Ein Gespräch über anfängliche Bedenken, Lob, Kritik und VerbesserungsvorschlägeSo haben die Geschäfte die ersten Monate der Marktplatzsanierung empfunden
ALSFELD (akr). Seit einigen Monaten wird das Alsfelder Herzstück, der Marktplatz, saniert. Die Arbeiten des ersten Bauabschnittes sind weitestgehend abgeschlossen, Gasleitungen, Wasserrohre und Kanäle somit erneuert. Wie haben die umliegenden Geschäfte die ersten Monate der Marktplatzsanierung empfunden? Oberhessen-live hat nachgefragt.
Es ist Dienstagnachmittag, 14 Uhr. Auf dem Alsfelder Marktplatz ist es den Umständen entsprechend ruhig, die Bauarbeiter besprechen sich gerade, haben ihre Werkzeuge beiseite gelegt, die Fahrzeuge stehen still. Im Kultgeschäft Ramspeck herrscht hingegen keine Ruhe, sondern reger Betrieb – trotz der nahe liegenden Baustelle auf dem Alsfelder Herzstück. „Die Leute nehmen auch gerne einen beschwerlichen Weg auf, um zu uns zu gelangen. Wenn sie dann drin sind, ist die Baustelle wieder vergessen“, lächelt Christine Metz-Schmidt, Inhaberin des Ramspeck.
Mittlerweile ist auch der Eingang des Geschäftes wieder fast normal zu erreichen. Es ist zwar noch etwas holprig, doch jedenfalls muss man nicht mehr über eine provisorische Brücke gehen. „Ich hatte am Anfang der Baustelle schon Angst, dass sich die Bauarbeiten auf die Kundschaft und den Umsatz auswirken“, gibt Metz-Schmidt offen zu. Zwar sei der Umsatz etwas weniger geworden, aber der Verlust sei nicht so hoch wie gedacht. Trotz der Baustelle würden die Kunden immer noch ihren Weg in das beliebte Traditionsgeschäft finden. So wie in diesem Moment, als gerade eine Familie das Geschäft über den roten Teppich betritt.
„Die Bauarbeiter leisten eine super Arbeit“
Ärger oder Angst sind in dem Familienunternehmen nicht zu spüren. Im Gegenteil. „Die Bauarbeiter leisten eine super Arbeit. Sie sind sehr nett und zuvorkommend, sorgen immer dafür, dass der Eingang des Geschäftes frei bleibt“, lobt Metz-Schmidt. Mit der Baufirma habe man einen Sechser im Lotto gewonnen, – weil sie mit sehr viel Feingefühl agiere. Das Lob der Geschäftsfrau gilt aber nicht nur den Arbeitern, sondern auch Uwe Eifert, dem Wirtschaftsförderer der Stadt. Es sei toll wie er die Bürger in die Bauphase integriert habe, beispielsweise mit den „After-Work-Baustellenpartys“ oder den roten Teppichen, die zu den einzelnen Geschäften führen. „Manche kommen rein und sagen ’na, habt ihr extra den roten Teppich für uns ausgerollt?'“, erzählt die Inhaberin.
Wenige Schritte vom Ramspeck entfernt befindet sich das Bekleidungsgeschäft „Catwalk“ von Astrid Nitzsche. Sie war mit eine der ersten, die die Baustelle quasi direkt vor der Haustür hatte. „Das war eine Zeit, da hat man die Baustelle schon gemerkt, beispielsweise an den Kunden und am Umsatz“, erzählt sie – beides wurde nämlich weniger. Doch seitdem wieder freie Sicht auf ihr Geschäft herrscht, links und rechts von ihrem Eingang keine Bauarbeiter mehr rumwerkeln, gehe es wieder bergauf. „Da muss man durch, es nutzt kein Jammern“, sagte sie und gibt zu, dass sie es sich schlimmer vorgestellt hat. Auch sie findet nur gute Worte für die Arbeiter: „Sie sind sehr bemüht und immer freundlich“, lächelt sie. „Ich glaube, das schlimmste ist überstanden“.
„Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt Luana Jost, Inhaberin des Beautystübchens ein paar Meter weiter in der Oberen Fuldaer Gasse. Nachdem einige ihrer Kunden anfangs manchmal ein paar Minuten zu spät kamen, der Parkplatz-Suche sei dank, würden sie jetzt ganz einfach eher los fahren. Andere wiederum nehmen auch einen Strafzettel in Kauf, um sich für ein paar Minuten in Luanas Beauty-Oase verwöhnen zu lassen, erzählt sie. Sie habe viele ältere Kunden mit Gehbehinderungen, für die es aufgrund der fehlenden Parkplätze problematisch sei, ihr Geschäft zu erreichen. „Die Kunden kommen aber trotzdem und da wir viele mit einem Termin haben, sind wir auch nicht auf die Laufkundschaft angewiesen.“
Nicht so tolle Erfahrungen in Sachen Baustelle
Kritischer hingegen betrachtet Ilona Kurz, Inhaberin des Feinkostladens „Kurz & Köstlich“, die Situation mit der Baustelle. Sie habe sogar mal für zwei Tage ihr Geschäft schließen müssen, als sie die Bagger direkt vor der Tür hatte, links und rechts von ihrem Eingang alles aufgerissen war und es keine Zugangsbrücke gegeben habe. Momentan herrscht vor ihren Türen zwar wieder Ruhe, doch der Eingang zur Baugasse vom Marktplatz her kommend, wird aktuell von einem Bauzaun versperrt – zumindest macht es den Eindruck, findet Ilona Kurz. „Ein paar zusätzliche Hinweisschilder wären schon gut“, sagt Kurz. Durch den Bauzaun wirke es aktuell so, als würde man ihr Geschäft nicht erreichen können.
Just in diesem Moment betritt eine Kundin ihr Feinkostgeschäft, jedoch nicht vom Marktplatz aus kommend. Sie hat eine klare Meinung zur derzeitigen Marktplatzsanierung. „Diese ganze Baustelle ist nicht sehr einladend, besonders für Menschen, die von außerhalb kommen. Die Stadt ist doch eh schon tot und durch die Baustelle machen sie sie nur noch toter“, betont die Frau. Leicht verärgert erzählt Kurz, dass auch ihr Umsatz ein wenig zurückgegangen ist.
Zudem habe man sie nicht zum geplanten Zeitpunkt mit Ware beliefern können, weil der Lieferwagen nicht in die Baugasse fahren konnte. „Ich weiß, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die gemacht werden muss. Aber es macht einfach keinen Spaß mehr. Ich stehe hier acht Stunden und es kommt kaum einer“, sagt Kurz. Sie ist der Meinung, dass noch etwas Kreatives fehle, einfach etwas, dass die ganze Situation einladender mache. Sie blicke dennoch positiv in die Zukunft, sagt sie.
„Diesen Monat haben wir es schon gemerkt“
Die Baustelle direkt vor der Tür hat aktuell das Geschäft „Street One“ – genauer gesagt seit Ende September. „Die Anfangszeit der Baustelle war gar nicht schlimm, doch seitdem sie genau vor unserem Eingang am arbeiten sind, ist es nicht sehr angenehm, beispielsweise wegen des Lärms“, sagt eine Mitarbeiterin. Umsatztechnisch habe sich bei Street One seit dem Beginn der Bauarbeiten vor ein paar Monaten nicht viel verändert. „Diesen Monat haben wir es aber schon gemerkt. Man kann auch nicht sagen, dass es daran, liegt die Baustelle direkt vor der Tür zu haben. Es gibt immer mal Monate, die weniger gut sind“, sagt sie. Die Laufkundschaft habe ein wenig nachgelassen, doch auf ihre Stammkunden würden sie weiterhin zählen können.
Von dem Trubel am Marktplatz kurzerhand verabschiedet hat sich die Apotheke am Rathaus. „Nach kürzester Zeit hat sich die Kundschaft um ein Viertel verringert“, erzählt die Apothekerin. Ein Grund seien die fehlenden Parkplätze. Bereits am ersten Workshop zur Marktplatzsanierung Ende September vergangenen Jahres sagte Markus Bell, Inhaber der Apotheke am Rathaus: „Fehlende Parkplätze wirken sich auf die Kunden aus“. Die Befürchtungen von damals haben sich in den Augen der Apotheke bewahrheitet.
Und da man eh geplant hatte, die Apotheke zu modernisieren hat man sich dafür entschieden, vorübergehend umzuziehen. Seit dem 16. September ist die Apotheke am Rathaus jetzt in der Marburger Straße zu finden. „Die Kundenanzahl hat sich erholt, wieder normalisiert“, lächelt die Apothekerin. Es herrscht gerade wieder Hochbetrieb. „Es stört mich nicht, dass sie den Standort gewechselt haben“, erzählt ein älterer Mann, der schon seit Jahren ein treuer Kunde ist. Bis die Apotheke wieder an ihrem ursprünglichen Standort zurückkehrt, würde es noch ein bisschen dauern. In diesem Jahr bleibe man zumindest noch in der Marburger Straße, fernab vom Marktplatz, fernab vom Baustellen-Trubel.
Es ist doch wohl jedem klar, je länger der Bauabschnitt auf unserem historischen Marktplatz andauernd, umso mehr Geschäfte mit einem Umsatzrückgang rechnen muessen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit,dass noch mehr Geschäfte in Alsfeld schliessen. Spaziert man am verkaufsoffenen Sonntag durch unsere Kreisstadt sieht man nicht solche Leerstaende, obwohl der Standortvorteil ja klar bei Alsfeld liegt, scheint man aus der Vergangenheit nichts gelernt zu haben. Das Projekt Marktplatz erinnert stark an die Verkehrspolitik, ein gute Autobahn, braucht halt seine Zeit. Ohne nötige Parkplätze wird die Stadt stark an Attraktivität verlieren. Der Mensch ist faul und bequem..er möchte bis zum Geschäft fahren und direkt vor der Tür parken. Diesen Trend scheint man wohl aus dem Auge verloren zu haben. Marktplatz, du Armer Standort, dein Schicksal ist noch für einen längeren Zeitraum beschlossen, Gute Arbeit braucht seine Zeit.
Na, ob der Marktplatz durch die Baumaßnahmen so viel attraktiver wird, dass die Umsatzeinbußen durch zusätzliche Besucher kompensiert wird? Ich hätte dem Platz ja wenigsten mal eine Reihe Schnell-Ladesäulen für Batterieautos spendiert. Da die ja immer von dicken Diesel-SUVs zugeparkt werden, wäre für Raufhändel aller Art bis hin zum Schlamm-Catchen gesorgt, was wiederum eine große Menge Volkes anlockt. Kirmes das ganze Jahr. Und kein Euro aus dem Werbeetat. Wie man sieht: Wirtschaftsförderung kann jeder.