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Treffen zwischen IG Metall und Kamax-Gewerkschaftsmitglieder zu der geplanten Werksschließung„Viele Mitarbeiter haben Angst“

ALSFELD (ls). Die Kamax will ihr Werk in Alsfeld bis Sommer 2021 schließen. Die IG Metall will das nicht hinnehmen und verweist auf den Ergänzungstarifvertrag. Am Sonntag trafen sich Mitglieder der Gewerkschaft in der Hessenhalle, um sich auszutauschen. „Viele Mitarbeiter haben Angst“, sagt einer der Betroffenen – die sich teilweise schon länger innerhalb der Kamax-Gruppe anders behandelt gefühlt haben.

100 Millionen Euro weniger Umsatz allein in Deutschland, damit rechnet die Kamax als Folge der aktuellen Situation. Lediglich etwa 60 Prozent der ursprünglichen Planung sei bisher erreicht worden. Das Unternehmen sieht sich nach eigenen Angaben gezwungen, die Reißleine zu ziehen. Am Stammsitz in Homberg soll es „Personalanpassungen“ für 100 Mitarbeiter geben, das Werk in Alsfeld soll jedoch bis Sommer 2021 gänzlich geschlossen werden. Zwischen 220 und 250 Menschen wären dadurch betroffen.

Doch im Alleingang kann eine Firma wie die Kamax eines ihrer Werke nicht einfach schließen. Arbeitnehmervertreter haben dabei ein Wörtchen mitzureden. Die IG Metall will sich mit der Werksschließung nicht abfinden. Sie verweist auf ein grade erstelltes Gutachten, das beweise, dass die Firma nicht existenzgefährdet sei. Und sie verweist auf einen Ergänzungstarifvertrag, der bis Ende März 2022 eine Bestandsgarantie für das Alsfelder Werk enthält.

Am Sonntag trafen sich nun die in der Gewerkschaft organisierten Arbeiter der IG Metall in der Hessenhalle, um sich auszutauschen. „Viele Mitarbeiter haben Angst, hier sind Existenzen bedroht“, erzählt einer der Betroffenen. Man fühle sich, als wäre man ins kalte Wasser geschmissen worden, nachdem man viel für die Kamax getan habe. Das Werk jetzt zu schließen sei unsolidarisch. Schließlich hätten die Arbeiter etwas von ihrer Seite für die ausgesprochene Job- und Werksgarantie gegeben: Und zwar unbezahlte Arbeit

Der Ergänzungstarifvertrag besteht seit April 2017. Darin verpflichteten sich die Mitarbeiter, zwei Stunden in der Woche ohne Bezahlung für das Unternehmen zu arbeiten. 13,3 Millionen Euro sind nach Arbeitnehmerangaben unter anderem so bislang für die Firma erwirtschaftet worden. Darin ist auch das Geld eingerechnet, welchem der Firma durch verschobene Tariferhöhungen zugute kommt.

Außerdem habe die Kamax angekündigt, etwa 23 Millionen Euro in die Zukunft des Werks zu investieren. „Davon haben wir außer einer neuen Maschine, einem neuen Zaun und einer neuen Brandmeldeanlage nicht viel mitbekommen. Für die Mitarbeiter wurde hier wenig in die Zukunft investiert“, heißt es aus dem Umfeld der Beschäftigten.

Der Vertrag läuft formal bis Ende März 2022. Doch die Kamax bezieht sich angesichts der aktuellen Situation auf eine Klausel in dem Abkommen, die besagt, dass aufgrund von „unvorhersehbaren, wesentlichen und außerordentlichen Entwicklungen“ das Unternehmens den Vertrag innerhalb von drei Monaten kündigen kann. „Corona spielt dem Unternehmen hier in die Karten“, heißt es aus Mitarbeiter-Kreisen. Bereits seit 2017 schreibt das Alsfelder Werk Verluste.

Ein Blick auf das Alsfelder Kamax-Werk. Foto: ts

Der Kamax als Ganzes gehe es jedoch gut, sagte Stefan Sachs, Geschäftsführer der IG Metall Mittelhessen, gegenüber OL bereits am Donnerstagabend: Man bestreite die Probleme nicht, die es gebe, doch die Gruppe sei laut einem grade erstellten Gutachten nicht bestandsgefährdet. Das Ziel der Gewerkschaft sei es, den Standort in Alsfeld zu erhalten, daran habe sich nichts geändert. Das betonte Sachs auch nochmal am Sonntag nach dem Treffen in der Hessenhalle. Die Mitglieder hätten, so Sachs, die Haltung der Gewerkschaft bestätigt: Der Schritt der Schließung sei inakzeptabel. Man habe diskutiert, welche Mittel die IG Metall in ihrem „gewerkschaftlichen Werkzeugkasten“ habe und werde alles, was notwenig ist, auch machen, um das Alselder Werk zu retten.

„Ob wir es schaffen das Werk zu erhalten, bleibt abzuwarten. Nach all dem was wir für das Unternehmen leisten, fühlen wir uns, als wären wir das fünfte Rad am Wagen. Da hat sich auch nach der ersten Werksschließung nichts geändert“, sagt ein Beschäftigter. Dem Eindruck nach würden negative Entwicklungen im Unternehmen oft auf das Alsfelder Werk zurückgeführt. Bereits vor 25 Jahren wurde die Fabrik in Alsfeld schon ein mal geschlossen, unmittelbar danach wurde doch wieder dort produziert, seit 2014 ist das Werk wieder eigenständig im Konzern.

Kurzarbeit bereits seit Juni 2019

Mit dem Ergänzungstarfivertrag sollte sich auch an den Abläufen in Alsfeld etwas ändern. „Wir waren das erste Werk, was keine Schrauben mehr produzieren sollte. Die Umstellung sollte eigentlich bis 2023 abgeschlossen sein. Schon da hatten wir eine Extra-Stellung im Unternehmen“, sagt ein Mitarbeiter. Schon zu diesem Moment sind sich die Alsfelder teilweise ausgegrenzt vorgekommen. „Bei Kamax hat man immer gut verdient. Jetzt wird es für viele Menschen sehr schwierig.“

Seit diesem Juni ist das Werk in Kurzarbeit. Das soll – wenn möglich – dem Unternehmen nach auch noch bis Ende des Jahres so bleiben. Die Beschäftigten fürchten danach die ersten Kündigungen.

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