescheinigung musste vorgezeigt werden, und auch ein negativer Schnelltest des Kindes von einer offiziellen Teststelle, der nicht älter als 24 Stunden ist. Dann erst gab es Anspruch auf einen Platz in der Notbetreuung.

„Die Nachricht kam am Freitagnachmittag, zu dieser Zeit hätten viele Eltern gar nicht mehr die Möglichkeit eine Bescheinigung vom Arbeitgeber zu erhalten“, erklärt Schmidt. Mit einigen Eltern hätte sie sich ausgetauscht, die das so schnell nicht mehr hinbekommen hätten. „Das ist eine abenteuerliche Regelung, die hier getroffen wurde, die es den Eltern nicht leicht macht und vor allem nicht so kurzfristig“, resümiert die junge Mutter. Das gilt ihrer Meinung nach auch für das Prinzip der Platzverteilung, das frei Schnauze nach „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ laufe.

Den Eindruck jedenfalls vermittelte die offizielle Mail an die Eltern, in der es hieß: „Der Träger hat entschieden, dass die ersten 25 Eltern, die Montagmorgen zur Kita kommen und eine Arbeitgeberbescheinigung sowie einen Testnachweis von offizieller Stelle vorlegen können, einen Platz für die Notgruppe erhalten. Dieser Platzanspruch gilt dann die ganze kommende Woche.“

Bürgermeister Sommer: Vom Personalmangel selbst kurzfristig erfahren

Dass die Nachricht missverständlich war, gibt auch Mückes Bürgermeister Andreas Sommer zu und erklärte, dass hier ein Missverständnis vorgelegen habe. „Notbetreuung heißt, dass alle Kinder betreut werden, deren Eltern zwingend arbeiten müssen. Die Arbeitgeberbescheinigung ist für den Fall vorzulegen, dass die Kita-Leitung eine Auswahl der zu betreuenden Kinder in der Notgruppe vornehmen muss, wenn die vorhandene Fachkraftstundenanzahl anwesender Erzieherinnen überschritten wird“, sagt der Bürgermeister und gibt zu, dass das aus der Mitteilung nicht hervorgegangen sei.

Sommer hat Verständnis für die Kritik, dass die Benachrichtigung kurzfristig am Freitagnachmittag kam, allerdings habe auch die Kita-Leitung erst am Vormittag vom Personalmangel für den kommenden Montag erfahren, danach habe alles seinen Lauf genommen.

Den Vorwurf, die Lolli-Test würden eigentlich positive Kinder fälschlicherweise als negativ testen, kann Sommer nicht bestätigen: „Der umgekehrte Fall ist eingetreten“, sagt er. Konkret heißt das: der Lolli-Test ist positiv, der folgende PCR-Test war negativ. Jedoch müsse, so erklärt er, der Test auch streng nach den Anwendungshinweisen angewandt werden, sonst ergebe er nach Herstellerangaben falsche Ergebnisse – unter anderem dürfen die Kinder aktuell nichts gegessen haben. Seit Dezember bietet die Gemeinde die Tests an, zunächst einmal in der Woche, mittlerweile zweimal. Auch die Erzieherinnen würden zweimal in der Woche getestet werden, bereits 2020 wurden CO₂-Ampeln angeschafft, die dabei helfen sollen, den Zeitpunkt des Lüftens besser zu bestimmen. Im letzten Herbst wurden alle Kitas zusätzlich mit Luftfiltern ausgestattet.

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