Kult-Blech-Klassiker verabschiedet sich in die WinterpauseÜber 180 Aussteller präsentierten ihre fahrbaren Schätze
ALSFELD (ol). Manch einer mag es nicht nachvollziehen können, aber Oldtimer sind Kult – und der wurde dieses Jahr auf dem Areal des hôtel villa raab mit „Kult-Blech-Klassikern“, einer 2021 neu ins Leben gerufenen Veranstaltungsreihe, zelebriert. Zum vierten Mal trafen sich am Sonntag wieder über 180 Aussteller aus ganz Deutschland – die weiteste Anreise erfolgte aus Tiefenbach bei Passau – präsentierten ihre fahrbaren Schätze, fachsimpelten und vernetzten sich.
Darunter auch drei ganz besondere Gefährten, die der „Präsentator“ Michael Fliegel unter anderem dem Publikum im Interview mit den Besitzern vorstellte: Ein Bentley-Rennwagen von 1929 im Wert von einer halben Millionen, ein Porsche 356 Carrera II im Wert von knapp 700.000 Euro sowie ein Audi Quadro, der der einzig überlebende von 15 Prototypen ist, sich 22 Jahre lang in einem Hühnerstall vor einer Verschrottung versteckte und vom Gederner Oliver Heckert nach einer in Spanien besorgten „Organspende“, einem Originalmotor allerdings mit Katalysator, wiederbelebt wurde.
Diese drei Schmuckstücke beeindruckten nicht nur die Kenner der Szene, sondern auch die vielen Besucher, die sich an dem Herbsttag in dem schönen Ambiente auf Gelände tummelten, heißt es in der Pressemitteilung der Villa. Erstmals mit von der Partie waren auch Oldtimer-Nutzfahrzeuge: Die Oldtimerfreunde Alsfeld präsentierten sich auf der Raab’schen Wiese in den Erlen, die direkt ans Villa-Areal angrenzt, mit ihren alten Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes.
Gegenüber hatten sich erstmals Traktoren aufgereiht – unter ihnen Bernd Neeb aus der Nähe von Bad Hersfeld, der die 25 Kilometer innerhalb von eineinhalb Stunden mit seinem alten Deutz gefahren ist. „Nicht gerade rückenschonend“, meint der junge Mann, der aber gerne die Strapazen auf sich genommen hat, um bei der Oldtimerausstellung dabei sein zu können.
Der „Blaue Klaus“
Ein Hingucker war auch die Anwesenheit von Jens Zielinski aus Buseck. Der 70er-Jahre-Fan, der am liebsten ein 70er-Jahre-Museum aufgemacht hätte, wäre ihm nicht die Scheidung dazwischengekommen, war mit seinem „Blauen Klaus“ da. So nennt er seinen Opel Kadett C aus dem Jahr 1974, dessen Namensvetter „Der Blaue Klaus“ aus Wim Toehlke „Der Große Preis“ ist.
Nicht nur der Kadett schrie in himmelblau, sondern auch die Utensilien in und um das Auto erinnerten an die Zeit, in der Designs offensichtlich unter LSD-Rausch entworfen wurden: Grellen, großflächige Blumenmuster auf Tapeten oder Kühltaschen, Klamottenstylings, die man in den ausliegenden Bravos bei Jens‘ Stand durchblättern konnte und natürlich auch die Möbel, die in der Zeit gefertigt wurden. Der Busecker hatte aber auch einen weiteren Oldtimer dabei – zweirädrig: Ein Bonanza-Fahrrad. „Hatte man als 12- bis 15-Jähriger früher so ein Teil, war man der King!“, erinnert ich Zielinski, der gerne in der Vergangenheit lebt und meint, so erhalte er sich einen Teil seiner Jugend und bliebe jung.
An einen Teil seiner Jugend erinnert sich Jens Nestler aus Nieder-Ohmen auch gerne zurück: Beispielsweise an das DDR-Sandmännchen. Die Hutablage in seinem Trabant 600 ist voll von Kuscheltieren aus dieser Ära. Jens gehört zu den „Trabantfreunden Vogelsberg“. Erst seit März dieses Jahrs besitzt er wieder einen „Trabi“, den er komplett restauriert für 9200 Euro in Rudolfstadt gekauft hat. Gebürtig aus Oberwiesental im Erzgebirge ist der heutige Wahl-Vogelsberger mit den „Ost-Autos“ aufgewachsen.
Vor der Wende hatte er noch kein Auto fahren dürfen, den Führerschein machte er erst am 1. Oktober 1990. 1994 hat er sich dann zwei Trabant 601 gekauft, die er aber nur für kurze Zeit gefahren ist, dann waren ihm „West-Autos“ lieber. Doch mit etwas Abstand merkt er: „Es hängt schon ein bisschen Liebe dran, an der Vergangenheit“. So hat er sich jetzt wieder einen Trabi geleistet, mit alten Kindheitserinnerungen bestückt und reist damit, und mit seiner Frau, durch die Lande.
An vergangene Zeiten erinnert auch Schauspielerin Johanna Mildner. Vom Ideengeber und Organisator Martin Lindenthal für den Tag engagiert, verteilte sie Kult-Blech-Klassiker-Aufkleber an echte Fans – natürlich im passenden Outfit, was an den Film „Die Drei von der Tankstelle“ erinnerte und perfekt in das Flair der Veranstaltung passte. Überhaupt, waren wieder viele Kleinigkeiten, die die Grundidee zu diesem regelmäßigen Treffen in Alsfeld, der Mitte Deutschlands, aufwerten und zu einem immer wieder ereignis- und abwechslungsreichen Tag werden lassen.
„Admiral Blue“ und „The Rocking Kids“ sorgten für musikalische Umrahmung
Dazu gehört natürlich auch das Speisenangebot des Villa-Restaurants „tante mathilde“ mit seiner Heimatküche und Braukunstwerken, wie auch das Live-Programm auf der Bühne. Dieses Mal unterhielt die Gießener Coverband „Admiral Blue“ die über 800 Gäste unter der Rotbuche, die sich dort zur Stärkung oder entspannten Pause niedergelassen hatten. Die Band um die Sängerin Nadja Nachtigall performte Songs aus fünf Jahrzehnten – von P!nk bis Pointer Sisters, von Led Zeppelin bis Santana oder von Robin Schulz bis Stevie Wonder.
Die Gestaltung des Finales der Veranstaltung und damit auch das Ende der diesjährigen Veranstaltungsreihe übernahmen ganz besondere Talente: „The Rocking Kids“. Dies sind Schülerinnen und Schüler der Musikschule „Rock & Popwerkstatt“, die sich zusätzlich zu ihrem Unterricht zu verschiedenen Bandkonstellationen formatieren und so öffentliche Auftritte spielen – einfach aus Spaß an der Musik.
Bei ihrem Auftritt auf der „bühne rôtbuche“ am Sonntagnachmittag spielten sie klassischen Rock, beispielsweise von Liquido oder Rammstein, sowie auch eigene, rockige Kompositionen. Die Jüngste im Bunde war die achtjährige Elisabeth aus Ziegenhain, die gemeinsam mit zwei anderen Sängerinnen stimmgewaltig das Publikum bis in den frühen Abend begeisterte – übrigens das letzte Mal für dieses Jahr auf der Open-Air- Bühne im Villa-Garten.
Nun gehen die Kult-Blech-Klassiker erst mal in die Winterpause. Genügend Zeit für Bastler, neue Fahrzeuge zu restaurieren, an Motoren zu schrauben oder das Interieur aufzupolieren, um ab April 2022 ihre Besitztümer jeden dritten Sonntag im Monat als Aussteller – und natürlich auch Besucher – kurzweilige Sonntage auf dem Gelände rund um die Villa Raab zu verbringen.
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