Corona, A49 - und was uns sonst noch bewegteDas war 2020 – der große OL-Jahresrückblick
ALSFELD (ls/akr). Corona hier, „Danni“ da, 2020 war ein Jahr, das man sicherlich so schnell nicht vergessen wird – auch nicht hier im Vogelsberg. Was die Menschen in der Vulkanregion bewegte: zusammengefasst im großen OL-Jahresrückblick.
Januar
Für die Stadt Alsfeld begann das Jahr 2020 nicht sonderlich schön. Nur einen Tag nach Neujahr hatte die Alsfelder Stadtverwaltung ein Schreiben bekommen – nicht aber einen verspäteten Weihnachtsgruß oder gute Wünsche fürs neue Jahr. Es war ein Donnerstagmorgen, als plötzlich eine anonyme, verdächtige Mail auftauchte, in der kurz und knapp zusammengefasst stand: „Ihre Daten wurden verschlüsselt, nehmen sie Kontakt auf, dann sagen wir Ihnen, was es kostet, sie zu entschlüsseln“.
Daraufhin hat die Stadt alle Server heruntergefahren und die Polizei verständigt. Auf die Erpresser-Nachricht selbst hat man nicht reagiert. Die Polizei Osthessen und auch das LKA nahmen die Ermittlungen auf, betreut wurde der Fall durch die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main. Nur wenige Tage später hatte die Stadt dann den Offline-Modus beendet und war wieder elektronisch erreichbar.
Aufregung gab es unterdessen auch in der Nachbargemeinde Schwalmtal. Dort hatte ein Imker feststellen müssen, dass insgesamt sechs Bienenvölker verstorben waren. Die Bienen waren auf einer frei zugänglichen Wiese im Bereich des Waldrands von Storndorf in Richtung Windhausen aufgestellt. Die traurige Gewissheit lieferten Experten: Die Tiere wurden gezielt getötet – und zwar mit einem Fliegenspray, wie man es im Haushalt einsetzen kann.
Anfang das Jahres sorgte auch die neu eingeführte „Bonpflicht“ bundesweit für ordentlich Gesprächsbedarf. In Alsfeld war es vor allem eine „Protestaktion“ gegen die neue Vorschrift, die so manch einen sicherlich zum Schmunzeln brachte. Wohin nur mit den ganzen Kassenzetteln, die wegen den Vorgabe nun anfallen? „Am Besten ab zu den Experten damit“, dachte sich wohl ein Vogelsberger – und stellte dem heimischen Finanzamt einen ganzen Haufen davon zur Verfügung. Die Kassenzettelflut im Briefkasten des Alsfelder Finanzamtes ging ziemlich viral und darf deshalb im Jahresrückblick sicherlich nicht fehlen.
Die Kassenzettelflut beim Finanzamt. Foto: privat
Der Weiterbau der A49 war neben der Corona-Pandemie das Top-Thema hier im Vogelsberg. Waren es in diesem Jahr eigentlich so gut wie immer A49-Gegner, die den Verkehr auf den Straßen lahm legten, waren es Anfang Januar Befürworter der Autobahn – wenn auch nur für wenige Minuten. Anwohner aus Leusel und Angenrod blockierten an einem Dienstagnachmittag die Ortsdurchfahrt von Leusel, um Bürgermeister Stephan Paule die Unterschriften zu übergeben, die sie in den vergangenen Wochen für den Weiterbau der A49 gesammelt hatten.
Insgesamt 619 Unterschriften kamen dabei zusammen. „Wir sind nicht gegen Umwelt und Naturschutz. Natürlich sollen Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschützt werden, aber wir Menschen entlang der B62 wünschen uns auch Schutz, und zwar vor ständig steigendem Verkehrsaufkommen mit allen Konsequenzen, besonders Lärmbelästigung“, betonte Mit-Initiatorin Anette Schmidt aus Leusel.
Mitten auf der Hauptstraße übergaben A49-Befürworter im Januar 2020 Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule die Unterschriften aus der Sammlung von 2019 für den Bau der Autobahn – und legten den Verkehr für ein paar Minuten lahm. Foto: archiv/akr
Im Herbst 2018 hatte sich die Alsfelder Innenstadt über drei Wochen lang in eine zauberhafte Filmkulisse, beziehungsweise in „Crailsfelden“, die Stadt aus dem Film „Die Wolf-Gäng“ verwandelt. Knapp eineinhalb Jahre mussten sich die Alsfelder gedulden, bis sie im Januar endlich ihr historisches Städtchen über die Kinoleinwand flimmern sehen konnten. Einige Alsfelder durften den lang ersehnten Film bereits vor Kinostart stehen. Auch wir von Oberhessen-live hatten die Ehre, denn wir waren bei der Premiere des Films im Kinopolis Main Taunus in Sulzbach dabei – und da haben wir natürlich auch mit den Stars und Sternchen auf dem Roten Teppich geplaudert.
Hat die Deges tatsächlich ihr Wort gebrochen und einfach mit den Rodungsarbeiten für den Weiterbau der A49 begonnen, obwohl das Klageverfahren des BUND noch nicht entschieden war und die Ausgleichsmaßnahmen gerade in der Gemarkung Maulbach noch nicht erfüllt wurden? Diese Frage stand ebenfalls im Januar im Raum, als Barbara Schlemmer vom Aktionsbündnis Keine A49 die Presse alarmierte, dass im Maulbacher Wald in der Meisebach Rodungen für die A49-Trasse stattfinden würden. Nun, ganz falsch lag sie damit nicht. Bei den Fällungen handelte es sich aber nicht um die großflächigen Rodungen, die bereits im vergangenen Jahr starten sollten, sondern um vorbereitende Maßnahmen. Für Schlemmer war das dennoch eine „Straftat“.
Eine Nachricht, die sicherlich nicht nur in Alsfeld hohe Wellen schlug, war die, dass der Kartoffelsack am Alsfelder Marktplatz schließen wird – und zwar bereits zum 31. Januar. Mehr als 20 Jahre betrieb Wirtin Martina Becker mit ihrem Mann das Lokal hinter dem historischen Rathaus. Dass die beiden aufhören würden, wurde bereits im Oktober vergangenen Jahres bekannt gegeben, doch dass die Schließung nun doch früher kam als gedacht, stimmte sicherlich viele Gäste traurig.
Knapp zehn Monate später dann die gute Nachricht: Der Kartoffelsack hat einen neuen Pächter. Izet und Gabriele Kelmendi übernehmen das beliebte Lokal. Neben dem Namen und der Einrichtung bleibt auch das Konzept gleich: Deutsche Hausmannskost, die Kartoffel im Fokus. Sobald es die Corona-Pandemie zulässt, soll der Kartoffelsack unter dem neuen Pächter-Ehepaar eröffnen.
Izet und Gabriele Kelmendi, die neuen Pächter des Kartoffelsacks.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte am 23. Januar die rechtsextremistische Gruppe „Combat 18 Deutschland“ verboten. Insgesamt 210 Polizeibeamte durchsuchten die Wohnungen führender Vereinsmitglieder in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Hessen. Auch in Lauterbach gab es am diesen Tag eine solche Durchsuchung bei einem Anhänger der Vereinigung. Gemeldet, so erklärte es Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller auf Anfrage von OL, sei der Mann allerdings nicht in der Kreisstadt.
Die Schellengasse in Alsfeld soll für über ein Jahr gesperrt werden – diese Nachricht sorgte Ende Januar nicht nur bei den Autofahrern und Geschäftsleuten für ordentlich Aufruhr. „Die Geschäfte werden zu jeder Zeit zugänglich sein“, versprach Bürgermeister Stephan Paule im Gespräch mit Oberhessen-live. Im April sind die Arbeiten zur Sanierung der Hauptverkehrsader in Alsfeld gestartet, mittlerweile befinden sie sich in der Winterpause, im Frühjahr soll es dann an die restlichen Bauabschnitte gehen. Trotz Verzögerungen rechnet Hessen Mobil immer noch mit einer Fertigstellung im Sommer 2021. Hier gibt es nochmal alle Artikel zur Schellengassen-Sanierung.
Februar
Im Herbst vergangenen Jahres wurde bekannt, dass das Traditionsgeschäft Ramspeck einen Nachfolger sucht – und der wurde in diesem Februar gefunden. Dabei handelte es sich keineswegs um einen Unbekannten, beziehungsweise Unbekannte: Barbara Schönenberg, ehemalige Inhaberin von „BarBera Möbel & More“, hat das Ramspeck seit dem 2. Mai gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Dieter Lang übernommen. Dass das Sortiment gleich geblieben ist und so auch der Charme des Ladens erhalten wurde, freute sicherlich nicht nur die Alsfelder.
Nachfolge gefunden: Barbara Schönenberg und ihr Lebensgefährte Dieter Lang übernehmen im Ramspeck.
Im Februar raste ein Auto in den Rosenmontagszug in Volkmarsen bei Kassel. Zahlreiche Menschen, darunter auch Kinder, wurden verletzt. Als Folge darauf wurden aus Sicherheitsgründen vorsorglich alle Rosenmontagsumzüge in ganz Hessen abgesagt. Vor wenigen Tagen, am 18. Dezember, hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage gegen den Autofahrer erhoben. Wie Zeit-Online berichtet, wird dem 30-Jährigen versuchter Mord in 91 Fällen, gefährliche Körperverletzung in 90 Fällen und ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen.
Erinnern Sie sich noch daran, als aus Alsfeld kurze Zeit Crailsfelden wurde? Nicht aber im Film „Die Wolf-Gäng“, sondern in echt – zumindest wenn es um die Ortsschilder der Stadt geht. Die wurden offenbar von Wolf-Gäng-Fans gekapert, die Hinweise auf Crailsfelden befanden sich nämlich in verschiedenen Größen an mehreren Eingängen zur Stadt.
Alsfelder Ortsschilder anscheinend von „Die Wolf-Gäng“-Fans gekapert
Ende Februar hatte das Coronavirus den Vogelsberg zwar noch nicht erreicht, aber Hessen – und zwar den Lahn-Dill-Kreis. Grund genug, um mal bei der Vogelsberger Kreisverwaltung nachzufragen, wie man sich auf einen Ausbruch hier im Kreis vorbereitet hat. Welche Vorkehrungen wurden getroffen? Was ist zu tun, wenn man befürchtet, sich infiziert zu haben und wie kann man sich vor einer Ansteckung schützen?
März
Leere Supermarktregale, soweit das Auge reicht, Anfang März waren die Hamsterkäufer im Vogelsberg los: Klopapier, Desinfektionsmittel, Konserven und Produkte wie Reis, Nudeln und Co – die suchte man in den Lebensmittelmärkten vergebens, die Regale waren teilweise wie leer gefegt. Ob die Vogelsberger geahnt haben, dass nur wenige Tage später der erste Corona-Fall im Vogelsberg auftreten wird?
Wie Sie sehen, sehen Sie fast nichts: Ein gut geleertes Regel in einem Supermarkt.
Die Nachricht kam an einem Donnerstagabend: Im Vogelsberg gab es den ersten bestätigten Corona-Fall. Eine 21-jährige Frau aus dem westlichen Kreisgebiet hatte das Wochenende gemeinsam mit Freundinnen in Berlin verbracht und bei einem Bekannten übernachtet. Der wurde am Montag nach dem Wochenende positiv auf Corona getestet. Daraufhin informierte das Berliner Gesundheitsamt die Frau aus dem Vogelsberg. Sie ließ sich testen, der Test fiel positiv aus. „Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen“, betonte man auf der Pressekonferenz im Kreishaus, in der man über den ersten Fall und das weitere Vorgehen berichtete.
Überschwemmte Straßen, Dauerregen und unzählige Feuerwehreinsätze: Das Wetter im Vogelsbergkreis hatte sich in den letzten Tagen nicht unbedingt von der besten Seite gezeigt, aber in der Nacht vom 10. auf den 11. März hatte es mit dauerhaften Regenfällen besonders stark zugeschlagen. Einen umfassenden Überblick über die Unwetter-Einsätze im Vogelsberg mit vielen Bildern und Videos gab es bei uns im Liveticker.
Der Hessische Fußball-Verband (HFV) hat Mitte März eine Entscheidung getroffen, die vor allem Fußballfans ziemlich traurig gestimmt haben dürfte: Der komplette Fußball-Betrieb in sämtlichen Spielklassen – von der Hessenliga bis in die untersten Klassen – wurde abgesagt. Knapp einen Monat lang, also bis Ostern, sollte es keine Fußballspiele in der Region geben. Dass später dann auch noch die komplette Restsaison abgesagt werden würde, wusste zu diesem Zeitpunkt vermutlich niemand.
Das Coronavirus hatte aber nicht nur Auswirkungen auf den Fußball-Betrieb, sondern auch auf die Abiturienten der Albert-Schweitzer-Schule: Während das Kultusministerium ankündigte, alle Abiturienten freizustellen, entfiel für die Schülerinnen und Schüler des Alsfelder Gymnasiums schon vor dem Wochenende der verbleibende Unterricht. Die Abiturienten durften die Schule nur noch für die Abiturprüfungen betreten.
Im März ging es dann schließlich mit den ersten Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens los – zumindest was Veranstaltungen betrifft. Zunächst hatte der Vogelsbergkreis Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern verboten, nach und nach wurde die Anzahl immer weiter reduziert, auf 100, wenige Tage später auf 20, bis man schließlich, so wie es die Landesregierung dann forderte, bei maximal fünf Personen angelangte.
Übrigens: in diesem Monat sind wir auch mit unserem Liveticker an den Start gegangen, in dem man über mehrere Monate lang alle wichtigen News und Infos zum Coronavirus im Vogelsberg fand. So zum Beispiel die Entscheidung des Bundes und der Länder über den ersten Lockdown, bei dem das gesellschaftliche Leben weitestgehend heruntergefahren wurde: Geschäfte, Kitas, Schulen, Freizeiteinrichtungen – so gut wie alles wurde geschlossen. Wie reagierte der lokale Einzelhandel auf diese Krise? Wie sah es mit der Notbetreuung in den Kitas aus? Das steht hier nochmal zusammengefasst.
Gute Nachrichten gab es dann am 20. März, da teilte das Gesundheitsamt des Vogelsbergkreises nämlich mit, dass ein erster Corona-Patient als genesen galt. Dennoch kamen so gut wie täglich neue Corona-Fälle hinzu.
Einen großen Einsatz für die Alsfelder Brandschützer gab es Ende März: In der Obergasse stand ein Dachstuhl eines Fachwerkhauses in Flammen. Rund 80 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Alsfeld und Homberg waren im Einsatz. Eine Person wurde von den Feuerwehrleuten aus dem Gebäude gerettet. In der Nacht mussten die Helfer dann nochmals zur selben Adresse ausrücken, wieder brannte der Dachstuhl. Der Eigentümer des Hauses, in dem übrigens auch das „Kännchen“ untergebracht war, bezifferte den Sachschaden auf einen sechsstelligen Betrag.
April
Gleich zu Beginn des Aprils gab es eine traurige Nachricht. Während sich die Zahl der aktiven Corona-Fälle seit Tagen bei einer Anzahl von etwa 50 einpendelte, gab es den ersten Todesfall im Vogelsberg: Ein 55-Jähriger ohne nennenswerte Vorerkrankungen hatte die Covid-19-Infektion nicht überlebt.
Mit traurigen Nachrichten ging es weiter. Es war ein Samstagnachmittag, als ein Mann in einer Kleingartenanlage in der Alsfelder Beerenwiese getötet wurde. Bei dem Opfer handelte es sich um den 47-jährigen Leszek M, der von Ali B. mit einem Fäustel in seiner Kleingartenanlage erschlagen wurde. Ende September startete der Prozess gegen B. vor dem Gießener Landgericht, der Angeklagte hatte die Tat gestanden. Er sei „nicht er selbst gewesen“, als er mehrere Male mit voller Kraft auf M. einschlug. Knapp zwei Monate später fiel das Urteil: Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Blumen am Tatort, kurz nach dem Verbrechen. Foto: ol/Archiv
Wie ist das eigentlich, wenn man sich freiwillig in Quarantäne begibt, zwei Wochen mit dem Partner auf 75 Quadratmetern verbringt, dann auch noch die Ergebnisse der Corona-Tests scheinbar verschwunden sind und man ständig in der endlosen Warteschleife am Telefon hängt? Marie G. berichtete aus ihrem Leben in freiwilliger Corona-Quarantäne. Den ausführlichen Bericht gibt es hier. Wer sich vor Corona und damit einer Quarantäne schützen wollte, der war auf der Suche nach einem Gegenstand, der eher in Arztpraxen zum Alltag gehört – und plötzlich Mangelware war: Mund-Nasen-Masken. Fürs Krankenhaus Eichhof nähten Freiwillige – und auch die Alsfelder Textilfirma Grünewald GmbH, besser bekannt unter dem Markennamen „Arabella“, stellte ihre Produktion auf die begehrten Stückchen Stoff um.
Keine Veranstaltungen, geschlossene Restaurants aber ein prallgefülltes Lager – und zwar voller Fassbier, und wegen der fehlenden Abnahme drohte es abzulaufen. Das durfte nicht passieren, dachte sich Ralf Müller, Inhaber des Getränkegroßhandels „Müller und Sohn“ in Lauterbach. Der saß nämlich auf rund 70.000 Euro Fassbier fest und rief deshalb die Aktion „Rettet das Fassbier“ ins Leben. „Keine Veranstaltungen“ stimmt übrigens nicht ganz. Georg und Theresa Damrath begeisterten gemeinsam mit Max Altstadt und Bernd Gies Nachbarn und Spaziergänger in Romrod am Ostermontag mit einem Balkon-Konzert – so, wie es sie auf der ganzen Welt in diesen Tagen gab.
100 bestätigte Fälle und drei Todesfälle – das war die Corona-Bilanz des Vogelsbergs am 11. April. Wo steht die Region in der Corona-Pandemie und wie wird die Lage hier im Kreis eingeschätzt? Das wollten wir von Gesundheitsdezernent Jens Mischak wissen und haben ihn zur Oberhessen-live Talkrunde „Das Thema“ eingeladen.
Erst war es eine Empfehlung, dann wurde es zur Pflicht: Ende April führte die Hessische Landesregierung die Maskenpflicht ein – und das obwohl es zunächst hieß, dass es eine generelle Maskenpflicht in Deutschland vorerst nicht geben wird. Seitdem ist die Mund-Nasen-Bedeckung ein täglicher Begleiter im Alltag. Was dachte man im Vogelsberg über diese Entscheidung? Fanden die Bürger die Maskenpflicht gut oder doch übertrieben? Wir wollten es wissen.
Wer einen geliebten Menschen verliert, befindet sich im emotionalen Ausnahmezustand. Noch schwieriger wird es, wenn trauernde Angehörige in Zeiten des Coronavirus Abschied nehmen müssen. Seit der Corona-Krise gelten nämlich auch für Trauerfeiern und Beerdigungen strenge Vorschriften. Welche Vorschriften das sind und was die Pandemie für seine Arbeit bedeutet, darüber hat Oberhessen-live mit Bestatter David Tauscher gesprochen.
Bestatter David Tauscher.
Der wohl wichtigste und meistgelesene Artikel für dieses Jahr ging Ende April online, geschrieben von unserer Redakteurin Luisa Stock. Sie war zu Besuch auf der Intensivstation des Krankenhauses Eichhof in Lauterbach, hat dort die Intensivpfleger bei ihrer Arbeit begleitet. Lesen Sie hier nochmal die eindrucksvolle Reportage über einen Ort, an dem es bedrückend still sein kann, obwohl es um Leben und Tod geht.
Mai
Nur einen Monat nach dem Mord in der Kleingartenanlage in der Alsfelder Beerenwiese gab es wieder ein Verbrechen – und zwar in der Alsfelder Obergasse. Ein 35-Jähriger Mann aus Syrien hatte seine Frau mit einem Gipserbeil erschlagen und ist anschließend mit den drei gemeinsamen Kindern geflüchtet. Seit Anfang November steht der Angeklagte vor Gericht. Ein Urteil wird im Januar erwartet.
Die Obergasse kurz nach der Tat. Foto: Archiv/ls
Die Tage des STI-Werks in Grebenhain schienen gezählt, das Unternehmen kündigte im Mai eine „Verlagerung“ der Aktivitäten aus dem Grebenhainer Werk an. Der Standort galt länger als veraltet und schon in der Vergangenheit gab es in der Fabrik massive Einschnitte. Im August dann die Entscheidung: Das STI-Werk in Grebenhain schließt zum Ende des Jahres – „ein schwieriger und schmerzhafter Schritt, aber auch sehr wichtig für die Zukunft des Unternehmens“, betonte Jakob Rinninger, CEO der STI Group.
Gute Nachrichten gab es unterdessen für die Gastronomie, Hotels und Freizeiteinrichtungen. Restaurants, Gaststätten, Cafés sowie Biergärten durften ab dem 15. Mai wieder öffnen, natürlich unter Beachtung der Abstandsregeln und Hygienekonzepte, gleiches galt für die Hotels, die wieder ihren Betrieb zu touristischen Zwecken aufnehmen durften. Ab dem 9. Mai durften auch wieder Theater, Museen und weitere Kultureinrichtungen ihre Pforten öffnen.
Öffnen dürfen, allerdings nur unter strengen Hygienekonzepten – konnte dieses System überhaupt funktionieren und wie sollte es mit der Wirtschaft in der Region weitergehen? Darüber sprach Luisa Stock mit Jens Ihle, Mark Philippi und Rüdiger Muth in der Oberhessen-live Talkrunde zum Thema: „Die Zeit nach Corona: Wie kommt der Vogelsberg aus der Krise?“ Doch nicht nur mit Ihle, Philippi und Muth sprach unsere Redakteurin, sondern auch mit Kanzleramtschef Dr. Helge Braun. Als Mediziner ist die rechte Hand der Kanzlerin in der Corona-Krise besonders in den Fokus gerückt. Im Interview mit Oberhessen-live erklärte er, was er als Arzt und Politiker von den Öffnungen hält, wann die letzte Corona-Regel fällt – und welchen Vorteil der Vogelsberg in der Pandemie hat.
Im Mai stand dann auch fest: Großveranstaltungen werden mindestens bis zum 31. August verboten – das Aus für die Volksfeste in der Region. Damit war es dann auch offiziell, dass es weder einen Prämienmarkt, noch einen Pfingstmarkt geben wird. Ganz auf den Alsfelder Pfingstmarkt musste man aber nicht verzichten, zumindest nicht auf den traditionellen Fassbieranstich mit der musikalischen Umrahmung der Show and Brass Band. Der fand nämlich ganz einfach online statt, sodass die Alsfelder ganz bequem von zuhause aus daran teilnehmen konnten. Übrigens: einige Tage zuvor fand bereits das erste Corona-Livekonzert auf OL statt.
Nicht mehr nur in Großstädten gingen die Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Regeln zu demonstrieren, sondern auch in Alsfeld – und dabei verschwamm die Grenze zwischen dem Einsatz für Grundrechte in Krisenzeiten und kruden Thesen mitunter. Einige sprachen dabei sogar von einer „Diktatur“, gegen die man sich wehren müsse. Mit diesem und anderem Quatsch untergraben die Demonstranten selbst ihre Glaubwürdigkeit, kommentierte OL-Chefredakteur Juri Auel.
Juni
Nachdem bereits zu Beginn des Jahres die Rodungsarbeiten zum Neubau der Kita Wichtelland in der Feldstraße stattfanden, konnten dann im Juni auch endlich die Rohbauarbeiten starten, gefeiert wurde das mit dem offiziellen Spatenstich. Lesen Sie hier nochmal alles zum Kita-Neubau.
Im Juni ist ein 50-jähriger Mann aus Alsfeld vor dem Alsfelder Schöffengericht wegen Besitz und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Bilder und Videos zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. „Die Dateien zeigen die schwerste Form des Kindesmissbrauchs“, betonte die Staatsanwältin. Es war nicht das erste Mal, dass der Mann sich vor Gericht verantworten musste und auch nicht das erste Mal, dass er ein Gefängnis von innen sehen sollte.
Im Juni war es die Nachricht überhaupt: Die Kamax kündigte an, ihr Werk in Alsfeld bis zum Sommer 2021 zu schließen. Das Unternehmen argumentierte mit Umsatzeinbußen, die durch die Corona-Pandemie verschlimmert worden seien. Das brisante dabei: Eigentlich gab es einen Ergänzungstarifvertrag, der eine Werksschließung ausschloss.
An der Stadthalle versammelte man sich dann für Kundgebungen. Foto: ls
Die Kamax-Mitarbeiter gingen in Alsfeld auf die Straße und demonstrierten gegen die angekündigte Werksschließung. Einer von ihnen erzählte in einem anonymen Protokoll bei OL, wie es sich wie es sich anfühlte, trotz der drohenden Kündigung jeden Tag zur Arbeit zu gehen.
Und dann gab es da noch die Sache mit dem anderen Kamax-Werk in der Slowakai. Dort wird weiter expandiert, während das Alsfelder Werk schließen soll. Ist das Kalkül oder Zufall? Der Frage ging OL nach und konnte mithilfe einer örtlichen Lokalzeitung in der Slowakai über die Vorgänge berichten.
In ganz Deutschland waren in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni unzählige Gebäude rot erleuchtet. Auch im Vogelsberg wurden viele Veranstaltungsstätten in ein mahnendes, rotes Licht getaucht. Hintergrund war die bundesweite Aktion „Night of Light“, die auf die dramatische Situation der Veranstaltungsbranche in der Corona-Krise aufmerksam machen wollte.
In ein rotes Licht gehüllt: Die Villa Raab in Alsfeld. Foto: Heiser
Hat das Land Hessen bei der Planung des Weiterbaus der A49 gegen wichtige Wasserschutzrechte verstoßen? Naturschützer waren vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gezogen, um diese Frage klären zu lassen. Die Richter wiesen die Klage des BUND am 23. Juni ab – auch wenn sie einen Rechtsfehler bemängelten. Wie unter anderem die Vogelsberger Politiker auf dieses Urteil reagierten? Die Reaktionen im Überblick.
Gerüchte gab es schon seit einigen Tagen, offiziell wurde es dann am 25. Juni, als Bürgermeister Stephan Paule in seinem Bericht aus dem Magistrat in der Alsfelder Stadtverordnetenversammlung bekannt gab, dass ein Nachfolger für den Pranger gefunden wurde – und zwar Irina Bogucanin, die ehemalige Betreiberin des Kännchens.
Irina Bogucanin hat den Pranger übernommen.
Weil es im Juni 14 Corona-Tests in Folge waren, deren zunächst positives Ergebnis sich im Nachhinein als falsch herausstellte, forderten Landrat Manfred Görig und Gesundheitsdezernent Dr. Jens Mischak die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) auf, das Untersuchungslabor zu wechseln. Daraufhin meldete sich die KVH zu Wort und wies die Kritik des Vogelsbergkreises aufs Schärfste zurück. Doch nicht nur das, sie zog aus der Auseinandersetzung um die Zuverlässigkeit von Testergebnissen Konsequenzen und schloss das Corona-Testcenter in Alsfeld. Nur knapp einen Monat später eröffnete der Kreis sein eigenes Testcenter. Doch was hatte es mit den angeblich falschen Corona-Tests im Vogelsberg auf sich? Luisa Stock begab sich auf eine medizinische Spurensuche.
Was es mit den angeblich falschen Corona-Tests im Vogelsberg auf sich hat
Juli
Während Geschäfte und die Gastronomie wieder öffnen durften, herrschte in den Krankenhäusern noch immer Besuchsverbot. Seit mehreren Wochen schon. Wie kommt man damit zurecht, wenn man einen geliebten Menschen beim Kampf zurück ins Leben nicht persönlich zur Seite stehen kann? Eine Familie aus dem Vogelsberg erzählte uns ihre emotionale Geschichte.
Neun Wochen lang hatte es im Vogelsberg keinen Corona-Fall mehr gegeben. Am 3. Juli kam dann die Nachricht: Ein 29-jähriger Mann aus dem nördlichen Vogelsberg hatte sich mit dem Virus infiziert. Nur knapp eine Woche gab es einen Corona-Fall in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Alsfeld. Die komplette Unterkunft wurde unter Quarantäne gestellt und die mehr als 40 Bewohner auf das Virus getestet. Das Ergebnis: Keiner der anderen Bewohner hatte sich infiziert.
Die Gemeinschaftsunterkunft.
Nachdem der BUND im Juni mit seiner Klage gegen den Bau der A49 gescheitert ist, gab die Deges Anfang Juli bekannt, dass im Herbst der Ausbau der Autobahn starten wird. Darüber hinaus appellierte sie an die Gegner der A49, die Arbeiten nicht zu behindern, jedwede Eskalation zu vermeiden und die Besetzung des Dannenröder Waldes zu beenden. Nun, der Appell der Deges wurde nicht gehört, wie man in den kommenden Monaten sehen sollte.
Eigentlich hätten sie das ganze Jahr über auf Bühnen gestanden und ihrem Publikum ordentlich eingeheizt – doch alle Auftritte des Musikverein Leusel wurden abgesagt. Doch sollte man wirklich das ganze Jahr auf die Klänge der Musiker verzichten? Nein – denn in der Alsfelder Stadthalle wurde der erste OL-Online-Frühshoppen mit dem MVL veranstaltet, natürlich unter den vorgeschrieben Hygieneregeln. Auf die Musik und die gute Stimmung musste man also nicht verzichten. Sie haben den Frühshoppen verpasst? Kein Problem, den können Sie sich hier ganz einfach nochmal anschauen.
Tschüss Mietwohnung und Hallo moderne Rettungswache hieß es unterdessen in der Nachbarstadt Kirtorf. Nach vier Jahren gehörte die provisorische Rettungswache, die auf dem Hof der Familie Korell untergebracht war, nämlich endlich der Vergangenheit an. Los ging es mit dem Bau im September 2019 und nicht mal ein Jahr später konnte die Rettungswache mit einer Gesamtfläche von rund 277 Quadratmetern offiziell übergeben werden.
Ebenfalls im Juli ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall in Grebenhain. Ein 49-jähriger Lkw-Fahrer aus Schwalmtal geriet mit seinem Sattelauflieger von der Fahrbahn ab, prallte gegen zwei geparkte Autos, kippte anschließend zur rechten Seite um und kam im Garten eines Anwohners zum Liegen. Der Fahrer wurde unter der Lkw-Kabine eingeklemmt und musste durch die Feuerwehr Grebenhain und den Rettungsdienst befreit werden. Er wurde schwer verletzt mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus transportiert. Die Bergung des Lkw hat mehrere Stunden gedauert.
Der Unfall in Grebenhain. Foto: Sahra Krahn
Eine exklusive Nachricht teilten wir Ende Juli mit unseren Lesern: Bei Hartmann Spezialkarosserien in Alsfeld sollten 21 Stellen wegfallen. Hartmann befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem sogenannten Schutzschirmverfahren, einer Besonderheit des deutschen Insolvenzrechts, in dem das Unternehmen die Möglichkeit hat, sich de facto in Eigenregie zu sanieren. Gute Nachrichten gab es dann wenige Monate später: Das Amtsgericht Gießen hatte das Schutzschirmverfahren aufgehoben, 90 Mitarbeiter konnten ihre Jobs behalten.
August
Anfang August war es dann auch wieder Zeit für eine Oberhessen-live Talkrunde. „Ist der Protest gegen die A49 nach dem Urteil in Leipzig überhaupt noch legitim?“ lautete die Fragestellung der siebten Talkrunde, mir der sich Dr. Wolfgang Dennhöfer, Vorsitzender des BUND Vogelsberg, Erster Kreisbeigeordneter Jens Mischak, Rechtsanwalt Holger Siebert und Lou Fichtner, eine Besetzerin aus dem Dannenröder Wald, auseinandersetzten.
Seit September des letzten Jahres hatten Aktivisten den Dannenröder Wald besetzt, um die Rodung der Bäume für den Bau der A49 zu verhindern und den Ausbau zu stoppen. Im Oktober sollten dann auch die Bäume fallen. Ein großer Widerstand aus verschiedenen Aktivisten, Bewegungen und Bündnissen formierte sich. Unter dem gemeinsamen Namen „Aktionsbündnis Autokorrektur“ kündigten sie ihren Protest an. Immer wieder sprachen sie von „zivilem Ungehorsam“ für den Klimaschutz.
🔴 LIVE: Pressekonferenz mit FFF, @keinea49, @Sand_imGetriebe und @Ende__Gelaende aus dem #DanniBleibt https://t.co/hoHY0fZkXl
— Fridays For Future Germany (@FridayForFuture) August 7, 2020
Es war ein großer Einsatz für über 200 Einsatzkräfte an einem Sonntagnachmittag Anfang August: Bei Höckersdorf in der Gemeinde Mücke kam es zu einem ausgedehnten Flächenbrand von rund 7.000 Quadratmetern. Von zwei Feldern aus breitete sich der Brand in Richtung eines angrenzenden Waldes aus. Mit Hilfe einiger Landwirte, die mit ihren Traktoren und mit Wasser befüllten Güllefässern bereits versuchten den Brand auf dem Feld abzulöschen, machten sich die insgesamt über 200 Brandschützer der Freiwilligen Feuerwehren aus der Gemeinde Mücke, Grünberg, Ulrichstein, Homberg (Ohm), und Laubach an die Löscharbeiten, um eine weitere Ausbreitung des Feuers in den Wald zu verhindern.
Der Streit um die A49 in Homberg spitzte sich immer weiter zu. Einige Stadträte und die Bürgermeisterin Claudia Blum forderten die grüne Stadträtin Barbara Schlemmer zum Rücktritt auf. Sie würde der Stadt schaden und den Rechtsstaat mit Füßen treten, sie sei nicht mehr in der Lage, die Vorgänge bezüglich der A49 sachgerecht einzuordnen. Die Magistratsmitglieder hielten die Aktivitäten von Barbara Schlemmer als Sprecherin des Aktionsbündnisses Keine A49 mit ihrem Amt als Stadträtin für nicht mehr vereinbar und sahen in diesen Aktivitäten und Äußerungen eine grobe Verletzung ihrer Dienstpflichten als Stadträtin. Für Schlemmer kam ein Rücktritt jedoch nicht in Frage: „Mein Amt als Stadträtin der Stadt Homberg (Ohm) werde ich weiter nach bestem Wissen und Gewissen bis zum Ende meiner Amtszeit ausüben.“ Dem neuen Magistrat will Schlemmer nicht mehr angehören.
Barbara Schlemmer ist nicht nur Sprecherin des Aktionsbündnis Keine A49, sondern auch Stadträtin in Homberg Ohm.
Dass der Wolf-Gäng-Hype in Alsfeld noch lange nicht vorbei ist, das zeigte sich im August, als sich das Außengelände der Villa Raab in eine Open-Air-Filmbühne verwandelte und der beliebte Kinofilm über die drei mutigen Freunde aus Crailsfelden über die Leinwand flimmerte. Doch nicht nur das Open-Air-Kino per se war ein Highlight, sondern vor allem auch die Tatsache, das die Stars des Films nicht nur auf der Leinwand zu sehen waren, sondern höchstpersönlich vor Ort waren, um gemeinsam mit den Alsfeldern einen besonderen Abend zu verbringen.
Schnelles Internet ist nicht erst seit gestern ein Thema in Romrod. Als aber die Firma TNG Stadtnetz GmbH versprach, den Menschen in der Schlossstadt echte Breitbandgeschwindigkeiten zu liefern, und zwar mit einem kostenlosen Glasfaseranschluss, nahm das Thema nochmal Fahrt auf. Für diesen kostenlosen Anschluss brauchte es nämlich eine Beteiligung von 40 Prozent der Haushalte. Romröder Bürger appellierten daraufhin an andere Bürger, sich einen Glasfaseranschluss anzuschaffen und so schnelles Internet für die ganze Stadt zu ermöglichen. Nun, die Romröder haben es dann doch tatsächlich geschafft, die 40 Prozenthürde zu knacken, auch wenn es länger gedauert hatte, als in anderen Gemeinden. Der Ausbaustart wurde für Frühjahr 2021 angesetzt.
Das Alsfelder Stadtfest musste ausfallen, doch den Alsfeldern sollte trotzdem was geboten werden: Mit Pflasterflair gab es eine Art digitales, dezentrales Fest in der Stadt. In zig Livestreams gab es Dinge wie Kochevents, Livemusik und gar eine Modenschau. Die Werbeagentur vobitz, mit der Oberhessen-live eng verbunden ist und welche die Federführung bei dem Vorhaben übernahm, erhielt dafür später den Deutschen Agenturpreis in der Kategorie „B2C – Beste Landingpage“.
September
Der Kampf um den besetzen Dannenröder Wald nahm langsam Fahrt auf, die Polizei erhöhte ihre Präsenz im Wald und stieß dabei auf ein Drahtseil, was die Beamten hätte verletzten können. Wie das Seil in die Bäume gekommen ist, steht bis heute noch nicht fest. Zeitgleich gab es ein ziemlichen Hickhack über Protestcamps, die die Aktivisten einrichten wollten. Kurz und bündig: Das Regierungspräsidium Gießen hat drei von vier Protestcamps gegen die A49 verboten. Die Gegner der A49 hatten dennoch angekündigt, an den entsprechenden Orten Zelte aufzuschlagen. Das RP schuf die rechtliche Grundlage, dass die Polizei die Camps räumen kann. Die Aktivisten klagten. Urteil über Urteil flatterte also herein.
Protestcamps für bis zu 8000 Mann hatten die Gegner der A49 angemeldet, zwei Lager wurden erlaubt, wenn auch der Start der Aktivisten zunächst schleppend verlief. Und dennoch haben sie die Behörden erfolgreich an der Nase herumgeführt, kommentierte OL-Chef Juri Auel damals.
Die A49-Gegner haben sich blamiert – und dennoch einen Sieg errungen
Unterdessen gab es bereits die ersten Blockade-Aktionen der Aktivisten – und das, obwohl die Rodungen noch gar nicht begonnen hatten. Aus Protest gegen das Schlafverbot in den Protestcamps hatten die Aktivisten angekündigt, die B62 zu blockieren und einfach dort zu übernachten zu wollen. Und tatsächlich ist das gelungen. Am nächsten Abend sollte eine ähnliche Aktion starten, die OL begleitete, allerdings war die Polizei dieses Mal vorbereitet, der Weg war versperrt.
Dann gab es tatsächlich den ersten größeren Polizeieinsatz im besetzen „Danni“. Barrikaden sollten dabei von den Rettungswegen geräumt werden und gleichzeitig gab es einen Vorgeschmack auf das, was bald kommen würde.
Mit Sitzblockaden sollte die Räumung der Rettungswege verhindert werden. Foto: archiv
Aber auch deutschlandweit führte die Nachrichtenlage vermehrt in den Vogelsberg – dieses Mal nicht wegen dem Wald. In dem NSU 2.0-Skandal um Drohschreiben mit rechtsradikalem Inhalt an bekannte Personen, für die Daten von hessischen Polizeicomputern abgegriffen worden sein sollen, geriet offenbar ein Frankfurter Polizist, der ein Haus in Kirtorf hat, stärker in den Fokus der Ermittler.
Außerdem lockte ein anderer Fall auch überregionale Medien in den Vogelsberg: Der Fall des Homberger Hackers, der vor dem Alsfelder Amtsgericht verhandelt wurde. Ein Schüler aus Homberg (Ohm) spähte die persönlichen Daten von etwa 1.000 Politikern und Prominenten aus, soll sie im Internet verbreitet haben und sorgte damit für bundesweites Aufsehen. Schon 2019 zeigte sich der Schüler geständig, im Oktober musste er sich vor Gericht verantworten und wurde zu einer Jugendstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.
Homberger-Hacker zu Jugendstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt
Oktober
Pünktlich zu Beginn der Rodungssaison ging es dann wirklich los: Die Fäll- und Räumarbeiten für den Weiterbau der umstrittenen Autobahn 49 starteten – allerdings zunächst im Herrenwald bei Stadtallendorf.
Auf die Polizei, so erklärte man es einen Tag vorher auf der Pressekonferenz, wartete eine „schwierige und komplexe“ Aufgabe. Die Aufgabe der Polizei sei es, alle Meinungen im Wald gleichermaßen zu beschützen. Die Polizei selbst stehe dabei auf neutralem Boden und wolle nach dem Motto „Sicherheit vor Schnelligkeit“ agieren. Im Laufe der Maßnahme wiesen Aktivisten die Polizei mehr und mehr auf das Motto hin und warfen ihr vor, sich nicht daran zu halten.
Im Zuge der Arbeiten kamen fast täglich neue Gerichtsentscheide über Sachen wie Sitzblockaden oder Protestcamps, die entweder genehmigt oder aber abgelehnt wurden. Und während im Herrenwald die Rodung begonnen hatte, traf man sich am Sportplatz in Dannenrod zu einer großen Protest-Demo, bei der sich mehrere Tausend Menschen einfanden – unter anderem auch bekannte Politiker. Im Laufe der Rodungsarbeiten sollte das nicht die einzige Kundgebung gegen die Rodung des Waldes bleiben. Noch am gleichen Tag forderten die Bundesgrünen ein Moratorium für alle neuen Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland. Mehr und mehr nahm das Thema damit Fahrt auf, mehr und mehr fiel das Wort „Polizeigewalt“ in diesem Zusammenhang.
Hierzu erschien auf OL ein Kommentar von Redakteurin Luisa Stock, die den Aktivisten den Tipp gab, sich mit diesen teils unbegründeten Äußerungen über „Polizeigewalt“ nicht unglaubwürdig zu machen. Ein zentraler Punkt des Kommentars: Es ist wichtig, zwischen legitimer und illegitimer Gewalt durch Staatsvertreter zu unterscheiden.
Angebliche Polizeigewalt: Die A49-Gegner setzen ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel
Gleichzeitig kursierten immer wieder Handyvideos im Netz, die angebliche Gewalt der Polizei zeigten. Ein Fall in Maulbach, wo ein Anwohner durch einen Polizisten zu Boden gerungen wurde, sorgte für besonderes Aufsehen. Aber auch die Polizei musste im Oktober einiges einstecken. So wurde beispielsweise in Lehrbach ein Polizeibus attackiert. Der Twitteraccount @keinea49, ein wichtiges Sprachrohr der Besetzer, schrieb dazu: „Macht kaputt, was euch kaputt macht! Jede Räumung hat ihren Preis“. Seitens der Politik allerdings verurteilte man die Tat. Das ganze Stück mit vielen Reaktionen können Sie hier lesen.
Auch mit waghalsigen Aktionen machten die Aktivisten auf sich aufmerksam: Immer wieder seilten sich autonome Kleingruppen von Autobahnbrücken ab – einmal geschah sogar ein schwerer Unfall im Stauende der A3 bei Idstein. Wenige Tage später seilten sich erneut Aktivisten von anderen Autobahnbrücken ab, diesmal allerdings landeten auch elf der dort festgenommenen Ausbaugegner in Untersuchungshaft. Sie sind inzwischen wieder frei.
Auch in Alsfeld seilten sich Aktivisten im Oktober zum Rodungsstart von der Autobahnbrücke auf der A5 und sorgten für einen langen Stau. Foto: archiv/akr
Wie weit darf der A49-Protest noch gehen und wo hat er seine Grenzen? Diese Frage war Thema in der OL-Talkrunde „Das Thema“, wo mit Elke Müller vom Aktionsbündnis „Keine A49“, Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule, Kriminaldirektor Jochen Wegmann und Ralf Müller vom Evangelischen Dekanat Vogelsberg diskutiert wurde.
Während der „Danni“ im Oktober fast schon omnipräsent war, kam die Corona-Pandemie noch erschwerend hinzu – die nämlich nahm so langsam wieder Fahrt auf, kräftiger als sogar noch im Frühjahr. Ein zweiter Lockdown schien unvermeidbar: OL-Redakteurin Alina Roth ist also losgezogen und hat die Alsfelder befragt, was sie davon halten. Eine Zahl war nach und nach bei Corona weiter in den Fokus gerückt. Wichtig waren nicht mehr nur die Anzahl der Infizierten und der R-Wert, der angab, wie viele Personen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, sondern der Inzidenzwert. Er gibt an, wieviele Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner gerechnet es innerhalb von sieben Tagen gegeben hat. Mitte Oktober riss der Vogelsberg erstmals die als kritisch definierte Marke von 35, drei Tage später folgte die von 50. „Für private Zusammenkünfte und Feierlichkeiten in den eigenen vier Wänden wird eine Höchstteilnehmerzahl von 10 Personen oder zwei Hausständen ausdrücklich empfohlen“, verkündete der Kreis.
Gleichzeitig stand eine wichtige Entscheidung stand ins Haus: Wie geht es mit dem Kamax-Werk in Alsfeld weiter? Nun, das wird geschlossen, der Ergänzungstarifvertrag wird aufgelöst und eine Transfergesellschaft gebildet. Einen ganzen Tag über hatten sich Mitarbeiter der Kamax vor der Villa Raab versammelt und auf die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Geschäftsleitung gewartet.
Vor der Villa Raab warteten die Kamax-Mitarbeiter am letzten Verhandlungstag auf eine Entscheidung. Später sollte IG-Chef Stefan Sachs erklären, dass es ein „schmerzlicher Kompromiss“ sei. Foto: archiv/ls
November
Olaf Dahlmann gewann die Wahl zum Bürgermeister in Wartenberg. Foto: archiv/akr
Trotz Corona-Pandemie war 2020 auch ein Jahr der Wahlen – im Vogelsberg und in den USA. Während hier in drei Vogelsberger Kommunen neue Bürgermeister gewählt wurden – wohlgemerkt: Neue Bürgermeister gab es nicht, es blieb sowohl in Freiensteinau, als auch in Lauterbach und Wartenberg bei den Amtsinhabern – ruhten die meisten Blicke wohl auf der Präsidentschaftswahl in den USA, wo sich am Ende der Demokrat Joe Biden gegen Amtsinhaber Donald Trump durchsetze. Gerd Ludwig, Top-Fotograf mit Wurzeln in Alsfeld und einem Wohnsitz in Los Angeles, hat die Wahl hautnah miterlebt und OL davon berichtet.
Im Dannenröder Wald war es zu diesem Zeitpunkt noch ruhig – die Ruhe vor dem Sturm sozusagen. Während im Herrenwal bei Stadtallendorf die Rodungsarbeiten fortschritten, war OL nochmal zu Besuch im besetzen Wald und brachte eine Fotoreportage über das Leben der Aktivisten mit.
Ein Eindruck aus dem Leben im Dannenröder Wald, ehe die Rodungen begonnen hatten. Foto: archiv/kd
Der Konflikt um die Autobahn schwelte aber weiter. Zum Beispiel mit Briefen an die Bürger in Kirtorf, die sich später als Fake herausstellten. Die Briefe erweckten den Anschein, als seien sie von der Polizei, die Privatleute bat, Beamten bei sich aufzunehmen, damit das Corona-Risiko von der Polizei auf die Bevölkerung umgeschichtet werde. Wenige Tage später sollten die Arbeiten im Wald tatsächlich beginnen – die Polizei rechnete mit starkem Widerstand, was sich bewahrheiten sollte. Im Laufe des Monats spitze sich die Lage im Wald mehr und mehr zu. Es kam zu Unfällen, bei denen Aktivisten bei Stürzen aus großen Höhen verletzt wurden und immer wieder kam es zu Angriffen auf die Polizei.
Dabei sollte es nicht bleiben. Gegen Ende des Monats sollte es zu drei Brandanschlägen kommen – in Bad Hersfeld eine Asphaltmaschine, in Bieben ein Gebäude eines Forstbetriebs und in Nieder-Ofleiden brannte ein Bagger. Alle drei Unternehmen sind am Bau der Autobahn beteiligt, in allen Fällen tauchen Bekennerschreiben auf, die auf einen Bezug zum Protest gegen die A49 hindeuten. Auch im Wald selbst kam es im Laufe des Monates zu weiteren Vorfällen. Besonders der Vorfall um eine kirchliche Beobachterin sorgte für Aufregung. Die Frau wurde von der Polizei niedergerungen. OL versuchte in einer größer angelegten Recherche, die Vorkommnisse bestmöglich zu rekonstruieren. Im November sprachen wir auch mit den Anwohnern in Dannenrod, deren Dorf plötzlich in allen Nachrichten war und die sich teilweise von der mächtigen Polizeipräsenz vor Ort eingeschüchtert fühlten.
Ein weiter Blick auf den Dannenröder Wald im Dezember: Die Schneise war hier schon gut zu erkennen. Foto: archiv/ssb
Während im Wald selbst gerodet und geräumt wurde, wurde am Waldrand – und dennoch im Bereich der künftigen Trasse – ein großes Logistikzentrum der Polizei errichtet. OL-Redakteurin Alina Roth hat diesem Gelände gleich zu Beginn einen Besuch abgestattet.
Während das Coronavirus in den Sommermonaten eine kleine Verschnaufpause einlegte, kam es im Laufe des Novembers dafür mit großer Macht zurück: Die Neuinfektionen nahmen rasant zu, auch die Todeszahlen stiegen an. Corona war zu diesem Zeitpunkt auch in den Altenheimen angekommen – und sorgte dort für hohe Infektionszahlen und Ausnahmesituationen.
Corona in Vogelsberger Altenheimen: „Hinter jedem Tod steckt ein Mensch“
Das ganze Jahr über wartete man auf die guten Nachrichten, Ende November gab es einen entscheidenden Schritt: Innerhalb von zwei Wochen sollte in jedem Landkreis ein Corona-Impfzentrum errichtet werden. Für den Vogelsberg wählte man dazu die Alsfelder Hessenhalle aus – eine „enorme Herausforderung“, wie Landrat Manfred Görig die Aufgabe beschrieb. Sechs Impfstraßen sollten dort nach den ersten Planungen eigentlich errichtet werden, am Ende sah das Impfzentrum dann doch etwas anders aus als geplant. Mittlerweile hat das Impfen zwar begonnen, allerdings noch nicht im Impfzentrum selbst. Hier kann man allerdings schon einmal einen Blick auf die dortigen Abläufe bekommen.
Dezember
Schon längere Zeit steht das Gelände, auf dem sich noch bis 2019 die Firma Welle Möbel in Alsfeld befand, leer. Im Dezember wurde bekannt: Das Gelände ist verkauft. Karl Georg Graf zu Solms-Laubach hat das Gelände erworben. Der Diplom-Förster hat in Grünberg ein Schwedendorf gebaut – und könnte sich in Alsfeld ein ähnliches Projekt vorstellen. Feste Pläne hat der Graf allerdings noch nicht.
Neben Corona war die vergangenen zwölf Monate der Zank um die A49 mit Abstand das beherrschende Thema der Region. Mit dem „Danni“ ging es dann doch schneller vorbei, als gedacht. Noch vor Weihnachten – 29 Tage nach dem Beginn der Arbeiten im Dannenröder Wald – ist der letzte Baum auf dem künftigen Trassenverlauf gefallen, sind die Baumhäuser geräumt.
“Wir können diesen Einsatz definitiv als Erfolg werten”, resümierte die Polizei nach dem Abschluss der Arbeiten, machte allerdings klar, dass die Arbeit rund um den Bau der A49 damit noch nicht getan ist und der Einsatz weiter geht. Das zeigte sich auch auf der Seite der Autobahngegner, denn nur weil die Räumung beendet ist, sind die Aktivisten nicht verschwunden. Sie haben angekündigt, den Bau weiter blockieren zu wollen.
Im Dezember überschritt der Vogelsberg dann die 200er-Marke, also den Grenzwert zur schwarzen Eskalationsstufe in Sachen Corona. Seither gibt es eine nächtliche Ausgangssperre, die die Vogelsberger auch noch bis in den Januar begleiten wird.
Eine Frau, die im Konflikt um die A49 omnipräsent schien, war Barbara Schlemmer. Während sie für die Autobahngegner zur vorbildlichen Identifikationsfigur wurde, war sie für Befürworter der A49 eine Projektionsfläche für jegliche Kritik. Eine streitbare Persönlichkeit, die eine zentrale Rolle gespielt hat. Deshalb – und ausdrücklich nicht aufgrund ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der A49- wurde die Homberger Grünen-Politikerin von der OL-Redaktion zur Person des Jahres 2020 gewählt. Der Artikel löste einen Sturm der Entrüstung aus. In einem Podcast erklärte OL Ende Dezember schließlich, wie es zur Wahl Schlemmers kam – und warum die Redaktion zu ihrer Wahl weiterhin steht.
Ein Blick auf eine der Demos am Dannenröder Sportplatz. Foto: archiv
Das Jahr war damit allerdings noch nicht vorbei, Corona sogar fast auf dem Höhepunkt. Das Eichhof in Lauterbach war kurz vor Weihnachten so voll wie nie zuvor, an ein „normales“ Weihnachtsfest war für die Ärzte und Pfleger dort nicht zu denken. Einen kleinen Lichtblick gab es allerdings doch noch: Am Sonntag nach Weihnachten startete die wohl größte Impfaktion in der Geschichte Deutschlands – und auch im Vogelsberg ging es los. Mit mobilen Impfteams ging es in zwei Vogelsberger Altenheime, wo 45 Bewohner und 41 Mitarbeiter die ersten Corona-Impfungen im Kreis bekamen.
Drei Intensivpfleger berichten: „Am Anfang wurden wir noch beklatscht, dann wurden wir vergessen“
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