Impfzentrum in Alsfeld hat geschlossen - Dr. Erich Wranze-Bielefeld blickt zurückEine prägende Zeit mit Herausforderungen und bewegenden Momenten
ALSFELD (akr). Am 9. Februar nahm das Vogelsberger Impfzentrum seine Arbeit auf, an diesem Mittwoch wurde um exakt 13.52 Uhr die letzte Spritze gesetzt – von Dr. Erich Wranze-Bielefeld höchstpersönlich. Im Gespräch mit Oberhessen-live blickt der ärztliche Leiter auf eine für ihn prägende Zeit mit Herausforderungen und bewegenden Momenten zurück.
Es war der 23. November 2020, um kurz nach 11 Uhr, als der Einsatzbefehl des Landes Hessen eintraf, ein Impfzentrum zu errichten, in dem täglich 1.000 Impfungen durchgeführt werden können. Für den Vogelsbergkreis wurde als Standort die Alsfelder Hessenhalle ausgewählt. Nur drei Tage später stand die Planung, die dann in einer Pressekonferenz vor Ort vorgestellt wurde. Die Hallen waren noch leer, doch das sollte sich innerhalb der nächsten zwei Wochen ändern. Lange Zeit lassen konnte man sich nicht, denn ab dem 11. Dezember musste das Impfzentrum stehen.
Das tat es dann auch, für den kompletten Kreis wurde ein Corona-Impfzentrum auf die Beine gestellt – eine „große Herausforderung“, wie Landrat Manfred Görig es nannte. Der Feinschliff fehlte zwar noch, aber man war einsatzbereit. Doch der Impfstoff fehlte, ebenso der Einsatzbefehl des Landes. Zunächst sollte nur in den sechs großen hessischen regionalen Impfzentren geimpft werden.
Am 9. Februar 2021 war es dann endlich so weit: Das Impfzentrum in der Hessenhalle öffnete seine Pforten. Den ersten Piks bekam die 91-jährige Katharina Schneider aus Ohmes. An diesem Mittwoch um exakt 13.52 Uhr wurde die letzte Spritze im Vogelsberger Impfzentrum gesetzt. Die 14-jährige Mathilda Greb aus Herbstein bekam sie – und zwar von Dr. Erich Wranze-Bielefeld, dem Leiter des Impfzentrums, höchstpersönlich.
„Es war richtig, für die größte Impfaktion in der Bundesrepublik Deutschland Impfzentren einzurichten, um in wenigen Monaten so viele Menschen wie möglich impfen zu können. Zwar hat die Impfbereitschaft – und somit auch der Betrieb in den Impfzentren – ab dem Sommer merklich nachgelassen, ich befürchte jedoch, dass wir die Impfzentren in naher Zukunft schmerzlich vermissen werden“, sagt Dr. Erich Wranze-Bielefeld, ärztlicher Leiter des Vogelsberger Impfzentrums.
Die 2G-Regel, Reisefreiheit für Geimpfte und keine Lohnfortzahlung mehr für Ungeimpfte in Quarantäne – „diese neuen Regelungen könnten nach ganz schnell dazu führen, dass sich plötzlich wieder ganz viele Menschen impfen lassen wollen, die das bislang – aus welchen Gründen auch immer – nicht gemacht haben.“ Auch eine weitere Corona-Welle im Herbst mit der wesentlich ansteckenderen Delta-Variante könnte die Impfbereitschaft spürbar erhöhen, so Wranze-Bielefeld.
Herausforderungen und bewegende Momente
Für den ärztlichen Leiter stellte bis Mai der fehlende Impfstoff verbunden mit der Notwendigkeit der Priorisierung die größte Herausforderung dar. „Dann machte uns das chaotische Verfahren mit AstraZeneca zu schaffen: Zunächst war der Impfstoff für Menschen unter 60 Jahren freigegeben, dann wurde ein Impfstopp verhängt, plötzlich durften nur noch die über 60-Jährigen Astra bekommen“, erinnert er sich zurück. Das habe zu täglichen Diskussionen im Impfzentrum geführt, weil viele lieber einen anderen Impfstoff haben wollten. Die dritte Herausforderung: Als es endlich genug Impfstoff gab, ließ die Nachfrage erheblich nach.
„Mehr Impfstoff zum früheren Zeitpunkt sowie stringentere und weniger chaotische Vorgaben ‚von oben‘ hätten uns die Arbeit erleichtert“, erklärt er. Trotz der Herausforderungen haben sich die Abläufe aber bewährt. „Mit dem Team sind wir sehr zufrieden, es hat hervorragend gearbeitet“, so Wranze-Bielefeld, der auch nochmal die gute Zusammenarbeit mit den Hausärzten hervorhebt.
233 Tage, 1.630 Stunden, hatte das Impfzentrum in der Hessenhalle seine Pforten geöffnet. Bis zur Schließung des Impfzentrums wurden dort insgesamt 80.714 Impfdosen verimpft, die höchste Anzahl wurde am 18. Juni mit 844 Impfungen erreicht.
Dabei blieben auch einige Nebenwirkungen im Impfzentrum nicht aus. Da aber immer ein Notarzt und ein Notfallsanitäter beziehungsweise ein erfahreneren Rettungsassistent vor Ort waren, habe man fast alle Probleme vor Ort beheben können, sodass die meisten Impflinge nach Hause entlassen werden konnten.
„Es gab insgesamt drei Transporte in ein Krankenhaus. In einem Fall lagen Herzrhythmusstörungen vor, die über mehrere Tage auf einer Intensivstation behandelt werden mussten. Auch dieser Patient ist letztlich gesund entlassen worden“, erzählt Wranze-Bielefeld.
Es gab aber auch eine Reihe bewegender Momente, die dem ärztlichen Leiter in Erinnerung geblieben sind, einer jedoch ganz besonders – und zwar als eine alte Dame, die mit Tränen in den Augen zu ihm hochblickte und mit leiser Stimme sagte: „Jetzt kann ich endlich meinen Enkel wiedersehen.“ Sie hatte aus Angst vor einer Ansteckung, wie so viele Menschen während der Pandemie, komplett auf soziale Kontakte verzichtet. „Das Beispiel zeigt: Corona hat besonders auch unsere alten Menschen getroffen. Es tut weh und macht einsam, wenn man seine Kinder und Enkel über Monate nicht sehen oder in den Arm nehmen kann“, erzählt er.
Ab dem 1. Oktober gehen die Corona-Impfungen nun fast vollständig an die Hausärzte über. Vollständig geimpft sind im Vogelsbergkreis mittlerweile 62,33 Prozent, die Dritt- beziehungsweise Auffrischungsimpfung haben 0,53 Prozent erhalten. Das Gesundheitsamt ist nun für diejenigen weiterhin zuständig, die von den Hausärzten nicht erreicht werden. „Ich werde für die Impfungen des Gesundheitsamtes zuständig sein. Außerdem sind in meinem angestammten Job (Ärztlicher Leiter Rettungsdienst) einige Dinge liegen geblieben, die aufgearbeitet werden müssen“, erklärt er. Nun endet für ihn eine prägende Zeit, „und ich werde gerne daran denken.“
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