Zu Besuch auf dem Erdbeerfeld der Familie Schlitt„Sie sind regional und schmecken einfach besser“
ALSFELD (akr). Seit einigen Wochen hat die Königin der Früchte Hochsaison. Statt die Erdbeeren einfach abgepackt im Supermarkt zu kaufen, zieht es viele Menschen auf Felder, wo man die rote Frucht selbst pflücken kann. Nur fünf Minuten mit dem Auto von Alsfeld entfernt liegt ein solches Feld, genau zwischen Reibertenrod und Vockenrod. Zu Besuch auf dem einen Hektar großen Erdbeer-Paradies von Annabell und Harald Schlitt aus Vockenrod.
Zwei prallgefüllte Schüsseln frischer Erdbeeren haben Walter und Maria Grabowski gerade gepflückt. „Das macht 18,60 Euro“, sagt Hanna. Zuvor hat sie die roten Früchte natürlich gewogen. „Die digitale Waage hat gestern den Geist aufgegeben“, lacht Hanna. Deswegen muss die alte ockerfarbene Retro-Waage mit Gegengewichten herhalten. Seit etwa fünf Stunden sitzt sie auf der Bierbank unter dem weißen Zelt. Leerwiegen, vollwiegen, Kaufpreis ermitteln oder schon fertige Erdbeer-Schälchen verkaufen – das sind unter anderem ihre Aufgaben.
Maria und Walter Grabowski haben aktuell Urlaub, wollten die freie Zeit nutzen. „Die Erdbeeren schmecken einfach viel besser als gekaufte und ich kann mir sie so pflücken, wie ich sie brauche und sie sind aus der Region“, sagt Walter Grabowski. Etwa eine halbe Stunde hat das Ehepaar für die sieben Kilogramm Erdbeeren gebraucht. Die sieben Kilo sind aber nicht für sie allein. „Die Mutter und Schwiegermutter bekommen natürlich auch welche“, lacht Walter. Das Ehepaar wird sie beispielsweise mit Quark essen, pur, und ohne zusätzlichen Zucker.
Ein paar Meter weiter auf dem Erdbeerfeld ist Karl Stork aus Vockenrod gerade auf der Suche. Sein durchsichtiger Eimer ist schon ordentlich gefüllt. Immer wieder geht er in die Hocke und durchforstet die kleinen Sträucher nach den roten, reifen Früchten. „Wir wollen Marmelade und Erdbeerkuchen machen. Das lieben unsere Enkelchen“, lächelt der Rentner.
Seine Frau Jutta ist etwa 15 Meter weiter vorne am Sammeln. Auch ihr Eimer ist schon prall gefüllt. „Es ist schon etwas besonderes, die Frucht die hier entsteht zu genießen und nicht einfach ins Herkules zu gehen und sie zu kaufen“, sagt er. Man könne froh sein, dass es noch Landwirte gibt, die so etwas anbieten. Dann richtet er seine graue Kappe und pflückt weiter, denn noch ist etwas Platz im Eimer.
30.000 Pflanzen im April gesetzt
Etwa einen Kilometer vom Erdbeerfeld entfernt wohnen Annabell und Harald Schlitt in Vockenrod. Ihnen gehört das Feld. Sie sind gerade am Mittagessen, Bratwurst, Kohlrabi und Kartoffeln. Sie ist Grundschullehrerin in Ottrau, er Acker- und Schweinebauer. „Wir wollten einfach mehr in Richtung Direktvermarktung gehen“, erklärt Annabell. Das sei ganz einfach ausgedrückt der Grund für das Erdbeerfeld. Ihnen gehört übrigens auch der mobile Hühnerstall am Alsfelder Krankenhaus. Im April diesen Jahres haben sie dann 30.000 Pflanzen gesetzt, 40 Rundballen Stroh zwischen den Reihen verteilt, und am 18. Juni konnte das einen Hektar große Erdbeerfeld mit drei verschiedenen Reifegraden – früh, mittel und spät – eröffnet werden.
Szenenwechsel, zurück auf dem Feld: Christopher Löchel und seine Tochter Maja sind gemeinsam auf Pflück-Tour. Schon am vergangenen Samstag haben die beiden fünf Kilo der roten Frucht mit nach Hause nehmen können. Anders als die meisten haben sie daraus aber keine Marmelade oder einen Erdbeerkuchen gemacht, sondern Limonade. Pürierte Erdbeeren, Limette, Crushed-Eis, Rohrzucker und Minze – und schon habe man eine erfrischende Limonade.
„Man schmeckt den Unterschied“
„Sie sind regional und schmecken einfach besser, man schmeckt den Unterschied“, sagt Christopher Löchel. Dass sie gut schmecken, findet auch seine Tochter, die ist nämlich gerade am Naschen. Sie zupft das Grünzeug der Beere ab, schiebt sie sich in den Mund und wischt ihre Hand an ihrem bunten Schmetterlingskleid ab. Dann macht sie sich im Hopser-Lauf auf den Weg durchs Feld.
Neben den Beiden sind gerade noch 12 weitere Selbstpflücker unterwegs auf dem Feld zwischen Reibertenrod und Vockenrod. Ein Ehepaar ist gerade fertig mit dem Ernten und läuft mit zwei großen und vollen Schüsseln zu Hanna oder auch „Erdbeer-Hanna“, so nennt Lena, die Tochter der Besitzer, liebevoll die Dame an der Waage.
Der Mann mit leicht angegrautem Haar, Brille und Drei-Tage-Bart übergibt Hanna den großen hellblauen Eimer. Sie stellt ihn auf die Retro-Waage, nimmt ihn wieder runter und schüttet ein paar Erdbeeren in eine andere Schüssel. „Die Waage hört bei fünf Kilogramm auf“, lacht sie. Das Ehepaar war fleißig. In rund 45 Minuten haben die beiden acht Kilogramm gepflückt. „Die Enkelchen lieben unsere selbstgemachte Marmelade, deshalb muss immer etwas auf Vorrat da sein“, sagt die Frau mit osteuropäischem Akzent.
Mittlerweile hat die Familie Schlitt das Mittagessen verspeist. Zu den Töpfen mit Kohlrabi und Kartoffeln gesellt sich eine Schale mit Erdbeeren. „Wir mögen Erdbeeren. Es ist eine positive Frucht“, sagt Annabell und greift beherzt zu. Auch ihre zehn Monate alte Tochter Clara hat schon Gefallen an der süßen Frucht gefunden, das verrät ihr vollgeschmierter, klebriger Erdbeer-Mund.
12 Stunden nach Lust und Laune Erdbeeren pflücken
Von 8 Uhr bis 20 Uhr könne man seit etwa zwei Wochen nach Lust und Laune Erdbeeren pflücken. „Zwischendurch mussten wir auch schon mal zu machen, weil einfach keine reifen Erdbeeren mehr da waren. Im ersten Jahr tragen sie ja noch nicht so viele“, erzählt Harald. Regeln gebe es übrigens keine. „Man darf so viele Erdbeeren einsammeln, wie man möchte und natürlich ist Naschen auch erlaubt“, lacht Harald.
Was das Erdbeer-Pflücken angeht, gebe es sogar eigentlich ein System. Aber da halte sich einfach keiner dran, was aber auch nicht weiter wild sei. „Normalerweise nimmt man, wenn man anfängt zu pflücken, einen Stab mit und wenn man fertig ist, dann lässt man den Stab an der Stelle im Stroh stecken“, erklärt Harald. Dann wisse man, dass hier in der Reihe schon jemand unterwegs war. Das wäre das einfachste System, die meisten bevorzugen dann aber eher die „Kreuz und Quer-Variante“.
Vielleicht werde sich das System im nächsten Jahr etablieren, denn auch im kommenden Jahr möchte das Paar die Menschen noch mit der Königin der Früchte erfreuen. „Wenn es jetzt nochmal regnen würde, dann kann man wahrscheinlich noch rund zwei Wochen Erdbeeren sammeln“, sagt Harald und nascht aus der Schüssel, die mittlerweile fast leer ist. Doch spätestens morgen wird es wieder Nachschub geben. Dann geht es nämlich wieder aufs Feld.
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