Vogelsberger Kitas in der Corona-KriseEin Gefühl von „wieder einmal haarscharf“ an einer Infektion vorbei
HOMBERG OHM (ls). Deutschland ist im Lockdown. Die Geschäfte und Restaurants haben geschlossen, in den Schulen ist der Präsenzunterricht ausgesetzt. Die hessischen Kitas hingegen sind weiterhin geöffnet. Auch bei Erziehern im Vogelsberg wächst die Sorge vor einer Ansteckung – wenn auch deutlich weniger Kinder in den Kitas sind, als es normalerweise der Fall wäre.
Anders als in anderen Bundesländern sind die Kitas in Hessen nicht geschlossen, sondern geöffnet. Bei einer Schließung oder einem Betretungsverbot hätte man für eine Notbetreuung für die Kinder sorgen müssen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, so wie im März. Die Festlegung dieser Berufsgruppen sei eine bürokratische Herausforderung gewesen, erklärte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vor über einer Woche nach den neusten Beschlüssen des Corona-Kabinetts.
Es blieb also bei einem Appell der Landesregierung an die Eltern, wo immer es möglich sei, die Kinder zuhause zu betreuen und sie nur im Notfall in die Kitas zu schicken. Wie viele Kinder also in die Kitas kommen, entscheiden letztendlich die Eltern selbst. Und während Bouffier das erklärte, mehrten sich die Kommentare besorgter Eltern unter dem Livestream, die darüber berichteten, dass die Kitas zu voll seien.
Bildungsgewerkschaft GEW fordert Einrichtung eines Notdiensts
Auch die Bildungsgewerkschaft GEW beklagte, dass die hessischen Kitas trotz der Landes-Empfehlungen zu voll seien und befürchtet, dass die Betreuung in den Kitas bis Mitte Februar noch weiter zunehmen werde. Die Forderung: ein Notdienst soll eingerichtet werden. Schon jetzt würden Erzieherinnen und Erzieher zu den Berufsgruppen mit dem höchsten Erkrankungsrisiko gehören, erklärte GEW-Vorsitzende Birgit Koch. Ein „Weiter so“ im Regelbetrieb könne es nicht geben, Erzieher würden sich von der Politik vergessen fühlen.
„Angesichts der hohen Infektionszahlen der vergangenen Wochen ist die Angst deutlich größer geworden“, erklärt Hombergs Bürgermeister Claudia Blum über die Befürchtungen der Erzieher in den vier städtischen Kitas. In der Kita Hochstraße würden derzeit wöchentlich durchschnittlich 36 bis 42 Kinder von normalerweise 108 Kindern kommen, in Büßfeld seien es sechs bis acht Kinder von 19, in der Kita in Nieder-Ofleiden acht bis elf von 25 und im Krabbelhaus seien derzeit durchschnittlich 14 bis 24 Kinder von normalerweise 34.
In den Ü3-Einrichtungen seien es durchschnittlich etwas weniger als die Hälfte der sonst angemeldeten Kinder, einen besonders starken Rückgang würde man in der Nachmittagsbetreuung spüren. „Ein Großteil der Eltern bringt die Kinder nur für die absolut notwendigen Zeiten und versucht die Anwesenheitszeit in der Einrichtung auf ein Minimum zu reduzieren“, erklärt Blum.
Deutlich weniger Kinder in den Kitas
Im Krabbelhaus, also der städtischen U3-Betreuung, seien weiterhin fast zwei Drittel der sonst angemeldeten Kinder – und das auch meist für die komplette Dauer der gewohnten Betreuungszeit. Es scheine, so mutmaßt die Bürgermeisterin, schwieriger zu sein für Kinder unter drei Jahren eine alternative Betreuung zu organisieren. Hier müsse allerdings bedacht werden, dass viele Eltern beruflich oft stark eingebunden seien. Im Großen und Ganzen seien die meisten Eltern dem Appell der Landesregierung gefolgt.
Auch in den städtischen Kitas in Alsfeld und in Lauterbach berichtet man von einem deutlichen Rückgang der Kinder. 142 Kinder sind es in der derzeitigen Lage, die die fünf städtischen Kitas in und um Lauterbach besuchen, 370 Kinder seien es normalerweise. In Alsfeld kommen auf normalerweise 241 Kinder der fünf städtischen Kita-Standorte in Alsfeld, Leusel, Angenrod und den beiden Standorten in Berfa derzeit 89 Kinder. Auch hier seien die Befürchtungen der Erzieher vor einer Ansteckung präsent.
Sorge bei Vogelsberger Erziehern wächst
„Die Sorge der Mitarbeiter steigt und oft herrscht das Gefühl vor, ‚wieder einmal haarscharf‘ der Ansteckung entgangen zu sein. Dann beispielsweise, wenn Eltern mitteilen, dass sie sich selbst infiziert haben oder als Kontaktperson gelten und mit ihren Kindern unter Quarantäne-Auflagen stehen“, berichtet Blum aus den Kitas in Homberg Ohm. Das liege vor allem daran, dass man nah an den Kindern arbeite und das „Risiko einer Ansteckung trotz guter Hygienekonzepte höher“ sei als an einem isolierten Büroarbeitsplatz. Gleichzeitig würde der gefühlte Druck der Mitarbeiter wachsen, da in der Kita viele Haushalte aufeinander treffen würden.
Seit dem ersten Lockdown in März wurden für die vier Kitas individuelle Hygienekonzepte erarbeitet. Die Gruppen werden streng getrennt, Kinder und auch Erzieher der einzelnen Gruppen nicht untereinander vermischt, sodass auch hier die Kontakte auf ein Minimum reduziert werden – sogar Teamsitzungen finden als Telefon- oder Videokonferenzen statt. Zusätzlich würden Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen – mit den Kindern wird gemeinsam das Händewaschen geübt. „Die Wegeführung leitet Eltern und Kinder der unterschiedlichen Gruppen an verschiedene Eingänge, um Begegnungsverkehr zu vermeiden“, erklärt Blum. Für Eltern herrsche eine strenge Maskenpflicht während, die Mitarbeiter alle zwei Wochen von einem Arzt in der Einrichtung getestet werden.
Dennoch herrscht auch in Homberg Unverständnis gegenüber der Regelungen des Landes, auch hier hätte man sich klare Regelungen gewünscht, wie sie es beispielsweise im Frühsommer 2020 gab. Damals wurden die hessischen Kitas geschlossen und lediglich eine Notbetreuung eingerichtet. Diese Lösung hätten sich, so erklärt die Bürgermeisterin, einige der Homberger Erzieher gewünscht.
Seid froh, dass ihr gebraucht werdet und macht euren Job! Statt Angst solltet ihr euch für eine leistungsgerechte Bezahlung einsetzen, immerhin habt ihr mit der Betreuung der Kleinsten eine der wichtigsten Aufgaben in diesem Land.
Dieses Gejammere geht aber gar nicht – andere Berufe beinhalten auch massive Risiken, und das sogar in Zeiten ohne Corona.