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Grabungen am Alsfelder MarktplatzWeist neuer Grabungsfund auf das „Haus am Glockenturm“ hin?

ALSFELD (ol). Auf dem Alsfelder Marktplatz wird im Zuge der Marktplatzsanierung ziemlich viel gegraben – und nicht selten kommt dabei Verborgenes zum Vorschein, von dem bislang nur gemutmaßt wurde, ob es wirklich existierte. Einen solchen Fall gibt es jetzt wieder: Bei den Grabungen wurde neben dem Rathaus ein alter Gewölbekeller gefunden. Weist der Fund auf das „Haus am Glockenturm“ hin? Erste Hinweise auf die Existenz eines solchen Gebäudes liefert der Alsfelder Stadtarchivar Karl Dotter, erklärt Stadtarchivar und Historiker Michael Rudolf. Ein Gastbeitrag.

Alsfelds Geschichte ist vielschichtig, interessant, spannend und oft geheimnisvoll, insbesondere dann, wenn Verborgenes ans Tageslicht kommt, von dem nur gemutmaßt wird, dass es existieren könnte.

Die aktuelle Grabung am Rande des Alsfelder Marktplatzes in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses Markt 2 und dem Rathaus gegenüberliegend weist einmal mehr auf Mauerreste hin, mit deren Hilfe das bereits Bekannte aus der Geschichte des Ortes bestätigt werden kann beziehungsweise aus denen neue Erkenntnisse über ein Gemeinwesen am Vorabend seiner 800-Jahrfeier zu gewinnen sind.

Im Zusammenhang mit der Marktplatzsanierung sei „ein überraschend großes Kellergewölbe hinter dem Rathaus freigelegt worden“, heißt es in einer Pressenotiz, die im weiteren Verlauf das bis dato Entdeckte mit altem Gemäuer und Torbogen aus Sandstein, einer jüngeren Mauer aus Backstein, die bei „Renovierungsarbeiten“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine Heizungsanlage entstanden sei, und anderes mehr beschreibt.

Mit den folgenden Zeilen, die als eine erste Annäherung an das bisher Gefundene zu verstehen sind und der Sachverhalt weitere Recherchen nach sich ziehen wird, soll der thesenartige Versuch einer primären Einordnung des aktuellen Fundes und damit der Versuch einer frühen Klärung des zu Tage Getretenen aus historischer Sicht unternommen werden. Die Grundlagen des hier Dargebotenen bieten die Ausarbeitungen des verdienten Alsfelder Lehrers und Stadtarchivars Karl Dotter (1878 – 1940), die in den Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins Alsfeld erschienen sind (M. GAVA 7. R., 1936, Nr. 7, S. 73 ff.).

Dotter bezieht sich in seinen Beiträgen über die „Bewohner des Alsfelder Marktplatzes“, so ist zu vermuten, auch auf jene Stelle der momentanen Grabung, indem er schreibt, dass neben dem „Lipphardtschen Haus“ (heute Markt 2) „am Glockenturme der Walpurgiskirche noch ein Gebäude“ gestanden habe, das „1850 von der Stadt angekauft und abgebrochen worden“ sei.

Alsfelds ehemaliger Stadtarchivar notiert, dass „der Keller dieses Gebäudes einige Jahre vor seiner Publikation“, ohne eine Jahresangabe vorzunehmen (vermutlich jedoch 1910), „bei Anlage einer Heizung vom Weinhaus zur Walpurgiskirche zum Vorschein“ kam. Dotter schreibt weiter, dass „der Keller herausgebaut“ war, „und der Besitzer eine jährliche Abgabe dafür an die Stadt zu zahlen“ hatte. „Zwischen dem jetzigen Haus Markt 2 und dem Glockenturm“ habe sich „der Stall des Besitzers“ befunden.

Alsfelds Lokalhistoriker nennt eine Reihe von Besitzern des Gebäudes beziehungsweise des Gebäudekomplexes und gibt interessante Einträge über die Gestalt und Verortung des Hauses sowie die Eigentums- und Wohnverhältnisse wieder, deren wichtigste hier zur Aufhellung des Grabungsbefundes paraphrasiert werden.

Obgleich sich bis dato über das Haus nicht alles klären lasse, so der Autor, sei ein erster Besitzer aufgrund eines „Eintrages im Ratsbuch“ greifbar: „1509. Bürgermeister und Rat verkaufen Albrecht Stotzel oo Katharina unsre Hobstatt, gelegen zwischen dem Kirchhof und Johannes Wetters Haus […], von dem Glocktorn (Turm der Walpurgiskirche) an bis an das Rathaus und die Hütten, da jetzo der Goltschmit in pflegt zu arbeiten, dass sie dieselbe solche Hobstatt und Kirchmauern mögen bauen. Auch ist beredt, dass er den Winkel zwischen dem Kirchthorn und Johann Wetters Stall und Hoffraid zumachen kann, für 30 gute rheinische Gulden.“

Karl Dotter vermutet, dass sich zwischen diesem Haus und dem Rathaus ein „Rost“ befunden habe. Die Wortbedeutung ist unklar, aber es könnte sich um eine Art „liegendes Gitter, eine Matratze aus Metallen“ handeln, sodass Tiere, die sich – wie im Mittelalter auch noch zu Beginn der frühen Neuzeit – in der Stadt frei bewegten, nicht einfach auf den Marktplatz laufen oder von dort nicht ausbrechen konnten. Obschon weitere Erklärungen denkbar sind, war der „Rost“ so gefertigt, dass ihn Fuhrwerke unproblematisch passierten. Auf der gegenüberliegenden Seite, an der Ecke des früheren Kirchhofes und der angrenzenden Oberen-Fulder-Gasse, dem späteren Haus „Zum Ratseck“, welches in den Alsfelder Archivarien mehrfach als „Haus am Kirchhof und am Rost“ genannt wird, befand sich ebenso ein solcher (vgl. M. GAVA 7. R., 1935, Nr. 5, S. 46).

Als Besitzer des Hauses am Glockenturm erscheinen in Dotters Beitrag der Ratsherr Henrich Wick, der „auch das Nachbarhaus zur Kirchen“ besaß (Dotter, S. 73). Eine Notiz vom 7. Juni 1575 gibt Kenntnis über den baulichen Zustand des Gebäudes, indem dem Bürger Henrich Wick „vergönnet“ wurde, dass „er an seiner Behausung ufm Kirchhof, am Glockenturm gelegen, seine unterste Seiten eineinhalb Schuh, sofern dem obersten Uebersatz gleich, soll herausbauen“ (ebd., S. 73). Diesem folgte sein Sohn Elias Wick, der vom Ausgang des 16. bis ins erste Drittel des 17. Jahrhunderts lebte.

Weitere namhafte Hausbesitzer folgen, die in Dotters Beitrag genannt sind, deren Familiengeschichte angedeutet ist, deren Berufe mitgeteilt werden und die somit einen Platz in der Stadtgeschichte erhalten haben. Nach dem Tode des Buchbinders Johann Georg Kurtz, der zudem an der örtlichen Mädchenschule tätig war, und nach dem Ableben seiner zweiten Frau erwarb die Stadt Alsfeld das Gebäude 1849 und ließ es ein Jahr später abreißen.

Diese wenigen Notizen mögen behilflich sein, um als Initial weitere Studien anzuregen und folglich nach tiefgründigen Erkenntnissen zu streben, um in einer Symbiose von historischen Befunden und archäologischen Forschungsergebnissen die einen oder anderen noch ungelösten Rätsel in einer Stadt aufzuhellen und um die gewonnenen Erkenntnisse dem Mosaik ihrer jahrhundertealten Geschichte anlässlich des bevorstehenden Jubiläums hinzuzufügen.

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