Der Kopf wird nicht in den Sand gesteckt: Corona-Krise trifft auch die VogelsberglamasWenn aus dem Büro kurzerhand ein Nähstudio wird
LINGELBACH (akr). Seit fast 15 Jahren kommen Lama-, Alpaka-, und Eselliebhaber auf dem Hof der Familie Odermatt in Lingelbach ganz auf ihre Kosten, doch seit fast einen Monat muss man auf die Trekkingtouren mit den flauschigen Genossen verzichten. Die Corona-Krise hat nämlich auch den Trekkingbetrieb „Vogelsberglamas“ der Odermatts ausgebremst. Doch den Kopf in den Sand stecken will die Familie nicht – und macht es auch nicht.
Zehn Esel, sechs Alpakas und 15 Lamas sind auf dem Hof der Familie Odermatt im Alsfelder Stadtteil Lingelbach zuhause. Vor knapp 15 Jahren haben Silke Philipp-Odermatt und ihr Mann Reiner ihr Hobby zum Beruf gemacht, bieten seither Trekkingtouren mit ihren Tieren an. Viele Touristen kommen aus ganz Deutschland und auch für Betriebsausflüge, Geburtstage oder Junggesellenabschiede sind die Wanderungen sehr gefragt. Doch seit knapp vier Wochen ist Schluss mit den Touren – der Corona-Krise sei dank.
Bis einschließlich Juni war die Familie mit teils drei Touren täglich ausgebucht, bis Oktober liegen Buchungen vor. „Zum Glück haben wir Anfang letzten Jahres das Gutschein-System eingeführt“, sagt Silke Philipp-Odermatt. Es wird nämlich nicht mehr einfach nach der Tour bar bezahlt. Man bekommt Gutscheine, die man einlösen kann. Dank der Gutscheine sind die Wanderungen somit bereits bezahlt, „sonst würde das sicherlich anders aussehen“, erklärt sie. Auch wenn sie derzeit keine Wanderungen mit den flauschigen Gefährten anbieten kann, halte sie die Maßnahmen der Regierung für sinnvoll. „Die Regelungen betreffen uns zwar auch, ich finde es aber dennoch richtig wie gehandelt wird“, betont sie.
Die Tiere haben erstmal Ferien
Die insgesamt 31 Tiere, die es gewohnt sind zu arbeiten, müssen sich nun also erstmal eine Pause gönnen. Ein Großteil der Lamas und Alpakas entspanne jetzt auf den Weiden rund ums Dorf, einige auf dem Hof in Lingelbach. „Die Tiere genießen die Ferien. Wir haben aber auch den ein oder anderen Workaholic bei den Eseln und Lamas hier. Da kommt es schon vor, dass man von den Tieren angeschaut wird nach dem Motto ‚Läuft das hier nicht mehr oder wie‘ „, lacht sie.
Finanziell müssen sich die Vogelsberglamas glücklicherweise keine großen Sorgen machen. Der Betrieb sei gut aufgestellt. Das liege zum einen an dem Gutschein-System und zum anderen daran, dass Philipp-Odermatt schon immer darauf geachtet habe, Rücklagen zu haben. „Ich bin eher der vorsichtige Typ. Ich habe immer Rücklagen. Man weiß schließlich nie, was kommt“, erklärt sie und betont, dass sie eher bei sich sparen würde, als bei den Tieren.
„Die Tiere sind die Hauptpersonen, wir das Personal“, lacht sie – und mit diesem Gedanken ist sie anscheinend nicht allein. Viele Menschen rufen an, wollen sich erkundigen wie es dem Betrieb und vor allem den Tieren gehe. „Eine Frau hat sogar schon extra ihre Patenschaft für die nächsten zehn Jahre bezahlt. Da musste ich schon wirklich schlucken. Trotz aller Distanz hat das Soziale zugenommen“, erzählt sie.
Doch nicht alles laufe über die Gutscheine. Junggesellenabschiede, Betriebsausflüge oder Hochzeiten zum Beispiel. Das seien dann schon finanzielle Einbuße. Auch die Kameliden-Seminare fallen derzeit weg. „Der finanzielle Verlust ist aber noch gering“, sagt sie erleichtert. Dennoch müsse es weiter laufen. Seit September hat Philipp-Odermatt eine Mitarbeiterin. Die wurde jetzt erstmal in Kurzarbeit geschickt. „Ich lege mich jetzt richtig ins Zeug, um sie aus der Kurzarbeit holen zu können“, betont sie. Denn seit knapp drei Wochen näht die Vogelsberglamas-Chefin Mund- und Nasenmasken.
Büro hat sich in ein Nähstudio verwandelt
„Was eigentlich nur aus Sorge um kranke Familienmitglieder entstand ist nun ein gutes Geschäft geworden“, erzählt sie. Angefangen hatte es, als sie eine Schutzmaske für ihre Cousine nähte, die zur Risikogruppe zählt. Nun, kurzerhand kamen immer mehr Anfragen aus dem Familien- und Freundeskreis. Mittlerweile näht Philipp-Odermatt über 50 Masken pro Tag – sei es für Erwachsene oder Kinder. Mit den Bestellungen komme sie kaum noch hinterher, teilweise stehe sie noch in der Nacht wieder auf, um weiter zu nähen. Ihr Büro hat sich mittlerweile in ein Nähstudio verwandelt. Hier fertigt sie mit Hilfe ihrer Mitarbeiterin die Masken an.
Vor Jahren hat die Chefin mal einen Kurs bei einer Schneidermeisterin besucht – und das zahlt sich jetzt aus. Seit fast drei Wochen rattert ununterbrochen die Nähmaschine. Mit Lama-, Alpaka-, und Eselmotiven hat es angefangen, jetzt können die Kunden aus über 20 verschiedenen Motiven wählen. Die Stoffe, die aus 100 Prozent Baumwolle bestehen, beziehe sie teilweise aus England, „dabei achte ich natürlich auch Qualität und Design“, erzählt sie. Besonders freut sie, dass immer mehr Nachbestellungen kommen, „das ist doch das größte Lob“.
Während der Trekking-Betrieb geschlossen ist, feiere das neue Nähstudio also gerade Hochsaison. Damit sie sich auch voll und ganz der Maskenproduktion widmen kann, kümmere sich ihr Mann Reiner um die Betreuung ihrer beiden Enkelkinder. Zwischendurch werden natürlich weiterhin die Tiere versorgt und trainiert. „Ich bin den ganzen Tag beschäftigt“, lacht sie. Zum Glück hat Silke Philipp-Odermatt, die außerdem auch als Teamleiterin beim Blutspendedienst in Frankfurt arbeitet, derzeit noch Urlaub. Doch wenn sie wieder zurück nach Frankfurt muss, soll die Produktion dennoch weiterlaufen, deswegen wolle sie dann wahrscheinlich ihre Mitarbeiterin in die Kunst des Masken-Nähens einarbeiten – schließlich haben die Masken bereits ihre Fans gewonnen und wollen weiterhin auf Reisen gehen.
Ich finde es eine tolle Idee,Laufe öfters an den Tieren vorbei,da ich seid über 1 Jahr in lingelbach wohne.Wenn wir die Krise überstanden haben,möchte ich gerne so eine Tour machen.Bleiben Sie gesund und alles gute.mfg Schösser