Kamax-Mitarbeiter protestieren gegen drohende Werksschließung und StellenabbauSachs: „Kamax hat genug Kohle, aber nur nicht für uns“
ALSFELD (ls/jal). In Alsfeld sind an diesem Freitagmorgen etliche Kamax-Mitarbeiter auf die Straße gegangen, um gegen die Sparpläne des Unternehmens zu protestieren. Das Werk des Autozulieferers in Alsfeld soll geschlossen werden, in Homberg drohen Stellenstreichungen.
Aufgerufen zu der Aktion, die mit den Worten „Wir wollen Gerechtigkeit, Anerkennung, Wertschätzung und Respekt, Solidarität jetzt!“, angekündigt wurde, hat die Gewerkschaft IG Metall. Von den Arbeitnehmervertretern heißt es, man erkenne an, dass es bei Kamax Probleme gebe, auch durch Auswirkungen der Corona-Pandemie. Jedoch sei das Unternehmen nicht existenzbedroht. Stefan Sachs, Chef der IG Metall Mittelhessen, warf der Kamax-Führung vor, durch die Schließung des Alsfelder Werks und den Abbau von 320 Jobs in der Region lediglich schnell wieder Profit machen zu wollen.
Dem Aufruf der Gewerkschaft waren nach Zählung der Polizei 240 Menschen gefolgt, darunter auch viele Kamax-Vertreter aus anderen Werken als dem Alsfelder. Man wolle sich mit den Kollegen vor Ort solidarisch zeigen, hieß es von ihnen. Allerdings, so hieß es von den Teilnehmenden, hätten sie auch selbst Angst, was mit ihren eigenen Arbeitsplätzen geschieht. Auf einem Transparent war zu lesen: „Wenn Geld und Gier kein Ende sehen, müssen Arbeitsplätze gehen!“ Die Kamax-Beschäftigten machten zudem mit Trillerpfeifen lautstark auf sich aufmerksam.
Auch Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule stellte sich gegen die geplante Werksschließung in seiner Stadt. „Ich habe angekündigt, dass ich an jeder Stelle des Verfahrens darauf hinweisen werde, dass es ein großer Fehler ist, eines der europaweit zentral gelegensten Werke schließen zu wollen“, sagte er nach dem Bekanntwerden der Nachricht. Paule war neben anderen Lokalpolitikern am Freitag ebenfalls bei der Demo anwesend und verwies bei seiner Kundgebung nochmal darauf, wie wichtig Ehrlichkeit und Verlässlichkeit im Umgang mit Menschen sei. „Der Ergänzungstarifvertrag ist einzuhalten. Ich glaube ich spreche hier parteiübergreifend für alle lokalen Politik meiner vollste Solidarität mit Ihnen aus und sage Ihnen: Unser politisches Ziel ist es, die Kamax hier in Alsfeld zu halten“.
Auch der Vogelsberger CDU-Chef und Landrat-Stellvertreter Dr. Jens Mischak war da und zeigte sich solidarisch mit den Arbeitern. „Ich kann die Beschäftigten gut verstehen, dass sie hier auf die Straße gehen und sich dafür einsetzen, dass die Vertrage eingehalten werden“, sagte Mischak. Damit spielte er auf den bestehenden Ergänzungstarifvertrag an, der eine Werksschließung in Alsfeld und betriebsbedingte Kündigungen bis Ende März 2022 ausschließt. Die Kamax beruft sich jedoch auf eine Klausel, die besagt, dass aufgrund vom „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ der Vertrag gekündigt oder geändert werden kann.
Die Demo sammelte sich in der Nähe des Erlenbades und zog von dort an den Stadthallenparkplatz, auf dem eine Kundgebung angesetzt war. „In der Slowakei steht eine leere Halle, die will gefüllt werden“, sagte dort Manfred Geisel, Betriebsratsvorsitzender aus Homberg Ohm. Damit spielte er auf ein neues Schraubenwerk an, welches Kamax in dem Land gerade erst gebaut hat. „Ich habe dazu eigentlich nur eines zu sagen: Hände weg von unseren Arbeitsplätzen“, erklärte kurz zuvor auch Lutz Koch, der Vorsitzende des Alsfelder Betriebsrats.
Vor der Stadthalle sprach auch IG-Metall-Vertreter Sachs zu den Teilnehmern. „Ich weiß, dass viele von euch nicht nur Angst haben, sondern sagen, das ist alles nicht mehr abzuwenden“, sagte er. Er könne den Arbeitern nicht versprechen, die gemeinsamen Ziele zu erreichen, jedoch könne er ihnen versprechen, „mit aller Kraft, mit allen Möglichkeiten“ bei der Demo wie am Verhandlungstisch zur Seite zu stehen. Bei dieser Demo in Alsfeld soll es nich bleiben, kündigte Sachs an, auch in Homberg wolle man demonstrieren gehen. Dafür bekam Sachs lauten Applaus. „Kamax hat genug Kohle, aber nur nicht für uns“, sagte Sachs weiter.
Er sagte zudem, die Kamax-Mitarbeiter in Homberg Ohm würden unter Druck gesetzt werden. „Wenn ihr nicht artig seid, dann kriegt ihr die zwei Maschinen nicht, die wir euch in Aussicht stellen.“ Dies sei eine „bodenlose Frechheit“. „Die müssten doch demütig sein, die sind vertragsbrüchig, nicht wir!“, rief Sachs. Am 14. Juli sei die nächste Verhandlungsrunde. Sachs unterstrich erneut, dass man zu Veränderungen bereit sei – und sich somit zum Beispiel auf die Produktion von anderen Dingen als Schrauben einzulassen, die eng mit der sich wandelten Autobranche zusammenhängen.
Fotos der Demo
Ein Kamax-Mitarbeiter sagte in einem längeren Gespräch mit OL, dass neben der drohenden Schließung an sich auch die Art und Weise, wie der Schritt verkündet wurde, für großen Unmut gesorgt hat. Die Mitarbeiter wurden über einen Handzettel informiert, an einem Tag, an dem viele nicht gearbeitet haben. „Das ist respektlos, so informiert man seine Mitarbeiter nicht“, sagte der Mitarbeiter, der der Kamax-Führung außerdem vorwarf, Corona als Vorwand für die Einsparungen zu diesem Zeitpunkt zu missbrauchen.
…dass in der Corona-Krise nicht auch alle möglichen Unternehmensstrategien (Schließungen, die schon lange anstanden) verfolgt werden, die mit dem eigentlichen Pandemie-Problem nichts zu tun haben. Tatsächlich sind ja gerade nicht alle Branchen unserer Volkswirtschaft im selben Maße betroffen. Aber beim Fahrzeug- und Maschinenbau trifft dies 100%ig zu! Hier fallen Störungen der Produktionsabläufe, Unterbrechungen der Lieferketten bei Rohstoffen und zugelieferten Bauteilen, Nachfragerückgang infolge Lohn- und Absatzeinbußen usw., usw. geradezu lehrbuchartig zusammen und Pandemieeffekt sowie Strukturkrisen verstärken sich gegenseitig. Das zu leugnen und stattdessen auf alte Unternehmer-Feindbilder zu setzen, ist einfach zu billig.
Die von Ihnen genannte Strukturkrise ist nicht vom Himmel gefallen, sondern bereits über längere Zeit erkennbar. Das klingt nach Ablenken für strategisches Versagen. Schlimm nur, dass die Beschäftigten das ausbaden müssen.
Ich zitiere mal aus Ihrem Post vom 04.07.2020:
„Und hätte die Geschäftsführung nicht außerdem wahrnehmen müssen, welche Veränderungen in der Automobilindustrie bereits über einen längeren Zeitraum erfolgen? Und das Unternehmen klug mit neuen Produkten oder Dienstleistungen positionieren müssen?“
Gegenfrage: Und hätte nicht jeder einzelne Angehörige der neunmalklugen Kamax-Belegschaft, dessen Arbeitsplatz jetzt weg gefallen oder gefährdet ist, wahrnehmen müssen, welche Veränderungen in der Automobilindustrie bereits über einen längeren Zeitraum erfolgen, statt aus der Gewerkschaft auszutreten und die Tageszeitung ab zu bestellen? Und sich dann klug einen neuen Arbeitsplatz mit neuen Produkten oder Dienstleistungen suchen bzw. eine entsprechende Umschulung machen können? Und hätte ihn dabei – falls noch Mitglied – nicht seine schlaue Gewerkschaft unterstützen und rechtzeitig warnen müssen?
Augen auf bei der Arbeitsplatz-Wahl! Und auch mal über den Tellerrand der Kreisgrenzen hinaus blicken zu den vielen zukunftsträchtigen Branchen, die offensichtlich nur im Vogelsbergkreis nicht so recht gedeihen! Und vor allem nicht Landrat Görigs genialen Arbeitsmarktprognosen vertrauen und hinterher in die Pfeifen trillern!
Strukturkrisen… Was soll das? „Was wir – in zarten Ansätzen – jetzt im Vogelsberg erleben, ist keine Strukturkrise. Es ist eine globale Katastrophe.“ Genau. Und deshalb reden wir gleich mal über Indien und Südamerika und all die „Länder“ (wie zum Beispiel Südamerika, ein besonders großes und wichtiges Land!), „in denen die Deutschen Produkte exportieren“, was immer das heißen mag. Explodieren?
Natürlich ist Corona selbst keine Strukturkrise. Das wird oben ja auch nicht behauptet!!! Aber Corona hat diverse Strukturkrisen ausgelöst, per definitionem den „Niedergang einzelner Wirtschaftszweige, dessen Ursache nicht in kurzfristigen, die Gesamtwirtschaft erfassenden konjunkturellen Schwankungen, sondern in dauerhaften Veränderungen der Angebots- und/oder Nachfragebedingungen der jeweils betroffenen Wirtschaftszweige zu suchen ist“ (Wirtschaftslexicon 24.Com, Ausgabe 2020). Wir bekämpfen einerseits die pandemische Krise, andererseits aber auch die diversen Strukturkrisen bei Automobilindustrie, Reisebranche, Luftfahrt usw. Aber aus der Salzekuchen-Perspektive kann man nur in apokalyptische Prophezeihungen ausbrechen. „Da gibt es nichts, was man ‚gegensteuern‘ kann.“ Warum sollen wir denn dann über Indien und Südamerika reden, wenn schon den ein, zwei Erkrakten aus dem Vogelsberg und den durch den Lockdown betroffenen Branchen nicht zu helfen ist? Sie faseln!
So recht schlüssig ist das nicht, was ich hier in den Kommentaren lese. Wie mir scheint, kommen mit Corona grundsätzlich alle gewohnten Denkmodelle auf den Prüfstand. Nichts ist mehr wie vorher. Alles, an das man sich gewöhnt und worauf man sich verlassen hatte, ist plötzlich auf den Kopf gestellt.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, nicht nur festzustellen, was momentan in Frage gestellt ist, sondern auch einzuschätzen, was davon bereits dem Tode geweiht war und jetzt einfach sang- und klanglos untergeht, was nach einer Erholungsphase wieder so werden kann wie früher und was durch etwas Neues und Zukunftsträchtiges ersetzt werden muss, wenn man die Hoffnung auf die Zukunft nicht von vornherein gleich aufgeben will.
Strukturkrisen hat es immer gegeben. Diese müssen im Idealfall rechtzeitg erkannt und es muss ihnen entgegen gearbeitet werden. Dies gelingt leider nicht immer. Bei manchen Entwicklungen staunt man dann, warum die unübersehbaren Anzeichen ignoriert wurden. Bei anderen muss man zugeben, dass sie überraschend kamen: Durch Naturereignisse, politische, technische oder klimatische Umbrüche, neue Erfindungen u.a.m. Wer immer richtig informiert war und den Lauf der Dinge vorhergesehen hat, ist bei solchen krisenhaften Verwerfungen natürlich fein raus und man kann ihm nur wünschen, dass seine Weitsicht auch entsprechend dokumentiert und nicht nur nachträglich reklamiert wurde. Meistens ist es aber so, dass alle Hauptakteure von einer Krise überrascht werden und dann jeder versucht, auf Kosten des anderen sein Schäflein ins Trockne zu bringen. Da schimpfen dann die Unternehmer auf die Gewerkschaften und beide auf die Politiker, und die Politiker tun so, als müssten sie sich ein neues Volk suchen.
Eines wird man aber vielleicht aus einem gesundheitlichen wie ökonomischen Super-Gau wie Corona gelernt haben: Zur Abschätzung der Zukunftsrisiken bedarf es einer Aufrüstung der Informationsgesellschaft. Und natürlich muss auf die Beschaffung umfassender Informationen ein wissenschaftlicher Diskurs folgen, in dem diese Informationen ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Partikularinteressen und ideologische Empfindlichkeiten aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Erst dann lohnt sich die Frage nach den Verantwortlichkeiten wieder und sollte dann auch schonungslos gestellt werden. Momentan gewinne ich den Eindruck, dass die Politik bei der Bemessung ihres Anteils an Chaos und Fehlentwicklungen in der Vergangenheit etwas zu gut weg gekommen ist. Die neoliberale Wirtschaftstheorie wollte den Staat als „Aufpasser“ und bürokratischen Hemmschuh los werden. Der Staat selbst beschränkte seine Leistungen und Aufgaben auf ein Minimum, um einer deregulierten Wirtschaft genügend finanzielle Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Wir alle wissen, wie das geendet hat. Der Staat hat sich selbst entmachtet. Und die Politik hat durch Unterlassung und Fehlentscheidungen in selbst verschuldeter Unkenntnis viel Schuld auf sich geladen. Fragt man den Politiker nach seinem Kerngeschäft, so redet er von der Verantwortung, die es ihn zu tragen dränge. Bis irgendwo irgendwas schief geht…
„Strukturkrisen hat es immer gegeben. Diese müssen im Idealfall rechtzeitg erkannt und es muss ihnen entgegen gearbeitet werden.“
Was soll das? Was wir – in zarten Ansätzen – jetzt im Vogelsberg erleben, ist keine Strukturkrise. Es ist eine globale Katastrophe. Corona wird noch Millionen von Jobs auch bei uns platt machen. Die ein, zwei Erkrankten im Vogelsberg spielen doch keine Rolle. Reden wir über Indien. Reden wir über Südamerika. Reden wir über all die Länder, in denen die Deutschen Produkte exportieren und wo gerade die Märkte zusammenbrechen, weil sich Corona nicht eindämmen lässt. Da gibt es nichts, was man „gegensteuern“ kann. Kamax (und STI) sind doch erst der Anfang!
Der Kommentar von Herrn Hartmann lenkt meines Erachtens von den Verursachern dieses Disasters ab.
Der Unternehmer sollte besser seinen Job machen: etwas unternehmen. Sonst sollten wir ihn besser als Unterlasser bezeichnen. Da könnte ich mir auch einen Nadelstreifenanzug anziehen und Sparen als Strategie verordnen und ne Menge Gehalt für diese „kluge Idee“ verlangen. Der Rotstift ist die Strategie der ideenlosen Verlierer. Ihre Ideenlosigkeit versuchen sie, auf die Beschäftigten abzuladen.
„Der Unternehmer“ als Verursacher aktueller wirtschaftlicher Engpässe und hierdurch verursachter Entlassungen/Betriebsschließungen? Das ist ja nun wirklich eine unzulässige Vereinfachung. Was soll denn „der Unternehmer“ machen, wenn er Zulieferer der Automobilindustrie ist, die aber aufgrund eines bisher nie da gewesenen Umsatzeinbruchs von 25 % (Gründe: https://www.mdr.de/nachrichten/wirtschaft/inland/autoindustrie-automobilhersteller-zulieferer-absatz-krise-corona-100.html) das nicht mehr abnimmt, was er – zumeist exklusiv für wenige Hersteller und Modelle – herstellt?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie auf diese Frage eine plausible Entwort geben könnten, was denn jetzt die Kamax hätte machen sollen, um die Folgen einer ganzen Kette von Wirkungszusammenhängen aufzufangen? Dass pandemiebedingt Millionen arbeitslos werden oder in Kurzarbeit gehen, dass dann niemand mehr Geld hat für große Anschaffungen, dass der Verbrennungsmotor ins Gerede gekommen ist, die Alternativen aber noch nicht überzeugen oder noch zu teuer sind, dass ältere Fahrzeuge übermäßig an Wert verlieren und es dann ökologisch und wirtschaftlich sinnvoller ist, sie noch ein paar Jahre zu fahren… Dies alle soll in den Büros der Kamax rückwärts gedreht werden, indem man „etwas unternimmt“? Absurde Argumentation!
Die Leitung von Kamax hat das Unternehmen dauerhaft von einer einzigen Kundensparte abhängig gemacht. Sie schreiben selbst, dass die Geschäftsführung exklusiv auf wenige Hersteller und Modelle gesetzt hat. Ist das strategisch klug, fast alles auf eine Karte zu setzen?
Und hätte die Geschäftsführung nicht außerdem wahrnehmen müssen, welche Veränderungen in der Automobilindustrie bereits über einen längeren Zeitraum erfolgen? Und das Unternehmen klug mit neuen Produkten oder Dienstleistungen positionieren müssen? Sie fragen, was die Geschäftsführung hätte tun sollen. Exakt das ist doch ihre entscheidende Aufgabe, und genau damit möchten Unternehmer regelmäßig in der Öffentlichkeit glänzen. Und beanspruchen genau dafür eine Menge Geld.
Was an meinen Gedanken halten Sie für absurd?
Was könnte eine wirklich kluge Alternative für Kamax sein?
Wenn der Arbeitgeber schon keine Idee hat außer kaputtmachen, könnte er auf die „Weisheit der vielen“ setzen, sich von den Beschäftigten helfen lassen. Das Angebot könnte lauten:
Wir Beschäftigte kennen alle Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des Unternehmens wie kein anderer. Besser als die wenigen im Elfenbeinturm.
Wir sind bereit, eine innovative Strategie mit all unserer Kraft mit zu entwickeln und zu unterstützen. Dafür brauchen wir den Kopf frei für neue Ideen durch einen Zeitraum frei von Druck und Angst. Wichtigstes Element hierfür ist eine Zusage des Arbeitgebers, auf betriebsbedingte Kündigung für fünf Jahre zu verzichten. Ich bin sicher, damit würde er bei Kamax eine Grundlage für eine „Kultur der Innovation“ schaffen. Eine kluge Alternative. Oder kennt jemand eine noch bessere?
Mir fällt auf, dass die Gewerkschaften ihr Fußvolk regelmäßig mit den billigsten Parolen zu Aufzügen vor den Werkstoren und Trillerpfeifen-Konzerten mobilisieren („Kamax hat genug Kohle, aber nur nicht für uns“, „Wenn Geld und Gier kein Ende sehen, müssen Arbeitsplätze gehen!“), obwohl sie selbst einräumen müssen, auf die in Rede stehenden unternehmerischen Entscheidungen keinen Einfluss zu haben. Am Verhandlungstisch sitzt man sich dann in Schlips und Kragen „auf Augenhöhe“ gegenüber und hat volles Verständnis für den Arbeitgeber-Standpunkt. Diese Rituale kennt man doch längst. Der „Druck der Straße“ ist nur noch ein Mittel der Eigenwerbung. Er wird aufgebaut, muss dann aber auch rechtzeitig kanalisiert werden, bevor die ersten Steine auf Kapitalisten- und Gewerkschaftsbonzen-Limousinen fliegen. Wie wäre es mal mit ein paar realistischeren Parolen? Zum Beispiel: „Im alten Zonenrandgebiet, ist der Standort eben Schiet, wenn die Gier kein Geld mehr sieht!“ Oder: „Bevor bei uns die Schrauben rosten, wandert die Produktion nach Osten. Der Arbeitnehmer ist längst da, weil Urlaub dort so billig war!“
„Was an meinen Gedanken halten Sie für absurd?“
Alles. Prinzip: „Hätte, hätte Fahradkette.“ Und: „Gut, dass ich alles besser weiß.“
„Die Leitung von Kamax hat das Unternehmen dauerhaft von einer einzigen Kundensparte abhängig gemacht.“ Sie hat Kunden, die ein Nachfragemonopol haben, mit dem beliefert, was diese angefordert haben. Auf einem Markt, der von Konkurrenten wimmelt. Aber natürlich kann man das morgens beim Aufstehen auch mal schnell ändern. Oh, wir stellen ja nur zwei Sorten Schrauben her! Nehmen wir doch einfach die Produktbereiche „Schreckschrauben“ und „lockere Schrauben“ dazu. Ach, braucht keiner? Na, so ein Pech! Vielleicht „Schwerter zu Pflugscharen“? Oder mal was ganz anderes zur Diversifikation: Vogelsberger Zwetschgen in Flaschen. Mit Schraubverschluss. Nicht verzagen, Müller fragen. Rotstifte wären jetzt ein guter Saisonartikel. Für den Übergang. Und Herr Müller gibt jedem noch einen kostenlosen Nadelstreifenanzug dazu.
Doch das muss ein schlechter Müller sein, dem niemals fällt was Kluges ein. Eine „kluge Alternative“ (meint nur Müller) auf der Grundlage von Schwarm-Intelligenz: „Wir sind bereit, eine innovative Strategie mit all unserer Kraft mit zu entwickeln und zu unterstützen.“ Das ist sehr großzügig von einer Belegschaft, die ja angeblich „alle Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des Unternehmens wie kein anderer“ kennt, aber erst mal ein paar Jahre zugesehen hat, was die paar Fuzzis im Elfenbeinturm so alles falsch machen. Auch Zurückhaltung kann unter besonderen Elfenbeinbedingungen schon eine großartige Leistung sein.
Aber jetzt… Jetzt fliegt der Draht aus der Mütze! Und der schlitzohrige Belegschafts-Müller weiß auch schon den Trick, mit dem einst der Graf Kruko von der Krukenburg dem Teufel den gesamten Reinhardswald abgeluchst hat: Zeit schinden. Kruko wollte nur noch einmal säen und ernten. Und Pflanzte einen Eichenwald. So ein Spaß! Und Müller fordert „freien Kopf für neue Ideen durch einen Zeitraum frei von Druck und Angst.“ Will heißen: „Zusage des Arbeitgebers, auf betriebsbedingte Kündigung für fünf Jahre zu verzichten.“ Worüber will Herr Müller-Schlau, der doch „alle Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des Unternehmens“ längst kennt, die ganzen fünf Jahre nachdenken? Über linksdrehende Schrauben für Linkshänder? Ganz toll, Peter Müller! Ich hätte da noch ne Idee, wie man die auf Halde liegenden Kamax-Schrauben mit einem speziellen Andreh-Mechanismus versehen könnte. Damit könnte man sie dann anderen ganz leicht andrehen und die Firma wäre gerettet.
Ich finde, das lenkt von dem wirklich Verantwortlichen ab, dem Arbeitgeber.
Der Unternehmer sollte besser seinen Job machen: etwas unternehmen. Sonst sollten wir ihn besser als Unterlasser bezeichnen. Da könnte ich mir auch einen Nadelstreifenanzug anziehen und Sparen als Strategie verordnen und ne Menge Gehalt für diese „kluge Idee“ verlangen. Der Rotstift ist die Strategie der ideenlosen Verlierer. Ihre Ideenlosigkeit versuchen sie, auf die Beschäftigten abzuladen.
Das ist das Ergebnis der FFF Jugend mit Unterstützung von Grün-Rot sowie den sonstigen Mitläufern.
Mit Corona hat das nichts zu tun.
Erst fährt Papi die kleinen mit dem SUV zur Demo, nun ist Papi arbeitslos und kann sich das E-Auto auch nicht mehr kaufen.
@michael Hartmann
Eine recht einfache Sichtweise.
Die Schuldigen haben Sie schnell gefunden. Und immer sind in es die anderen bzw. Menschen/Gruppen in die anders denken. Es soll helfen den Verstand zu benutzen.
und wenig hilfreich! Hier werden aus reinem Ressentiment intuitiv irgendwelche „Faktoren“ zusammen gemixt und nach dem Motto missdeutet: Zusammenhänge, die mir persönlich zu komplex sind, leugne ich (siehe Corona => Konjunktureinbruch), dafür erfinde ich den blöden Papa, der die rot-grün-verseuchten-Mitläufer-FFF-Kids im SUV zur Demo gefahren hat und jetzt [recht geschieht ihm!] wegen eigener Arbeitslosigkeit kein die Umwelt entlastendes (?) Elektro-Fahrzeug mehr kaufen kann. Gequirlte Sch****! Es stehen ja nicht die E-Mobile auf Halde, sondern die Verbrenner, und hier wieder die LKW vom Transporter aufwärts. Die machen der Branche momentan die Bauchschmerzen und gerade in der Zulieferindustrie die Arbeitsplätze kaputt. Die mit den dicken SUVs werden dagegen noch mit am besten durch die Krise kommen, des es sind keineswegs Arm und Reich gleich betroffen!