Urteil im Gießener Landgericht gefallenMord in Alsfelder Beerenwiese: Lebenslange Haft für Ali B.
ALSFELD (akr). Es war der 4. April, als Leszek M. in seiner Parzelle in der Alsfelder Beerenwiese getötet wurde. Sein Parzellennachbar Ali B. hatte die Tat gestanden. An diesem Dienstag ist im Gießener Landgericht das Urteil gefallen: Ali B. ist wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.
Mehrmals wurde dem Opfer Leszek M. mit einem 1,2 Kilogramm schweren Hammer auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen. Der Täter Ali B. hatte die Tat bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung gestanden – und auch im Gerichtssaal zeigte sich der Angeklagte geständig. „Ich habe richtig mit Kraft zugeschlagen“, sagte Ali B. am ersten Tag des Prozesses. Er habe jedoch nie gewollt, dass M. zu Schaden komme. Er sei nicht bei sich, sei nicht „normal“ gewesen.
Seit mehreren Wochen musste sich der Angeklagte nun schon vor Gericht verantworten. An diesem Dienstag ist das Urteil gefallen: Der 37-Jährige muss eine lebenslange Haftstrafe verbüßen, die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt.
Zunächst aber zurück zum Anfang, denn zu Beginn des Verhandlungstages wurden erst noch vier Beweisanträge gestellt – drei von der Nebenklage und einer vom Verteidiger. Nebenklage-Anwalt Ralf Kuhn forderte unter anderem, dass zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nochmals Zeugen geladen werden, beziehungsweise die Zeugenaussagen verlesen werden. Nicht aber hinsichtlich des Tattages, sondern bezüglich der Vorstrafen des Angeklagten. Seiner Meinung nach sei der Vorfall mit der Bierflasche, „ein Musterbeispiel“ für versuchten Mord, beziehungsweise Todschlag und keinesfalls schwere Körperverletzung gewesen.
Kritik am psychologischen Gutachten
Verteidiger Ralf Alexander Becker brachte einen Antrag ein, der die „erheblich verminderte Schuldfähigkeit“ feststellen sollte. In diesem kritisierte er das psychologische Gutachten des Sachverständigen, der dem Angeklagten vergangene Woche die volle Schuldfähigkeit attestierte. Becker zufolge habe das Gutachten nämlich erhebliche Mängel. Der Gutachter hätte sich unter anderem mit seiner Einschätzung gegen die Diagnosen des Krankenhauses gestellt, in welchem der Angeklagte über mehrere Monate psychologisch behandelt wurde. Er hätte sämtliche Diagnosen widerlegt, sich aber selbst nur kurz mit dem Angeklagten befasst und hätte auch nicht die Beiakten der Vorstrafen berücksichtigt. Aus diesem Grund forderte Becker ein zweites Gutachten eines anderen Sachverständigen, denn seiner Meinung nach könne man von der verminderten Schuldfähigkeit seines Mandanten ausgehen.
All diese Anträge wurden allerdings nach einer kurzen Beratungspause mit der jeweiligen Begründung der Richterin Regine Enders-Kunze abgelehnt, sodass es mit den Plädoyers weiterging. Staatsanwalt Thomas Hauburger plädierte bereits am vergangenen Prozesstag und forderte lebenslange Haft mit der besonderen Schwere der Schuld für den Angeklagten. Diese Meinung teilte auch Kuhn. Im Gegensatz zu Hauburger, der in seinem Plädoyer die Tat des 4. Aprils in den Fokus stellte, also genau den Aspekt, weswegen der Angeklagte vor Gericht steht, konzentrierte sich Kuhn viel mehr auf die Person Ali B., dessen Herkunft und Lebenslauf. „Es kommt nicht auf die Tat selbst an, sondern auf die Täterpersönlichkeit“, betonte er.
Kuhn kritisierte in seinem Plädoyer nicht nur des Öfteren die deutsche Justiz, die den Angeklagten sozusagen viel zu sanft behandelt habe. Mehrfach zweifelte er die vorangegangenen Urteilsbegründungen an. So hatte B. „unwahrscheinliches Glück“, dass er für die Tat mit der Bierflasche lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Ein solches „Glück“ hätte er vor „algerischen Richtern“ nicht gehabt. Der Rechtsanwalt widmete sich in seinem teils sehr ausschweifenden Plädoyer auch intensiv dem Lebenslauf des Angeklagten. Immer wieder spielte er auf dessen Herkunft an, warf ihm dabei auch Neid, Missgunst und Hass vor, während die Familie des Opfers ein „Musterbeispiel für die Integration“ sei.
Mit der Einreise des Angeklagten nach Deutschland folgte Kuhn zufolge auch nur kurze Zeit später der Einstieg in die Kriminalität, die sich im Laufe der Jahre immer weiter gesteigert habe. Immer wieder kam er auf die Vorstrafen zu sprechen. Ali B. sei für in jemand, der, wenn es nicht nach seinem Kopf geht, aggressiv werde und zuschlage. Der Angeklagte sei aber keineswegs dumm, sondern handele intelligent und durchdacht. So habe er sich bei den Menschen im Kleingartenverein eingeschleimt, habe einen auf „nett und freundlich“ gemacht.
Kuhn: „Er hat keinerlei menschliche Züge“
Doch für Kuhn ist der Angeklagte nicht nett und freundlich, sondern im Gegenteil: „Er hat keinerlei menschliche Züge“, betonte er, denn „nicht mal ein Metzger, der schon viele Schweine geschlachtet hat, würde so vorgehen.“ Kuhn forderte also, wie er es schon am Anfang des Prozesses immer wieder betonte, lebenslange Haft sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld – auch wenn die Kammer in diesem Punkt „eh nicht mitziehen“ würde, weil sie sich an „die Psyche des Angeklagten klammern würde“.
Auf die Psyche des Angeklagten setzte auch Verteidiger Becker. Weder die Auseinandersetzung im Sommer 2018 noch das Gespräch kurz vor der Tat seien als Motiv zu werten. Seiner Meinung nach liege die Ursache der Tat in der Psyche seines Mandanten begründet. Der Angeklagte hatte selbst ausgesagt, dass nach dem Gespräch mit Leszek M. etwas in ihm hochgekocht sei, was er schließlich nicht mehr habe kontrollieren können – und das sei eben nicht das erste Mal gewesen. „Dass es letztlich eine psychische Problematik gewesen sein muss, die die Ursache für das Geschehen vom 4. April gesetzt hat, dafür spricht entscheidend auch der Vorfall im Sommer 2018“, betonte Becker.
Auch an diesem Tag sei der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund übergriffig geworden, „wobei es ihm vollkommen gleichgültig erschien, dass eine große Zahl an Personen ihm gegenüberstand und er infolge dessen nur als Verlierer einer solchen Auseinandersetzung hervorgehen konnte“. Becker zufolge habe es im Grunde genommen zwei verschiedene Personen des Angeklagten gegeben: Zum einen den hilfsbereiten und ruhigen Ali B., als welcher er so gut wie immer aufgetreten sei und zum anderen „eine vollkommen seinen negativen Gefühlen ausgelieferte und unkontrollierbare Person, die zu Gewalthandlungen neigte, für die es für Außenstehende keinen ersichtlichen Grund gab“.
Aus Sicht der Verteidigung liege der Schlüssel zu den „unkontrollierbaren Verhaltensweisen“, in der Tatsache, dass er sein Medikament ohne ärztlichen Rat von heute auf morgen einfach so abgesetzt habe. Anschließend setzte sich Becker mit der Frage auseinander, ob die Tat als Mord oder Totschlag zu werten sei. Die Anklage ging von heimtückischen Mord aus, Becker sieht das allerdings anders. Für das Mordmerkmal der Heimtücke müsse ein Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst ausnutzen. Seinem Mandanten sei das jedoch völlig gleichgültig gewesen. Er hätte Leszek M. auch angegriffen, wenn er sich in einer „wehrhaften Haltung“ befunden hätte. Darüber hinaus habe sein Mandant ausgesagt, dass er das Opfer zu Beginn nicht habe töten, sondern nur verletzen wollen.
Verteidiger Becker plädiert auf Totschlag aufgrund verminderter Schuldfähigkeit
Er sei überzeugt, dass sein Mandant einen Totschlag begangen habe, sagte Becker – und diesen mit einer „erheblich verminderten Schuldfähigkeit“. Er kritisierte erneut das Gutachten des Sachverständigen, der seinem Mandanten eine volle Schuldfähigkeit attestierte. Der Angeklagte habe sich, so der Verteidiger, während der Anamnesegespräche in einem komplett anderen Zustand befunden, als zu dem Zeitpunkt, auf den es bei der Frage der Schuldfähigkeit allein ankomme, nämlich zum Zeitpunkt der Tat. Als Ali B. Leszek tötete, habe er sich in einer schweren depressiven Störung befunden. Becker plädierte wegen Totschlags, den der Angeklagte im Zustand einer „erheblich verminderten Schuldfähigkeit“ begangen habe, auf eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren.
Richterin Enders-Kunze folgte jedoch dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers und verurteilte Ali B. wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe. Ebenso stellte sie die besondere Schwere der Schuld fest. „Es ist ein Geschehen, dass an Grausamkeit und Sinnlosigkeit kaum zu überbieten ist“, betonte Enders-Kunze und gab noch einmal den Tattag aus Sicht des Gerichts wieder. Ali B. habe von Anfang an die Absicht gehabt, Leszek M. zu töten. Als Motiv führte die Richterin an, dass sich der Angeklagte beleidigt gefühlt habe, sauer gewesen sei, weil keine Aussprache erfolgte. „Das rumorte seit 2018 in ihm“, so die Richterin. Die Tat am 4. April sei nicht in einer Streitsituation passiert, ein Gespräch sei auch nicht eskaliert. Der Angeklagte sei mit der Absicht ihn zu töten auf das Grundstück des Opfers gegangen, habe heimtückisch gehandelt, M. habe ihn nicht kommen sehen.
Darüber hinaus habe die Kammer auch keinen Zweifel an dem Gutachten des Sachverständigens, der Angeklagte habe mit voller Schuldfähigkeit gehandelt. Es sei Mord gewesen und das sehe laut Gesetz eine lebenslange Freiheitsstrafe vor.
Was die Frage nach der besonderen Schwere der Schuld angeht, habe man eine Gesamtabwägung gemacht. Die Nebenklage habe allerdings mit ihren Ausführungen nicht zur Entscheidung beigetragen. Es habe zwar viele Argumente gegeben, die hier nicht vorgelegen hätten, beispielsweise habe der Angeklagte keine „massiven Vorstrafen“ und es habe auch keine Mehrzahl an Opfer geben. Doch es habe eben auch viele „besonders verwerflichen Begleitumstände“ gegeben, die für die besondere Schwere der Schuld sprachen.
Auf diese machte auch bereits Staatsanwalt Thomas Hauburger aufmerksam. Dazu zählten das „krasse Missverhältnis“ zwischen Anlass und Tat, dass die Tat in der Öffentlichkeit vor Zeugen geschah und, so wie Hauburger es formulierte, er das Opfer zum Objekt seiner Wut gemacht habe. Ebenso habe das verächtliche Verhalten des Angeklagten (als er nach der Tat eine rauchte und die Familie anlächelte) den Eindruck vermittelt, dass er mit allem im Reinen sei. Für die Kammer seien all das Gründe gewesen, die besondere Schwere der Schuld festzustellen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb einer Woche kann die Verteidigung Revision einlegen – und genau das hat Ralf Alexander Becker bereits getan. „Nach Rücksprache mit meinem Mandaten habe ich bereits heute Revision gegen das Urteil des Landgerichts Gießen eingelegt“, teilte dieser nur wenige Stunden nach dem Urteil mit.
Ich verachte eure Doppelmoral! Hätte diese Tat ein Deutscher begangen, würde garantiert keiner von euch für eine mildere Strafe aus psychologischen Gründen appellieren. Es ist gut zu wissen, das dieser Mann für mindestens 15 Jahre keinem Menschen mehr gefährlich werden kann! Mein Beileid, den Angehörigen von Leszek M.
…..und wer so eine Tat begeht, kann ja nur einen an der Murmel haben.
@Faker: wie können Sie das beurteilen, dass der Angeklagte nicht auch vollends psychologisch begutachtet wurde?
@ Herbert: in unserem Rechtsstaat hat jeder Verurteilte das Recht sein Urteil durch Revision oder Berufung überprüfen zu lassen. Ob Dieb oder Mörder. Ein Rechtsanwalt hat die Pflicht den Verurteilten auf die Möglichkeit einer Revision hinzuweisen. Herrn RA Becker Geldgier zu unterstellen, ist einfach nur dümmlich.
Hoffentlich war es kein Hobby Willkürr „Psychologe“ wie man es von den MPU Tests kennt, Akte auf ein Blick rein Schuldig oder nicht schuldig entscheidet die Münze bzw. der Name des Angeklagten oder „ach heute habe ich mal schlechte Laune lasse alle durchfallen“.
Ali war schon X mal in Psychologischer Behandlung und zeigte auch extreme Auffälligkeiten, so jemanden als voll Schuldfähig zu begutachten, finde ich schon etwas komisch.
Der Mann hat ganz klar psychische Probleme, Gutachter und Gericht/Staatsanwalt haben das mMn mangelhaft berücksichtigt bzw. mMn ist der Gutachter befangen, wie kann er die psychische Vorgeschichte dieses Mannes ignorieren?
Wie kann Herr Becker hier Revision einlegen, will er noch mehr Geld vom Steuerzahler verbrauchen und selbst verdienen, für diesen kaltblütigen Mörder. Das Urteil ist mehr als gerecht, in der USA klärt man sowas anders.
….weil es sein Job ist.
naja, klingt etwas seltsam..
Geh doch zum Trumpland und lebe da mit den ganzen anderen Irren, wenn du ihre Werte soooo toll findest!!!!!
Ali hat ein fehler begangen, ALi wird dafür bezahlen.
Nein, er hat keinen Fehler begangen, sondern einen Mord. Würden sie diesen Fakt auch derart relativieren, wenn sie und ihre Familie betroffen wäre?