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Corona-Impfung in den Hausarztpraxen: Das sind die Erfahrungen Vogelsberger HausärzteTelefone im Dauerbetrieb, blank liegende Nerven, Impfstoff-Gespräche

VOGELSBERG (ol). Seit Anfang April ist es nun schon möglich sich bei seinem Hausarzt gegen Corona impfen zu lassen. Welche Erfahrungen haben die Mediziner im Umgang mit der Impfung bereits gemacht? Vogelsberger Hausärzte berichten.

Die Telefone stehen nicht mehr still, jeder möchte verständlicherweise sich auf die Warteliste für eine Coronaimpfung setzen lassen, teilt der Hausarztverband Vogelsbergkreis in einer Pressemitteilung mit. Natürlich nur der vermeintlich gute Impfstoff soll es sein. Viele Praxen haben sich Systeme ausgedacht, wie sie diese Patientenströme sinnvoll lenken und parallel dazu das Tagesgeschäft weiter bewältigen zu können.

Denn auch zu Pandemie Zeiten bleibt in den Hausarztpraxen mit der übrigen Routine viel zu tun, berichtet Dr. Carsten Rottmann aus Homberg Ohm. Einige Praxen lassen Bandansagen laufen und bitten die Patienten auf den Rückruf aus der Praxis zu warten, andere bieten Online Portale oder Mailanmeldungen an. Jede Praxis muss ihren individuellen Weg finden, hier gebe es keinen guten und keinen schlechten sind sich die Mediziner einig.

Waren es zu Anfang nur die Priorisierugsgruppen 1 (>80) und 2 (>70), so sind mittlerweile weitere Gruppen hinzugekommen. In der jetzigen Form mache die Impfpriorisierung  immer weniger Sinn, argumentiert Dr. Christof Schwarzer. Er hofft, dass die strenge Impfreihenfolge wie in Bayern und Baden-Württemberg auch in Hessen bald aufgehoben wird. Bis dahin bleibt die Impfreihenfolge natürlich für alle Impfärzte in Hessen gültig. Der organisatorische Aufwand sei für die Praxen enorm hoch.

Jede Praxis führe lange Listen ob in Excel, Papierform oder auf andere Weise, jeder von ihnen sei angehalten streng nach Indikation zu impfen. Wie die Impfungen in den normalen Praxisalltag integriert wird, muss jede Praxis für sich entscheiden. So impft Herr Dr. Ladwig aus Homberg immer freitags, Herr Dr. Rottmann in jeder Mittagspause und mittwochs, in größeren Praxen impft häufig ein Arzt/in einen kompletten Nachmittag, während der andere Arzt/in die Patienten versorgt.

Kein geringeres Patientenaufkommen

Denn darüber müssten sie sich klar sein, die Impftätigkeit kommt on Top auf die normale Hausärztliche Tätigkeit, berichtet Peter Niebergall aus Ulrichstein. „Ein durch die Corona-Pandemie geringeres Patientenaufkommen, wie es aus größeren Städten berichtet wird, ist hier auf dem Land nicht zu beobachten“, ergänzt Michal Buff aus Kirtorf. „Ganz im Gegenteil, durch den Lockdown sind zum Beispiel Rückenbeschwerden, Erschöpfungszustände und Ängste deutlich mehr geworden. Das kostet Zeit und Energie“

„Erst Freitags erfahren wir, wie viele Impfstoffdosen wir für die nächste Woche erhalten, erst dann können wir anfangen Patienten einzubestellen“, ergänzt Susanne Sommer aus Mücke. Zur Zeit seien das 36 Impfdosen pro Kassenarztsitz. Davon müssen allerdings die Zweitimpfungen abgezogen werden. „Dienstags trifft dann der Impfstoff in unseren Praxen ein und bis freitags muss er geimpft sein“, so Sommer.

Das Impftempo sei limitiert durch die Knappheit der Impfstoffe, die Bürokratie und den Aufklärungsbedarf der Patienten, fügt Dr. Carsten Rottmann an. „Alle wollen schnelle Termine“, ergänzt Dr. Martina Heßler-Klee, Kinderärztin aus Mücke, „wir dürfen aber nicht vergessen alle wollen auch mit ihren Ängsten wahrgenommen werden und es ist unsere Aufgabe, diese mit ihnen zu besprechen.“

Dr. Carsten Rottmann erkläre seinen Patienten immer folgendes: „Wir sind alle auf der Titanic und dann möchte der eine oder andere lieber in das blaue statt rosa Rettungsboot, ansonsten verbleibt er lieber auf der Titanic, zum Teil mit der Begründung, er könne ja gut schwimmen. Das verstehen die Patienten und überdenken nochmal ihre Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Impfstoff. Natürlich sind die Nerven aller Menschen zur Zeit stark angespannt.“

Blank liegende Nerven

So berichtet Herr Scheer aus Herbstein, dass er sich vermehrt Anfeindungen gegenüber sieht, die das erträgliche weit überschreiten. Herr Dr. Stock aus Wartenberg ergänzt, dass ihre Nerven und die ihres medizinischen Fachangestellten „blank“ liegen. Es würden Erwartungen geweckt, die so nicht zu erfüllen seien. Neuestes Beispiel sei die Verkürzung des Impfabstands bei der Impfung mit AstraZeneca damit jeder im Sommer in den Urlaub fahren könne, fügt Susanne Sommer hinzu.

Sehe man sich die Datenlagen der Wirksamkeit von AstraZeneca bei verkürztem Impfabstand an, so würden einem schon so persönliche Zweifel kommen. Bei einem Impfabstand von vier bis acht Wochen sei der Schutz vor Ansteckung mit 54,1Prozent angegeben, bei einem Impfabstand von Zwölf Wochen betrage der Schutz vor Ansteckung schon über 80 Prozent.

„Ganz abgesehen davon, dass in den Vogelsberger Hausarztpraxen eine erhebliche Unruhe aufkommt, da viele schnell vor dem Urlaub noch ‚durchgeimpft‘ werden wollen, fragen wir Hausärzte uns, ob wahlkampfpolitische Versprechungen uns in dieser Pandemie weiterbringen. Schade ist es, dass wir teilweise abends aus der Tagesschau erfahren, was morgens in unseren Praxen von uns erwartet wird. Das sollten wir abstellen“, so die Mediziner.

Wie die Vogelsberger Hausarztpraxen berichten, arbeiten diese sehr gut mit dem Impfzentrum zusammen, stehen im ständigen Austausch mit dem dortigem Leiter Dr. Wranze Bielefeld, dem Leiter des Gesundheitsamtes Dr. Reygers und dem Gesundheitsdezernenten Dr. Mischak, denn nur Gemeinsam werden wir diese Pandemie meistern. „Wir tun was wir können und so schnell man uns lässt“, sind sich die Allgemeinmediziner und Allgemeinmedizinerinnen einig.

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