Interview mit DRK-Chef Thorsten Ellrich zum Corona-Testcenter„Der Ansturm der letzten Tage übersteigt alles“
ALSFELD (jal). Corona-Tests sind wieder kostenlos – und die Menschen strömen in Scharen zum Roten-Kreuz-Testcenter in der alten Alsfelder Feuerwache. DRK-Chef Thorsten Ellrich erzählt im OL-Interview von der Suche nach einem zweiten Standort – und von dreisten Testwilligen, die unangemeldet kommen und für Frust sorgen.
Es ist noch gar nicht lange her, zwei Wochen, um genau zu sein, da ist das Testzentrum des Roten Kreuzes aus der Alsfelder Stadthalle umgezogen in die alte Feuerwache. Dies geschah nicht ganz freiwillig fürs DRK – weil Veranstaltungen in der Halle anstanden. “Wir hatten uns an diesem Standort gut eingelebt, wenn man das so sagen kann“, sagt Thorsten Ellrich im Interview mit OL. Doch es könnte sein, dass es aufgrund der aktuellen Lage einen Weg zurück gibt.
Oberhessen-live: Herr Ellrich, beschreiben Sie doch einfach mal die aktuelle Situation bei Ihnen: Was ist da los am neuen Testcenter-Standort?
Thorsten Ellrich: Nun, wir sind ja seit März schon einiges gewohnt. Die Bedarfe an Tests steigen und sinken, man könnte fast sagen „je nach Wetterlage“. Aber der Ansturm der letzten Tage übersteigt alles.
Können Sie Zahlen nennen?
Im April und Mai haben wir durchschnittlich 8.500 Tests durchgeführt. Im September, Oktober ging es dann runter auf 5.000 beziehungsweise 3.000 Tests, und wir werden den Monat November mit rund 7.000 durchgeführten Testungen abschließen. Wobei in den letzten zehn Tagen über 5.000 davon allein im neuen Testcenter „alte Feuerwache“ durchgeführt wurden.
Und auf wie viele Tests sind Sie eigentlich ausgelegt?
Wir werden ab Donnerstag im Testcenter Alsfeld ganztägig tätig sein. Wir arbeiten in drei Schichten mit jeweils vier bis fünf Mitarbeitern gleichzeitig. So werden wir eine maximale Leistung von circa 800 Tests pro Tag leisten können. So ist der Plan.
Das heißt, Sie legen im Schnitt nochmal gut 300 Tests pro Tag oben drauf. Wird das Ihrer Meinung nach reichen, um die Nachfrage zu decken?
Nein, die Nachfrage decken wir damit sicherlich nicht. Wir müssen ja jetzt schon Unangemeldete abweisen, da das gar nicht zu leisten ist.
Können Sie überschlagen, wie viele Menschen ungefähr täglich leer ausgehen, wenn Sie bis zu 800 Tests am Tag schaffen?
Das ist eine Zahl, die ich nur erahnen kann. Ich denke aber, sie liegt weiter darüber.
Also mehr als 800?
Ja, sicherlich.
Wie erklären Sie sich denn, wo dieser Hype herkommt? Viele Leute sind doch geimpft, in Hessen gilt nur in Ausnahmefällen 2-G-Plus, also dass Geimpfte und Genese auch getestet sein müssen.
Nun, es ist die seit ein paar Tagen in Kraft getreten Corona-Schutz-Verordnung, die viele Menschen in die Testzentren treibt. Aus sehr unterschiedlichen Gründen natürlich. Es sind Menschen, die Veranstaltungen besuchen wollen, es sind Geimpfte, es sind Ungeimpfte, die aus welchem Grund auch immer getestet werden wollen oder müssen. Viele kommen vor oder nach ihrer Arbeit zum Testen, weil es zum Beispiel ihr Arbeitgeber verlangt. Und es kommen wesentlich mehr, weil es jetzt nichts mehr kostet. Den Tiefststand bei den durchgeführten Tests hatten wir in den vier Wochen, als Tests gebührenpflichtig waren.
Sie sind ja nicht ganz freiwillig in die alte Feuerwache gezogen. Die Stadthalle stand aufgrund anstehender Veranstaltungen nicht mehr zur Verfügung. Ist die Wache denn wirklich der richtige Ort für so ein Testcenter? Sie hat keinen großen Parkplatz und ist nicht all zu weit von einer viel befahrenen Straße weg. Das gibt doch bestimmt Probleme mit dem Verkehr, wenn so viele Menschen sich testen lassen wollen?
Ja, das stimmt. Wir sind ungern aus der Stadthalle ausgezogen, dieser Standort war zentral gelegen mit ausreichend Platz für Kurzparker und auch für eine etwas längere Autoschlange. Als wir den Standort alte Feuerwache ausgewählt haben, ahnten wir noch nicht, wie stark der Andrang heute sein wird. Wir bitten die Verkehrsteilnehmer, die durch die Staus beeinträchtigt sind, um ihr Verständnis für diese außerordentliche Situation.
Das heißt, man könnte sagen, Sie suchen einen neuen Standort?
Ich würde sagen, wir suchen einen zweiten geeigneten Standort, der ähnliche Bedingungen wie die Stadthalle bietet. An der alten Feuerwache entsteht derzeit eine Überdachung für den Drive-in, den wir von Anfang an immer bevorzugt haben. Durch diese Möglichkeit schaffen wir es, viele Menschen im Auto sitzend testen zu können – ohne Aussteigen. Wichtigster Aspekt dabei ist, die Kontakte von potentiell infizierten Menschen im Testzentrum zu minimieren. Denn hier hin kommen derzeit viele Menschen mit Symptomen. Fast zwei Prozent aller Besucher sind derzeit Antigen-Schnelltest-positiv.
Konnten Sie in der Stadthalle mehr als 800 Tests täglich vornehmen oder sind es andere Faktoren als der Platz, die Ihnen aktuell eine Grenze setzen?
Nein, ich denke 800 Tests am Tag ist für einen Standort das Maximum. Die Tests sind jetzt wieder besser verfügbar, als in der letzten Woche. Ich denke der Bedarf hat sich mindestens verzehnfacht im Vergleich zu den Vorwochen. Aber auch personell ist das Ganze irgendwann erst einmal ausgereizt. Wir konnten durch unsere Aufrufe weitere Interessenten zur Mitarbeit gewinnen. Diese müssen zunächst ausgebildet und eingearbeitet werden. Wir arbeiten da mit Hochdruck dran.
Stadthallen-Betreiber Torsten Schneider, der auch OL herausgibt, sagt über eine mögliche Rückkehr des Testzentrums: „Denkbar ist in der aktuellen Lage alles.“ Hört sich nach guten Nachrichten für Sie an, oder?
Wir hatten uns an diesem Standort gut eingelebt, wenn man das so sagen kann. Und auch unsere Besucher waren mit dem Standort und den Abläufen denke ich sehr zufrieden. Vor allem der Drive-in mit Überdachung hat einen sehr, sehr großen Vorteil.
Sie sagten vorhin, es kämen auch Menschen unangemeldet zu Ihnen. Haben die denn überhaupt eine Chance, wirklich getestet zu werden?
Bei uns derzeit nein! Leider sind viele Unangemeldete sowas von dreist und fahren mit ihrem Auto in die Schlange oder stellen sich direkt vor die Eingangstür, und sorgen so für Frust bei denen, die sich ordnungsgemäß einen Termin gebucht haben. Aber so sind die Menschen eben! Ein Friseur würde ausflippen und die Frisuren würden fürchterlich aussehen, wenn seine Kunden sich so verhalten würden. Ich bitte wirklich darum, Termine zu vereinbaren und auch nur die wahrzunehmen.
Das DRK ist ja auch im wieder hochgefahrenen Impfzentrum eingebunden. Wie ist denn die Lage dort? Gibt es genügend Impfstoff?
Wir begleiten das Impfzentrum nur sanitätsdienstlich. Daher kann ich zum Thema Impfen und Versorgung mit Impfstoffen nicht viel sagen. So viel vielleicht: Das Verhalten der Bürger, was wir am Testcenter teilweise feststellen, spiegelt sich auch beim Impfen wider. Jeden Tag rufen Menschen bei uns an und fragen, ob wir sie heute noch erst-impfen können. Ich gebe dann oft als Antwort: Hatten Sie im Sommer keine Zeit zum Impfen? Hinzu kommt: Die sind bei uns an der falschen Adresse. Wir vergeben keine Termine fürs Impfen.
Wenn Sie Corona-Kanzler wären: Lockdown sofort, Impfpflicht für alle, weitermachen wie bisher – was würden Sie tun?
Pflegepersonal, Ärzte, Intensivstationen sind an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Die Wirkung der hoffentlich vielen neuen Erst-Impfungen wird sich erst in einigen Wochen signifikant bemerkbar machen. Viele Menschen haben zum Glück schon selbst erkannt, dass Kontaktvermeidung die beste Maßnahme ist, die diese rasante Ausbreitung verlangsamen kann. Die Politik muss jetzt klare Vorgaben machen und handeln. Das erwarte ich als Bürger! Vorgezogene Winterferien zum Beispiel wären eine geeignete Maßnahme von vielen, die so denke ich jetzt dringend erforderlich sind.
Habe vor ca. 10 Tagen Nachts da eine Autokolone gesehen dachte schon was ist da los, feiern die ne Party oder was ist das für ein Stau :))
Und wieder zeigt sich die Ungerechtigkeit:
Das medizinische Personal wird überlastet und muss den ganzen Tag in der Kälte rumlaufen und die Verursacher der Überlastung dürfen schön im trockenen und warmen Auto sitzen und pöbeln zudem auch noch das Personal an. Umgekehrt wäre richtig.
Mein Vorschlag an die Politik:
1 Teststraße nur für Geimpfte,
1 Teststraße für Ungeimpfte und dort heißt es zuerst Spritze in den Arm und danach Stäbchen in die Nase. Und wer die Impfformulare nicht fertig ausgefüllt dabei hat, kriegt welche und stellt sich wieder hinten an. Ach…. die Ungeimpften kommen dann zu spät zur Arbeit, weil das länger dauert als nur testen und der Arbeitgeber zieht dann Lohn ab! Mein Mitleid hält sich in Grenzen.