Alsfelder Industriegebiet: Drei Varianten, eine erwartbare Empfehlung und eine ÜberraschungAusschüsse empfehlen DHL-Antrag zur Annahme
ALSFELD (ls). Die Diskussion begann schleppend, die Abstimmung zunächst konfus; am Ende blieb es aber – trotz dritter ALA-Variante und überraschender Enthaltung der SPD – bei einer erwartbaren, mehrheitlichen Empfehlung der beiden Ausschüsse: Das begehrte Grundstück im geplanten Alsfelder Industriegebiet soll an DHL Express verkauft werden.
Anfang Juli wurden die beiden Logistik-Riesen DHL Express und Amazon als Kauf-Interessenten für eines der Grundstücke im geplanten Industriegebiet „Am weißen Weg“ vorgestellt. In dieser Woche steht die Entscheidung der Lokalpolitiker an. Das Problem: Sowohl Amazon als auch DHL Express interessieren sich für das gleiche Grundstück.
Eine Tendenz gab es im Ausschuss allerdings trotzdem schon einmal. Und die geht mehrheitlich durch CDU/UWA-Mitglieder in Richtung DHL, wie erwartet und absehbar. Allerdings sorgten die SPD-Mitglieder für die Überraschung des Abends: Sie enthielten sich und empfahlen keinen der drei Vorschläge.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Zunächst allerdings ein Blick zurück in die Juli-Sitzung, in der beide Kaufinteressenten ihre Vorhaben vorstellten. DHL Express plant in Alsfeld seinen neuen Deutschland-Hub, also den wichtigsten Knotenpunkt in der Verteilung der Pakete. 350 Arbeitsplätze sollen dabei im ersten Schritt geschaffen werden – der Großteil davon als Lagerarbeiter und Staplerfahrer, die restlichen in Verwaltung und Technik. Perspektivisch könnte sich die Anzahl auf 700 Arbeitsplätze bis 2035 oder 2040 ausweiten. 250 sollen zum Start mit bereits Angestellten Mitarbeitern aus dem derzeitigen Standort in Staufenberg besetzt werden, 100 Stellen werden neu geschaffen.
Die geplante Gesamtfläche beträgt 120.000 Quadratmeter, befindet sich von der Bundesstraße aus im hinteren Teil der rechten Seite. Pro Tag rechnet DHL mit einer Verkehrsbelastung von etwa 200 Lkw, wobei die höchste Belastung zwischen 21 Uhr und 23 Uhr am Abend und zwischen 1 Uhr und 3 Uhr in der Nacht sein soll. Auch an Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz wurde gedacht: Photovoltaikanlagen mit Stromspeichern und auch der Einsatz von Wärmepumpen wird geprüft. Das Gebäude baut DHL selbst, es wird also nicht durch einen Projektierer gebaut, der das Gebäude für eine bestimmte Vertragslaufzeit vermietet.
Das ist eines der größten Unterschiede zum Konkurrenten Amazon, der ein großes Sortierzentrum in dem Industriegebiet plant – allerdings auf der gesamten Fläche von 180.000 Quadratmetern. Scannell Properties wird dabei als Projektentwickler sowie Bauherr auftreten und die Gebäude für zunächst 15 Jahre an Amazon vermieten. Auch nach Ablauf des Mietverhältnisses – und sollte Amazon es nicht verlängern wollen – soll man sich laut Projektierer keine Sorgen machen: Ein Leerstand sei nicht zu befürchten, versicherte Heiko Richter.
Im ersten Jahr nach Eröffnung sollen dort rund 500 Mitarbeiter arbeiten, perspektivisch könne man auf 800 bis 1.000 Mitarbeiter aufstocken – je nachdem, wie sich der Markt entwickelt. In Sachen Verkehr müsse man mit etwa 174 Lkw und 105 Sprintern am Tag rechnen, wobei zum Weihnachtsgeschäft im November und Dezember die doppelte Anzahl prognostiziert wird.
Auch hier sei die höchste Belastung in zwei Blöcken in den Abendstunden und der Nacht: Zu Stoßzeiten seien es etwa 25 Lkw pro Stunde. Auch in Sachen Nachhaltigkeit steht das Projekt dem anderen Projekt in keiner Weise nach: Photovoltaik, Dachbegrünung, Solar und vieles mehr sei möglich. Übrigens: Beide Unternehmen würden auch soziale oder kulturelle Projekte in der Stadt fördern.
Stadt stellte zwei Varianten zur Abstimmung
Das stellten die beiden Interessenten im Juli vor, doch seither hat sich nochmal einiges verändert: Bis wenige Tage vor der Entscheidung habe die Stadt mit den Interessenten verhandelt und die letzten Informationen erst kurz vor der Sitzung des Bau- und Haupt- und Finanzausschusses an diesem Dienstagabend vorgelegt, erklärte Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule am Abend.
Absichtlich habe man sich die längere Zeit genommen, sodass alle Optionen politisch abgewogen werden konnten. Außerdem, so erklärte es Paule, habe man seitens der Verwaltung Wert darauf gelegt – später sollte das von der SPD in der Opposition gelobt werden – den Informationsfluss und auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Interessenten transparent zu gestalten, sodass die Politiker nun ein „abrundendes Bild“ auf dem Tisch liegen hätte, das beide Unternehmen gegenüberstelle.
„Es ist wichtig und richtig mit Blick auf die Zukunft, die Tragweite und Dimensionen der beiden Unternehmen zu diskutieren“, erklärte Paule. Deshalb sei es wichtig, die unterschiedlichen Faktoren wie prognostizierte Gewerbesteuereinnahmen, Kaufpreis, Nachhaltigkeit und Umweltschutzmaßnahmen, Arbeitsplätze und weitere Faktoren ausgewogen zu präsentieren. Von eine Beschlussempfehlung der Verwaltung sagte Paule nichts.
In dem nicht-öffentlichen Beschlussvorschlag zum Verkauf des Grundstücks stellte die Stadt die zwei möglichen Varianten zur Abstimmung: DHL oder Amazon – um einen dritten Vorschlag, nämlich an keines der beiden Unternehmen zu verkaufen, wurde der Vorschlag auf Initiative der ALA-Mitglieder ergänzt.
Anders als so manch vergangene Sitzung zum Industriegebiet es hätte vermuten lassen, blieb die schnelle Diskussion nach der Vorstellung der Varianten allerdings zunächst aus. Auf Bedenken von SPD-Mitglied Anette Schmidt zu dem erhöhten Verkehrsaufkommen erklärte Paule, dass der Verkehr trotzdem durch die Stadt und die Ortsteile laufe. „Was passiert bei einem Stau auf der A5? Die Autos fahren ab und suchen sich ihren Weg durch die Stadt. Das passiert aber sowieso, unabhängig davon, ob es ein Industriegebiet gibt oder nicht“, so Paule.
CDU/UWA für DHL, SPD mit Enthaltung, ALA gegen den Verkauf
„Wir haben alle einzelnen Faktoren miteinander abgewogen“, erklärte CDU-Fraktionschef Alexander Heinz zur Entscheidung der Koalition. Am Ende habe man sich für Variante A, den DHL-Vorschlag entschieden, den die Mitglieder zur Annahme empfehlen. Trotz Lob an der Arbeit des Bürgermeisters, der Verwaltung und Wirtschaftsförderer der Stadt seitens SPD-Fraktionschef Achim Quehl sorgten die Mitglieder des Ausschusses für Überraschung an diesem Abend: Statt sich für einen der drei Vorschläge – also DHL, Amazon oder keinen der beiden – zu entschieden, enthielten sich die Mitglieder und legten sich nicht fest.
„Die letzten Informationen kamen erst am Nachmittag vor der Sitzung“, stellte Quehl dazu klar. Auch die wollen sich die Sozialdemokraten vor der Entscheidung am Donnerstag erst noch anschauen, ehe sie sich positionieren. Eine zwingend einheitliche Entscheidung werde es, so kündigte es Quehl im Gespräch mit OL an, trotz deutlicher Mehrheit für DHL innerhalb der Fraktion nicht geben.
Einzig die ALA entschied sich für den Vorschlag, den sie bei der Auflistung der städtischen Varianten vermisste, wie ALA-Chef Michael Riese zu Beginn erklärte: Variante C, also keines der beiden Unternehmen. „Es ist bekannt, dass wir einen anderen Zungenschlag als CDU und SPD haben. Ich will die Argumente nicht nochmal wiederholen“, sagte Riese. Die Debatte vorab sei bereits sehr umfangreich gewesen und es sei bekannt, dass die Fraktion gegen die Größe, gegen die Flächenversiegelung, die Lkw, den Verkehr und gegen die städtische Ausrichtung sei.
Trotz der dritten Variante und der Enthaltung der SPD: Folgen die Stadtverordneten am Donnerstag der mehrheitlichen Empfehlung, dann wird das geplante Alsfelder Industriegebiet um ein Unternehmen reicher: DHL Express. Abgestimmt wird demnach über Variante A mit dem üblichen Verfahren, also mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“. Die beiden anderen Varianten könnten als Änderungsanträge durch die Fraktionen eingebracht und abgestimmt werden. Die ALA kündigte an, genau das für Variante C zu beantragen, für die Amazon-Vorschlag sprach sich unterdessen kein Vertreter an diesem Abend aus.
Übrigens: Einen möglichen Käufer der Restfläche vor dem möglichen, künftigen DHL-Hub gibt es derzeit noch nicht, allerdings gebe es täglich neue Interessenten. Der passende sei noch nicht dabei gewesen.
Linktipp aus der Redaktion
Hier kommen Sie zur Sonderseite über das Industriegebiet „Am weißen Weg“ mit allen bisher auf OL dazu erschienenen Artikel.
Kleine Ergänzung:
Auch 2 SPD-Mitglieder haben Verstand.
Sie haben alle das Euro Zeichen in den Augen wie sie Denken hat uns an den Abgrund gebracht.
Dank an die Mitglieder der ALA. Nur ihr habt noch genug Verstand.
Wie kann man nur in so einen ruinösen Verdrängungswettbewerb einsteigen und sich seine intakte Umwelt zerstören lassen ohne Not?
Frau Schmidt liegt mit ihren Bedenken richtig. Wohl denen, die nicht an der B62 oder B254 wohnen. Stau auf der Autobahn und Umleitung ist manchmal, Logistik-Verkehr abends und nachts dann alle 24 Stunden. Das Argument vom Bgm. zieht nicht ganz. Arbeitsplätze sind wichtig, Lebensqualität der Anwohner aber auch.
Im Industriegebiet soll wertvoller Boden versiegelt werden. Damit würden Lebensräume der Tiere zerstört. Wir erleben gerade das 6. Große Artensterben in der Geschichte der Erde. Wir sind dabei uns unserer Lebensgrundlage zu berauben. Aber warum?
Wir brauchen 50-100 Stöckige Hochhäuser die aus dem Boden schießen wie Pilze, bezahlbarer Wohnraum für Menschen fehlt überall !!!
DHL+ Amazon sind ausgesort bzw. haben zig hunderte Millarden auf dem Konto.
An das Volk denkt keiner der Lobbyisten.