Wünsche und Gedanken der OL-RedaktionOffener Brief an die 91-jährige Vogelsbergerin, die das Virus besiegt hat
VOGELSBERG. Die Nachricht, dass eine 91-jährige Frau aus dem Vogelsberg das Coronavirus gut überstanden hat, hat viele Menschen gerührt. Weil der Landkreis eine Kontaktaufnahme blockiert, schreibt ihr das Team von Oberhessen-live diesen Offenen Brief.
Liebe Frau Müller,
wir nennen Sie jetzt einfach mal so, denn wir wissen nicht wirklich viel über Sie. Keinen Namen, auch nicht wo genau Sie wohnen. Was wir wissen ist lediglich, dass Sie aus dem Vogelsberg kommen, dass Sie 91 Jahre alt sind – und dass Sie trotz Ihres fortgeschrittenen Alters die Infektion mit dem Coronavirus überstanden haben. Die Nachricht darüber hat sehr viele Menschen in Ihrer Heimat bewegt. Wir veröffentlichen im Internet viele Artikel über das Coronavirus im Vogelsberg. Aber nur wenige lösen so viele positive Reaktionen aus wie der Text, in dem es um Ihre Genesung geht.
Gerne hätten wir den Menschen in Ihrer Heimat mehr von Ihnen erzählt. Aber nur – und ausdrücklich nur – wenn Sie oder Ihre Familie das gewünscht hätten. Deswegen haben wir uns an die Pressestelle des Landkreises gewandt, mit der Bitte, Sie zu fragen, ob Sie mit uns in Kontakt treten möchten. Jetzt, oder in ein paar Tagen, wenn Sie wieder fitter sind. Im Kreishaus weiß man wegen Corona ganz genau, wie man Sie erreicht. Vielleicht hätten Sie dankend abgelehnt, das wäre für uns völlig okay gewesen. Vielleicht aber hätten Sie und Ihre Familie sich gefreut, so wie die vielen älteren Menschen, die sich freuen, wenn Sie wegen eines runden Geburtstags in die Zeitung kommen.
Dann hätten wir den Menschen in Ihrer Heimat ein bisschen mehr über Sie erzählt. Und Sie oder Ihre Familie hätten bestimmt etwas zu erzählen gehabt. Sie sind schließlich 91 Jahre alt, haben den Zweiten Weltkrieg überlebt – und jetzt dieses tödliche Virus, das die ganze Welt in Atem hält. Ihre Geschichte hätte anderen Menschen Mut machen können, die Angst vor der Krankheit und den Strapazen haben, die Sie durchmachen mussten. Es gibt so viele schlechte Nachrichten auf der Welt. Wir hätten gerne eine gute dagegengestellt.
Doch leider haben Sie nicht einmal die Möglichkeit bekommen, uns selbst zu sagen, ob Sie uns Ihre Geschichte erzählen möchten oder nicht. Das Landratsamt lehnte unsere Bitte, Ihnen unsere Interviewanfrage zukommen zu lassen, ab – und bezog sich dabei auf den Datenschutz. Das ist sehr schade, weil in unseren Augen diese wichtige Sache, der Schutz persönlicher Daten, diesmal lediglich als Ausrede herhalten musste, um mit unserer Bitte schnell fertig zu sein. Wie bloß hätte ein Anruf eines freundlichen Mitarbeiters des Landratsamts bei Ihnen mit der Frage, ob Sie Lust hätten, irgendwann mit der Zeitung zu sprechen, Sie in Ihren Rechten verletzen sollen? Das bleibt uns schleierhaft.
Aus diesem Grund haben wir uns für diesen Offenen Brief entschieden: Um Sie wissen zu lassen, dass es Menschen gibt, die sich für Sie und Ihre Geschichte interessieren – und die Ihnen auch nach Corona von Herzen alles Gute und viel Gesundheit wünschen.
Herzlicht, Ihr Team von Oberhessen-live.
Datenschutz… Eine Erfindung vereinsamter Menschen, die sich vor ihrer Einsamkeit schämen… Früher standen Runde Geburtstage in der Zeitung… Es gab lachende Gruppenbilder… Und man hat seinen Namen gerne in einem Artikel von einem geselligen Verein gelesen… Es hat zur Teilhabe an der Gemeinschaft motiviert… Will man ja heute alles nicht mehr… Das Ehrenamt eines Beisitzers im Geflügelverein sind heute fünfzig Instagram-Likes für ein Taubenfoto aus Venedig… Da gibt man seine Daten übrigens gezwungenermaßen Maßen gerne frei zur Verfügung und freut sich noch…
Heut stehst du in der Zeitung drin!
Zum Ehrentage alles Gute
Wünschen Magda, Klaus und Ute!
Kenne diesen Kleinanzeigen-Typ auch noch von früher. War aber alles noch weniger riskant und bösartig. Heute gibt irgendein Spaßvogel die Adresse von Opa Minion als „Geburtstagskuchen-Mitfress-Zentrale“ im Internet ein und eine Million ungebetener Besucher zertrampeln ihm das Grundstück.
Wollen schon, nur ist das noch möglich? Leider, ja leider ist es in der heutigen Zeit nicht ratsam seine persönlichen Daten öffentlich preiszugeben.
@Minion: Geben Sie doch z.B. ihren Namen ,Geburtstag und die Anschrift für gemeinsame Geburtstagsgrüße frei. Schon kann es ganz einfach zum Identitätsdiebstal kommen. Sie glauben ja gar nicht was mit dem kleinen Datensatz zu ihrem Nachteil recht einfach möglich wird. Viel Spaß-“ Da gibt man seine Daten übrigens gezwungenermaßen Maßen gerne frei zur Verfügung und freut sich noch…“- Ihre Worte.
Es gibt hier im Vogelsberg den online Kalender einer Gemeinde für Jubilare. Nein Danke, da werden ungefragt genau diese Daten aus dem Melderegister veröffentlicht, um für ihre „Teilhabe an der Gesellschaft zu motivieren“. Da war ich schon platt über den Unfug und Leichtsinn der Gemeindeverwaltung und deren Verwaltungsangestellten. Zurückholen im Schadensfall – Fehlanzeige! Unrechtsbewusstsein- nicht vorhanden, obwohl meine Daten von mir ausdrücklich für eine Weitergabe gesperrt waren, wurden Sie ins Web gestellt. Hier wird gerade für Senioren ein Köder für Enkeltrick &Co gratis frei Haus geliefert.😡
Ihrer Antwort kann ich schon vorgreifen. Das nach mir eh kein Hahn kräht erspart mir viel Ärger und ist mir auch egal!😏🐔 Nur nicht die dafür absolut unvorbereiteten Senioren(nicht Alle) ohne Verständnis zur Problematik des Datenmissbrauchs! Sie haben wie ich zu diesem Thema sicher auch Lücken; werde ich leider auch nie füllen können.
„Liebe Frau Müller, wir nennen Sie jetzt einfach mal so, denn wir wissen nicht wirklich viel über Sie. Keinen Namen, auch nicht wo genau Sie wohnen…“
Also ganz so daneben, wie es hier in Leserkommentaren kritisiert wird, war die OL-Briefaktion nun auch wieder nicht.
Was ich aber überhaupt nicht verstehe ist der „journalistische“ Seitenhieb auf die Reaktion des Landratsamts!
„Doch leider haben Sie nicht einmal die Möglichkeit bekommen, uns selbst zu sagen, ob Sie uns Ihre Geschichte erzählen möchten oder nicht. Das Landratsamt lehnte unsere Bitte, Ihnen unsere Interviewanfrage zukommen zu lassen, ab – und bezog sich dabei auf den Datenschutz. Das ist sehr schade, weil in unseren Augen diese wichtige Sache, der Schutz persönlicher Daten, diesmal lediglich als Ausrede herhalten musste, um mit unserer Bitte schnell fertig zu sein.“
Herrschaftszeiten!!! Insbesondere der letzte Satz des Zitats ist angesichts der Tatsache, dass die Kreisbehörde hier rechtlich wirklich 0,00000 Spielraum hatte, eine vollkommen daneben geratene Aussage. Unter welche Art Schleier muss man leiden, um nicht zu begreifen, dass es nicht um die freundliche Frage der OL-Redaktion ging, sondern die Verpflichtung der Behörde, die Identität der Betroffenen (wie natürlich auch jedes anderen Bürgers!) unter allen Umständen und ohne jede Ausnahme zu schützen.
Ich bin auch Journalist. Sollten Sie demnächst im Lotto gewinnen oder Probleme mit dem Finanzamt bekommen – Wundern Sie sich nicht über meine freundlichen Interview-Anfragen. Bin fieberhaft auf der Suche nach einer undichten Stelle. Nur bei der Kreisverwaltung suche ich jetzt erst mal nicht.
Schöne Grüße von Horst Schleier, äh Schlämmer!
Dieser Artikel spricht mal wieder Bände über das Niveau, auf dem sich OHL bewegt. Einfach nur peinlich so etwas zu veröffentlichen. Eine Frau in dem Alter verkraftet so eine Aufmerksamkeit nicht mehr und möchte sicherlich nicht im Mittelpunkt stehen.
Je nun, es gibt auch 100-Jährige, die sich bei der großen Geburtstagsfeier im Kreise ihrer Familie oder Seniorenheim-Mitbewohner pudelwohl fühlen. Wie wer sich in welchem Alter fühlt, ist von vielerlei Umständen abhängig.
In der obigen OL (!) Aktion sehe ich in erster Linie den gut gemeinten Versuch, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Situation unserer hoch betagten Mitbürger zu lenken, die ganz besonders unter den Kontaktverboten der Anti-Corona-Maßnahmen zu leiden haben. Auch in vielen anderen Medien widmet man dem Thema „Schutz und Versorgung von Senioren in Coronazeiten“ (DLF) viel Raum oder Sendezeit (z.B. https://www.phonostar.de/radio/geriatrie-schutz-und-versorgung-von-senioren-in-corona-zeiten/v/161598/2020-05-05). Um lebendige Beiträge zu gestalten, lässt man überall gern auch die Betroffenen zu Wort kommen. Über die Wege, solche direkten Kontakte anzubahnen, erfährt man in der Regel ja nichts. Bei OL hat es nicht funktioniert, natürlich auch, weil ein falscher Weg beschritten wurde. Aber man erkennt die gute Absicht. Deshalb finde ich es schade, wenn jetzt durch übermäßige Empörung ein falscher Tonfall in die Sache kommt. Vor dem Hintergrund der gerade herrschenden Empörung über Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters Palmer wäre der Bericht über eine 91-Jährige, die eine Corona-Infektion dank bester ärztlicher Versorgung gut überstanden hat, eine große Ermutigung für andere Hochbetagte gewesen.
Vor ein paar Tagen bei Oberhessen-live.de:
https://www.oberhessen-live.de/2020/03/19/niemand-muss-wissen-wo-genau-corona-patienten-wohnen/
Chapeau Oberhessen-live-Team :D
Herzlichen Glückwunsch, Sie können durch ihr stets Bemütes Textverständnis tatsächlich Äpfel mit Birnen vergleichen.
*bemüht
Manche Verwaltungsbeamte sind im Denken und Handeln so flexibel wie ein dickes Stück Hartholz.
Schön auf diese Weise zu erfahren, daß Daten und Persönlichkeitsrechte von den Mitarbeitern im Gesundheitsamt sicher geschützt werden.- Sollten auch durch Personen im Umfeld der genesenen Patientin gewahrt werden.
Wieso dem OL-Team wie beschrieben die Verweigerung der Auskunft schleierhaft bleibt; nicht zu glauben so ein Unwissen. Persönlichkeitsrechte sind nun mal zum Schutz und nicht für Publikation von personenbezogenen Daten verfasst worden.
Oha, da geht aber einiges Durcheinander. Ich glaube kaum, dass OL die Daten von der Dame publizieren wollte. ich glaube, Sie haben den Kreis nur darum gebeten, mit der Dame im Namen von OL Kontakt aufzunehmen. Und das hört sich für mich nicht wie ein Missbrauch von Datenschutz an. Eher im Gegenteil!! Ich wünsche der Redaktion viel Erfolg, vielleicht liest ja der oder die richtige diesen Brief hier.
Ich kann nur hoffen, das „der oder die“ sich genau überlegen eine alte Frau so in den Mittelpunkt zu stellen. Und nochmal, es ist nicht nur unmoralich mit amtlichen Wissen an Betroffene heranzutreten, um öffentliche Neugier zu befriedigen.