Koalitionsvertrag zwischen der CDU und SPD für 2021 bis 2026„Modern und zukunftsfähig“: Vogelsberger GroKo-Vertrag mit einigen Neuerungen
VOGELSBERG (akr). Die Unterschriften sind gesetzt, es ist offiziell: Die SPD und die CDU werden auch in den kommenden fünf Jahren den Vogelsberg als Koalition regieren. Den 36-seitigen Koalitionsvertrag, der unter dem Motto „Vogelsberg modern und zukunftsfähig“ steht, stellten die beiden Parteien am Montagabend der Presse vor.
Dass die Christdemokraten und die Sozialdemokraten im Vogelsberg wieder eine Koalition miteinander eingehen, das ist schon seit Längerem kein Geheimnis mehr. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode gab es sie, die große Koalition und auch 2021 bis 2026 soll die Zusammenarbeit der beiden Fraktionen fortgeführt werden. Die Kreistagswahl liegt zwar schon etwa zwei Monate zurück, die CDU habe sich aber bereits relativ schnell dafür entschieden, Gespräche mit der SPD aufzunehmen, wie Jens Mischak, Erster Kreisbeigeordneter und Vorsitzender der Vogelsberger Christdemokraten erklärte.
Am 29. März habe das erste Treffen zwischen der CDU und SPD stattgefunden, vier weitere folgten, sodass am Ende ein 36-seitiger Koalitionsvertrag herausgekommen ist, der „sehr umfangreich zu allen kreisrelevanten Themen ausführliche Antworten vorgibt“, so Mischak. Dieser wurde von den Fraktionen als auch vom Parteivorstand beraten und am Wochenende bei den jeweiligen Parteitagen auch genehmigt – es fehlten also nur noch die Unterschriften und die wurden am Montagabend gesetzt.
„Wir haben uns dazu entschieden, die erfolgreiche Arbeit der vergangenen fünf Jahre fortzuführen“, betonte SPD-Kreisvorsitzender Patrick Krug. Gemeinsam wolle man den Vogelsbergkreis als attraktiven Wohn-, Lebens und Arbeitsort weiterentwickeln und stärken – und vor allem wolle man aus dieser Corona-Zeit gestärkt hervorgehen, wie Mischak erklärte. Immer mehr Menschen ziehe es nämlich in den ländlichen Raum, sodass man hier auch Angebote schaffen müsse.
So zum Beispiel in Sachen Wirtschaft. „Mit dem Vertrag möchten wir ein klare Zeichen setzen, dass der Vogelsberg wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven hat“, erklärte CDU-Fraktionsvorsitzender Stephan Paule. Dazu zählt nicht nur die Fachkräftesicherung oder die Ausweisung von Gewerbegebieten, sondern auch die flächendeckende Breitbandversorgung, die Dorf- und Regionalentwicklung oder die Entwicklung einer Dachmarke sowie der Tourismus, um nur einige Beispiele zu nennen.
Machbarkeitsstudie Vogelsbergbahn
Eng verbunden mit diesem Themenkomplex ist natürlich auch das Thema Verkehr. Wie der Fraktionsvorsitzende Paule betonte, bekennen sich die Koalitionspartner weiterhin klar zu den derzeit „größten und kontroversesten Projekten“ – und zwar der A49 und der Ortsumgehung Wartenberg, die es beide weiter voranzubringen gilt. „Der ÖPNV liegt uns sehr am Herzen. Er ist der Baustein für einen klimafreundlichen Vogelsbergkreis“, betonte Krug.
So soll unter anderem die Attraktivität der Vogelsbergbahn gesteigert werden. „Neben schnelleren und häufigeren Verbindungen sind dabei die Elektrifizierung und Digitalisierung der Strecke, die mögliche Reaktivierung aufgegebener Haltepunkte und perspektivisch eine nahezu umstiegsfreie Anbindung bis nach Frankfurt unsere Ziele“, heißt es hierzu im Koalitionsvertrag. Die Vogelsbergbahn könne hierdurch zu einer Stadt-Land-Achse werden. Eine Machbarkeitsstudie soll aufzeigen, wie die Bahn weiterentwickelt werden könne.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die gesundheitliche Versorgung – sei es die ambulante Versorgung, das Kreiskrankenhaus oder aber auch der öffentliche Gesundheitsdienst. Gerade die aktuelle Corona-Lage zeigt, wie wichtig eine funktionierende gesundheitliche Versorgung ist. Nach der Errichtung des Medizinischen Versorgungszentrums in Freiensteinau habe man weitere Anfragen von Kommunen bekommen, nicht nur im Bezug auf Hausärzte, sondern auch in Sachen fachärztlicher Versorgung. Hier will der Kreis nun prüfen, ob man auch Angebote mit Fachärzten schaffen könnte.
Zentrales Thema sei jetzt vor allem auch der Neubau der Kreiskrankenhauses. „Das wird uns lange begleiten“, betonte Mischak – beispielsweise die finanzielle Abwicklung des rund 80-Millionen-Euro-Projektes. Ein erster wichtiger Schritt ist hierbei die Gründung einer „Krankenhaus-Neubau-Kommission“, die soll am kommenden Montag, in der konstituierenden Sitzung des Kreistages, erfolgen.
Neue Aspekte im GroKo-Vertrag
Neben diesen Themen spielen natürlich auch die Bereiche Schule und Bildung, Familie, Jugend und Soziales, Landwirtschaft und Ländlicher Raum, Finanzen, Umwelt-und Klimaschutz oder auch das Ehrenamt eine wichtige Rolle. Apropos Klimaschutz und Ehrenamt – das sind unter anderem Bereiche, in denen die Große Koalition neue Aspekte im ihren Vertrag verankert hat. So will diese die Stelle eines hauptamtlichen Klimaschutzbeauftragten schaffen. Dieser soll im Amt für Hochbau, Energie- und Gebäudemanagement angesiedelt sein und sozusagen dafür sorgen, den Co2-Ausstoß in den Liegenschaften des Kreises zu reduzieren.
Ebenfalls neu ist die Schaffung einer „Stabsstelle Ehrenamt“, hierdurch soll das ehrenamtliche Engagement im Kreis noch besser unterstützt und gefördert und verschiedene Bereiche der Ehrenamtsarbeit auf Kreisebene gebündelt, optimiert und weiter ausgebaut werden. Das Ehrenamt sei ein „Ausdruck einer lebendigen Gesellschaft“ wie Krug betonte und die Ehrenamtlichen im Kreis würden einen unschätzbaren Beitrag leisten, der unverzichtbar sei. Darüber hinaus soll auch zukünftig ein hauptamtlicher Sportkoordinator in der Kreisverwaltung die rund 230 Sportvereine bei ihrer Arbeit unterstützen und wieder eine Sportkommission errichtet werden.
Eigeninitiative ergreifen will der Vogelsberg nun auch beim Thema Grundwasserschutz. Hier habe man in der Vergangenheit schon Beschlüsse gefasst, was sich der Kreis vom Rhein-Main-Gebiet wünsche und auch erwarte, wie Schottens Bürgermeisterin Susanne Schaab erklärte. „Mit der Erstellung einer eigenen Studie verlassen wir den Bereich politischer Appelle und des Abwartens und nehmen es selbst in die Hand“, so Schaab.
*) Doch, so darf man sich nennen, denn so heißt (angeblich) eine neue Komödie im Privatfernsehen (https://www.dailymotion.com/video/x817hal).
Kommentar:
Träume sind Schäume. Und die verwandeln sich schnell in Schaum vorm Mund, wenn man diesen Witz von einem GroKo-alitionsvertrag liest, der angeblich „den Vogelsbergkreis als attraktiven Wohn-, Lebens und Arbeitsort weiterentwickeln“ und bewirken soll, dass der VB aus der Pandemiekrise gestärkt hervor geht.
Was konkret will man denn machen, wenn das Geld für den KKA-Neubau ausgegeben ist und „das Kreis-Känguru“ nur noch mit seinem leeren Beutel herum springt (siehe oben)? Hier die „Eckpfeiler“ des Programms „Vogelsberg modern und zukunftsfähig“ und das Trommelfeuer der Angebote für Zuzugswillige:
(1) Wir setzen ein „klares Zeichen“;
(2) Wir bekennen uns weiterhin klar;
(3) Wir legen uns den ÖPNV als Baustein für einen klimafreundlichen Vogelsbergkreis ans Herz;
(4) Wir beauftragen eine Machbarkeitsstudie zum Ausbau der Vogelsbergbahn;
(5) Wir gründen eine „Krankenhaus-Neubau-Kommission“;
(6) Wir schaffen eine „Stabsstelle Ehrenamt“;
(7) Wir prüfen die Errichtung medizinischer Versorgungszentren nicht nur für Haus-, sondern auch für Fachärzte;
(8) Wir schaffen die Stelle eines hauptamtlichen Klimaschutzbeauftragten;
(9) Wir errichten eine Sportkommission und ernennen einen hauptamtlichen Sportkoordinator;
(10) Wir nehmen den Gewässerschutz selbst in die Hand, erstellen eine eigene Studie und „verlassen den Bereich politischer Appelle und des Abwartens“.
Ambitioniert klingt das nicht, eher wie die To-do-Liste eines Dorfbürgermeisters.
Wenn der nicht mehr aktive Vulkanismus der Destination Vogelsberg unter der Marke „Vulkan aktiv“ schon nicht zum weltweiten Durchbruch verhelfen konnte, so kann man wenigstens eine neue Dachmarke entwickeln. Wie wäre es mal wieder mit einem Dachmarken-Wettbewerb, um die Kreativität des Bergvolks zu triggern.
Damit ein geiles Ding geling, versuch es mal mit Marketing. Schließlich gehört klappern zum Handwerk. Und vielleicht kann das laute Klappern ja über die handwerklichen Schwächen hinweg täuschen. Da fast die gesamten Finanzmittel in den Neubau des Kreiskrankenhauses in Alsfeld fließen werden, wird „Vogelsberg modern und zukunftsfähig“ wohl darin bestehen, das Kreiskänguru mit dem leeren Beutel zu Weitsprungwettbewerben anzumelden. Sportevents sind sowieso das beste Mittel, die Bevölkerung von den wirklichen Problemen abzulenken.
Da war ein Meister seines Faches am Werk! Großer und kleiner Koalitionspartner deutlich zu unterscheiden an der Größe des Partei-Aufstellers im Hintergrund und der Zahl der „Repräsentanten“ davor. Und wie dann der Genosse Krug den Koalitionsvertrag blind unterschreibt (Brille liegt auf dem Tisch!) – unnachahmlicher Symbolkraft des Fotos.
Durch die Wahlergebnisse geschwächt will man nun „vor allem […] aus dieser Corona-Zeit gestärkt hervorgehen“, erklärt uns Dr. Mischak, schwächelt aber schon bei der Prämisse der angekündigten goldenen Zeiten: „Immer mehr Menschen ziehe es nämlich in den ländlichen Raum, so dass man hier auch Angebote schaffen müsse.“
Der massenhafte Zuzug aus den Ballungsgebieten aufs Land findet nur leider gar nicht statt. Das Handelsblatt schreibt zwar:
„Eine neue Phase der ‚Suburbanisierung‘ hat eingesetzt, wie es das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ausdrückt. Die Metropolen wachsen zwar weiterhin (!!!), allerdings nur wegen des Zuzugs junger Menschen und Migrant*innen.“
Tja, der in den Metropolen zuziehende junge Mensch ist vorher irgendwo anders weg gezogen, z.B. aus dem Vogelsberg. „Die übrigen Gruppen“, die es laut Handelsblatt „zunehmend raus aufs Land“ zieht, bleiben zumeist im Umland der Großstädte und kommen nur zum geringsten Teil dort an, wo Hase und Igel dem Wolf gute Nacht sagen. O-Ton Handelsblatt: „Mit Ausbruch der Pandemie berichteten zahlreiche Immobilienunternehmen, dass immer mehr Menschen Richtung Vorort ziehen.“ Auch wenn Landrat Görig das mitunter anders darstellt: Lauterbach und erst recht nicht Stumpertenrod oder Schlechtenwegen sind k-e-i-n-e Vororte von Frankfurt.
Sehr interessant das Thema Wirtschaft, zu dem sich der Alsfelder Bürgermeister äußert. Er spricht für eines der wenigen Mittelzentren entlang der Fernverkehrswege, die den Vogelsbergkreis gerade noch am Rande streifen. „Mit dem Vertrag möchten wir ein klares Zeichen setzen, dass der Vogelsberg wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven hat“. Hat er aber eben nur dort. Der Rest des Vogelsbergs ist abgehängte Region, deren auspendelnde Bewohner die Nachbarlandkreise zum Erblühen bringen. Was heißt da „Fachkräftesicherung“? Die Fachkräfte bildet man vielleicht noch aus. Doch ihr Geld verdienen sie im „Ausland“ jenseits der Kreisgrenzen. Und „die Ausweisung von Gewerbegebieten“ ist schon ein paar Kilometer von BAB und Vogelsbergbahn nicht zu empfehlen, insbesondere so lange „die flächendeckende Breitbandversorgung“ hinter der Entwicklung in anderen Regionen her hinkt. Stichwort „Dorf- und Regionalentwicklung“: Da fehlt es den Kreisoberen anscheinend an solidem Fachwissen, wird die Regionalentwicklung hier doch ersichtlich der „Dorfentwicklung“ zu- und untergeordnet. „Entwicklung einer Dachmarke“ ist da ein Witz, ebenso wie das Destinationsmodell der Tourismusförderung, die – gerade w-e-g-e-n der Digitalisierung anderswo – längst überholt ist. „Vulkan aktiv“ war nie eine erfolgreiche „Dachmarke“, bestenfalls eine Dackelmarke. Der Rest ist Flashmob vorm Supermerkt.