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Manuskripte zur Jubiläums-Festschrift liegen vorGeschichten aus über 800 Jahren zeigen die Vielfalt der Stadt

ALSFELD (ls). Achtzehnmal haben sich die Autoren der Jubiläums-Festschrift in knapp zweieinhalb Jahren getroffen. Beim neunzehnten Treffen, endlich mal wieder wirklich und real statt online, liegen die Manuskripte vor: Auf 400 Seiten zeigen 14 Autoren die vielfältige Geschichte der Stadt, wagen einen Blick in die Kristallkugel und sagen vielleicht sogar ein bisschen die Zukunft hervor. Doch auch wenn die Texte stehen, zu tun gibt es für das letzte halbe Jahr vor dem Stadtjubiläum noch genug.

Die dichten Blätter der massive Kastanie spenden Schatten. Umgeben von parkenden Autos und ganz in der Nähe vom gewohnten Treffpunkt, haben die sechs Autoren einen Platz an der frischen Luft gefunden, endlich mal wieder. Es ist mittlerweile das neunzehnte Treffen, ein ganz entscheidendes Treffen im Arbeitskreis rund um die Festschrift zum 800-jährigen Stadtjubiläum im kommenden Jahr.

Nicht nur, weil es seit Beginn der Corona-Pandemie das erste wirkliche Treffen des Teams ist, bei dem sich die Teilnehmer endlich mal wieder persönlich sehen und nicht über Headsets und durch den Bildschirm miteinander sprechen, sondern auch weil die Arbeit an der Festschrift kurz vor dem Jubiläum selbst an einem Wendepunkt steht: die Texte sind geschrieben, die Manuskripte liegen vor; 800 Jahre Alsfelder Stadtgeschichte, zusammenfasst auf 400 Seiten.

Zweieinhalb Jahre hat der Weg zur Festschrift schon gedauert und auch die nächsten Wochen und Monate wird das Autoren-Team noch an dem Buch arbeiten. „Die zweieinhalb Jahre waren mindestens notwendig“, sagt Norbert Hansen. Der Stadtarchivar und Mitglied im Geschichts- und Museumsverein ist der Schriftführer des Teams, das neben Hansen selbst aus fünf festen, ehrenamtlichen Mitgliedern und acht Gastautoren besteht. Die Arbeitszeit könne dabei kaum in Stunden beziffert werden, leicht würden allerdings mehr als tausend Stunden zusammenkommen – besonders bei den großen Kapiteln.

Die Themenschwerpunkte

Dr. Norbert Hansen: Alsfeld in der Bundesrepublik und historische (Wieder-)Entdeckungen im 21. Jahrhundert
Michael Hölscher: Altstadtsanierung und Wohngebietserweiterung
Matthias Nicolai: Die letzten 800 Jahre im Überblick; Zeitstrahl
Dr. Sascha Reif: Alsfeld 1775-1914; Zeitstrahl
Traudi Schlitt: Alsfeld heute und morgen
Pro. Dr. Otto Volk: Alsfeld von 1914-1949

Hinzu kommen die Gastautoren: Herbert Böckel (BGS), Roland Heinrich (Spiel ohne Grenzen), Jürgen Litzka (Logo), Stephan Paule (Alsfeld und das Geld), Peter Remy (Reformation), Bodo Runter (Stadtzeichner) und Dr. Jochen Zwecker (Gebietsreform und Kreisstadtstreit)

Ausgebaut ist die Festschrift epochenweise, aber auch ein Blick in die Kristallkugel und damit in die Zukunft der Stadt wird es geben. „Wir haben uns im Vorfeld natürlich die  Festschriften von anderen Jubiläen angeschaut und in der Analyse dessen geschaut, was wir für die Jubiläumsfestschrift zusammensetzen“, sagt Matthias Nicolai, der sich intensiv mit der Rückschau auf die vergangenen 800 Jahre befasst hat. „Wir haben uns dann schnell dazu entschieden, die Vergangenheit aufzuarbeiten, dabei aber immer einen Blick in das Hier und Jetzt zu wagen, dabei eine Verbindung zur Gegenwart zu schaffen und auch zu schauen, wohin sich die Stadt künftig entwickeln könnte.“

Herausgekommen ist dabei ein Abriss über die Vielfalt der Alsfelder Geschichte; von den historischen Wiederentdeckungen im 21. Jahrhundert, der Altstadtsanierung, der sich Michael Hölscher widmet, einem Blick in die Zukunft, der Zeit von 1775 bis 1914, bis hin zu Texten von Gastautoren wie Roland Heinrich, der über Spiel ohne Grenzen schreibt, Stephan Paule dessen Text den Titel „Alsfeld und das Geld“ trägt, Pfarrer Peter Remy schreibt über die Reformation, Jochen Zwecker über die Gebietsreform und den Streit über die Kreisstadt-Frage und auch die Arbeit vom erst kürzlich verstorbenen Bode Runte über die Stadtzeichner wird Platz in der Festschrift finden.

Das Schlusswort wird Jochen Weppler, der Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins übernehmen. Der Verein ist im Übrigen auch federführend für die Festschrift verantwortlich.

Volk: „Aus der Geschichte seine Schlüsse ziehen“

Aufgefallen ist bei der Analyse der anderen Festschriften allerdings vor allem eines, wie Nicolai erklärt, die Zeit zwischen 1914 und 1949 wurde meistens ausgelassen, in der Stadtgeschichte klafft eine Lücke, die nun erstmals gefüllt wird. „Der Nationalsozialismus wurde teilweise komplett ausgelassen“, sagt Otto Volk, der einzige Nicht-Alsfelder, der durch Matthis Nicolai ins Team geholt wurde – und der sich erstmalig eben genau dieser Zeit widmet. Beispielsweise, so erzählt Volk, wurde bei der Festschrift aus 1922 die Ereignisse des ersten Weltkrieges komplett ausgelassen.

„Es fehlen 35 Jahre, eine dramatische Zeit, die Alsfeld geprägt hat“, sagt Volk. Allein zehn Jahre davon seien geprägt gewesen von Krieg, viele Jahre habe Diktatur geherrscht, in der die schlimmsten Verbrechen der der deutschen Geschichte geschehen seien, gefolgt von vier Jahren Besatzung. Viel zu lange sei diese Zeit aus der Alsfelder Geschichte ausgeklammert worden, deshalb sei es nun um so wichtiger, davon zu erzählen. „Alsfeld war zu dieser Zeit von den Nazis eingenommen“, erklärt Volk. Bis zum Schluss sei das so gewesen. Von den rund 300 jüdischen Alsfeldern seien unter der Hitler-Diktatur mehr als ein Drittel ermordet worden. „Die Täter müssen genannt werden“, sagt der Historiker.

Vielleicht sei es deshalb gut, dass er selbst nicht aus Alsfeld komme und vorher auch keine Anknüpfpunkte hatte. In der Geschichte erkenne man Dinge und Worte wieder, die man heute vom rechten Rand der Gesellschaft kenne. Gerade deshalb sei ihm diese Verantwortung über den Teil der Alsfelder Geschichte bewusst und er hoffe, dass man aus der Geschichte seine Schlüsse ziehen werde.

Diese Nähe zwischen Vergangenheit und Gegenwart soll die ganze Festschrift über hergestellt werden – und immer wieder miteinander verknüpft werden. Das sei vor allem in Teamarbeit geschehen, erklärt Sascha Reif. Neben seinem eigenen Kapitel – er selbst beschreibt es als eine spannende „Zeit der absoluten Unordnung“ – hat Reif gemeinsam mit Nicolai an einer Besonderheit der Festschrift gearbeitet: Einem herausnehmbaren Zeitstrahl der vergangenen 800 Jahre. „Natürlich gibt es schon einen Zeitstrahl, aber dieser hier wird extra in eine Lasche dazugelegt und kann herausgenommen und eigens für sich betrachtet werden“, erläutert Hansen. Das mache die Festschrift nochmal zu etwas ganz Besonderem.

Ein Zeugnis aus einer Zeit des Umbruchs

Zusätzlich sollen dabei gesellschaftliche und zeitliche Verknüpfungen über Alsfeld hinweg geschaffen und betrachtet werden. „Stadtgeschichte findet nicht nur in einer Blase statt, sondern muss gesamtgesellschaftlich betrachtet werden“, sagt Reif. Und Nicolai pflichtet bei: „Über den Zeitstrahl soll das gelingen.“

Die Corona-Pandemie hat die Arbeit des Autorenteams nicht unbedingt erleichtert. „Viele Archive und Museen hatten geschlossen“, erzählt Volk. Die intensive Recherche, bei Volk selbst seien viele hilfreiche Daten und Fotos aus der Bevölkerung gekommen, habe viele Stunden Zeit gekostet. Traudi Schlitt, die sich mit der Gegenwart und der Zukunft beschäftigt hat, hat dazu viele Menschen und Institutionen befragt. „Ich habe mich gefragt, was die Menschen in 50 Jahren interessieren könnte und habe mich damit beschäftig“, erklärt Schlitt.

Über 280 Schüler der ASS, GSS und MES wurden deshalb gefragt, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Auch, wenn die Arbeit an der Festschrift sehr viel Zeit in Anspruch genommen habe, habe sie selbst davon sehr profitiert und viel dabei gelernt, gibt Schlitt zu verstehen. Sie und ihr Team hätten von sämtlichen Seiten viel Unterstützung und Kooperation erfahren. „Aktuell ist eine Zeit des Umbruchs. Zu wissen, dass wir vielleicht das letzte Buch in dieser Form schreiben, macht ehrfürchtig“, sagt Schlitt.

Auch wenn die Manuskripte fertig sind, gibt es für das Autorenteam noch viel zu tun: Die nächsten Wochen geht es an die grafische Gestaltung, das Layout, die Korrektur und den Satz. Am 13. März 2022, also genau der Tag vor 800 Jahren, an dem Alsfeld erstmals als Stadt in der Urkunde erwähnt wurde, soll die Festschrift offiziell vorgestellt werden.

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