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Kommentar zur allgemeinen Dienstpflicht - mit Abstimmung im TextPro und Contra – Brauchen wir die Wehrpflicht zurück?

MeinungALSFELD (akr/tsz). Das Sommerloch ist perfekt, um eigene Themen zu setzen. Das dachten sich auch einige bei der CDU – und begannen eine Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Bundesregierung sagt inzwischen, so etwas stehe nicht zur Debatte, diskutiert wird trotzdem. In der OL-Redaktion gibt es geteilte Meinungen dazu. Lesen Sie hier das Pro und Contra zu dem Thema.

Till Schmelz, freier Mitarbeiter bei OL, findet die Idee gut.

Pro: Eine Renaissance des Anstands

Deutschland diskutiert über ein Comeback für die Wehrpflicht. Junge Männer – und auch Frauen – sollen bei der Bundeswehr oder sozialen Hilfseinrichtungen ein Jahr lang Dienst schieben. Das ist gut so, denn unsere Generation hat verlernt, was es heißt, für die Gemeinschaft einzustehen.

Man nennt sie „Generation Z“, böse Zungen nennen sie „Generation Verantwortungslos“, und wieder andere nennen sie „die verlorene Generation“. Die jungen Menschen dieser Zeit müssen sich so oft den Vorwurf der Respektlosigkeit und der Verantwortungslosigkeit gefallen lassen, wie es vorher nur bei den Babyboomern der Fall war. Und aus genau diesem Grund ist die Frage nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht nur eine Frage der Verteidigung Deutschlands, sondern auch eine Frage der Renaissance des Anstands.

Denn das ist es, was die Zeit in einem „allgemeinen Dienstjahr“, wie es Teile der Union in der Debatte nennen, vermittelt. Für die Gemeinschaft einzustehen und zu lernen, was Respekt und Disziplin bedeutet. Ob es die strikte Hierarchie der Bundeswehr oder die emphatische Arbeit in Pflege- oder Erziehungseinrichtungen ist, spielt keine Rolle. Solche Erfahrungen eröffnen Blickwinkel, vor denen sich viele weigern, sie überhaupt nur in Betracht zu ziehen. Der Zwang öffnet vielen erst die Augen, dass ein Dienst an der Gemeinschaft etwas Gutes und Erfüllendes sein kann. Ich nehme mich davon selbst nicht aus. Für mich war die Wehrpflicht ausgesetzt, ich wurde nicht vor die Wahl gestellt. Auch ein FSJ kam nicht in Frage, die Altenpflege oder das Arbeiten mit Behinderten war in meinem Freundeskreis verpönt. Freiwillig hat und hätte dabei niemand geholfen.

Viele, unter anderem auch FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag Christian Lindner, sehen in der Wiedereinführung „Freiheitsentzug, Volkserziehung und Verschwendung von Lebenszeit“. Darauf stellt sich die Frage: War es vor acht Jahren, als die Wehrpflicht abgesetzt wurde, auch schon Freiheitsentzug und Verschwendung von Lebenszeit? Auch bleibt zu fragen, in welcher Hinsicht das Engagement in der Verteidigung des Landes oder die Unterstützung der Gesellschaft als Verschwendung von Lebenszeit angesehen werden kann.

Gerade mit Blick auf den Mangel an Kräften in den typischen Zivilbereichen wie der Alten- oder Behindertenpflege, oder der Nachwuchsnot bei der Bundeswehr würde die Regelung helfen, ein bundesweites Problem abzuschwächen. Grade bei der Bundeswehr darf es keine Personalnot geben. Eine starke Verteidigung nach außen sorgt auch innenpolitisch für Ruhe. Gerade in der Zeit, in welcher erneut tiefste Spannungen in der Weltpolitik herrschen, in der der Präsident der USA auf Twitter diplomatische Verhaltensmuster über den Jordan schickt, da braucht Deutschland eine starke Armee.

Auch kann die Wiedereinführung eines Dienstjahres dabei helfen, die Anerkennung der Bundeswehr und damit ihre gesellschaftliche Wiedereingliederung zu steigern. Bei der deutschen Bundeswehr geht e heute nicht in erster Linie um Krieg, sondern darum, Frieden und Menschenrechte auch außerhalb der Bundesrepublik zu verbreiten.

Ob Wehrpflicht oder nicht: Zu hoffen bleibt, dass die Debatte weitergeführt wird. Denn die Frage nach der Wehrpflicht ist doch nur die Spitze des Eisbergs, in einer Diskussion über Grundsätze wie Respekt, Anerkennung und Pflicht.

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Alina Roth, Volontärin bei OL, ist dagegen. Ihr Contra-Standpunkt.

Contra: Ein verschwendetes Jahr als billige Arbeitskraft

Sieben Jahre ist es her, dass sie ausgesetzt wurde. Doch jetzt wird in der Union darüber diskutiert, sie wieder aufzunehmen – die allgemeine Dienstpflicht oder auch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Ein Jahr lang sollen Männer und Frauen etwas für die Gesellschaft tun, sei es bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen. Das können sie auch gerne machen, allerdings freiwillig, ohne Zwang und nicht als billige Arbeitskraft.

Seit 2011 müssen Männer keine Wehrpflicht mehr leisten. Frauen waren damals generell von dem Zwangsdienst ausgeschlossen. Das könnte sich aber in der Zukunft ändern. Teile der CDU diskutieren nämlich darüber, die Wehrpflicht beziehungsweise den allgemeinen Dienst nach sieben Jahren wiederzubeleben. Sollte es zu dem Comeback kommen, dann würde das nicht nur Männer, sondern auch Frauen betreffen. Ein weiterer Fortschritt in Richtung Gleichberechtigung von Mann und Frau, könnte man meinen, und sich darüber freuen.

Doch woher kommt der Wunsch, Männer und Frauen zu einer Beschäftigung zu zwingen? Einen konkreten Grund, die Wehrpflicht wieder aufzunehmen, beispielsweise eine äußere Bedrohung der Sicherheit, scheint es nicht zu geben. Liegt der Anlass vielleicht einfach darin, dass die Bundeswehr Rekrutierungsprobleme hat, seit der Verabschiedung der Wehrpflicht zu einer Freiwilligenarmee geworden ist? Oder geht es darum, die Personalnot im Seniorenheim entgegenzuwirken und billige Arbeitskräfte zu finden? Denn das wären diejenigen, die zum helfen verdonnert würden: billige Arbeitskräfte.

Schon jetzt kann man sich beim Bundesfreiwilligendienst für im Sozialbereich engagieren. Diejenigen, die das machen, arbeiten Vollzeit und erhalten dafür einen mickrigen Hungerlohn von Pi mal Daumen 300 Euro, für den der Staat tief in die Tasche greifen muss. Ein teurer Spaß, den der Staat auch in eine Lohnerhöhung für Pflegekräfte stecken könnte. Dann bekämen die Pflegeeinrichtungen vielleicht auch Leute, die den Job machen wollen und nicht die, die es machen müssen.

Was bringt es außerdem einer älteren Dame, wenn eine 18-Jährige sie beispielsweise morgens genervt zum Waschen weckt, weil sie überhaupt keine Lust auf die Arbeit hat, sie das aber machen muss? Es hat wohl kaum einer Lust von jemandem gepflegt zu werden, der quasi dazu gezwungen wird. Dieser Meinung ist der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann. Sicher, man kann auch in einem anderen sozialen Bereich, beispielsweise im Kindergarten oder in einer Jugendgruppe seinen Dienst ableisten.

Video-Umfrage: Das sagen die Alsfelder dazu

Den Menschen sollte allerdings nicht nur die Entscheidung überlassen werden, wo sie ihren Zwangsdienst machen, sondern ob sie es überhaupt machen möchten. Immerhin ist es ein ganzes Jahr, dass verloren geht, wenn dafür das Studium oder die Ausbildung unterbrochen werden muss. Man tauscht quasi ein Jahr in einem Beruf, den man machen möchte, gegen einen, den man nicht machen möchte. Es gibt viele Menschen, die von vorne rein wissen: Ich will weder zum Bund, noch in einem sozialen Beruf arbeiten.

Anstatt Menschen zu gesellschaftlichen Diensten zu zwingen – was ja verboten ist, es sei denn jemand ändert Artikel 12 des Grundgesetzes, der besagt, dass Zwangsdienst verboten ist – sollte man lieber mal in Betracht ziehen, etwas für die Attraktivität und Anerkennung des Freiwilligen Bundeswehrdienstes, des Ehrenamts oder sozialer Berufe zu tun.

5 Gedanken zu “Pro und Contra – Brauchen wir die Wehrpflicht zurück?

  1. Politikus….so ist es. Heimat, Patriotismus, Leitkultur – mit konservativen Kampfbegriffen wirbt die CSU für einen Rechtsruck der Union.

    Und Kurt Schmidt….mich stören Ihre eigenartiger Wortlaute wie „Aufzucht des Nachwuchses“…und „Kostenfaktor“.

    Unsere Kinder sind doch keine Tiere (Aufzucht) die in einer Bilanz (Kostenfaktor)eines Unternehmens wiederzufinden sind. Sie schreiben sehr geradlinig und textbausteinhaltig. Aber nun gut. Das ist halt Ihre Meinung und Darstellung.

  2. Die ganze Diskussion, befeuert durch den offenbar mit der Kanzlerin nicht abgesprochenen (https://www.bild.de/politik/inland/annegret-kramp-karrenbauer/welches-manoever-faehrt-sie-bei-der-dienstpflicht-debatte-56581948.bild.html) Vorstoß der CDU-Generalin Kramp-Karrenbauer, wird von der Presse fast einhellig als Rohrkrepierer beurteilt. Innerparteilich sollten hier wohl Kräfte bedient werden, die aus Angst vor der AfD nach rechts drängen. Dies wird aber der Partei eher schaden. Eine Dienstpflicht wird hauptsächlich von denen bejubelt, die hiervon selbst im Pflegeheim zu profitieren hoffen.

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  3. @ Kurt Schmidt
    Also da geht mir zu viel kreuz und quer durcheinander! Was „der Staat“ und „die Eltern“ für junge Menschen getan haben, bis sie 18 Jahre alt wurden, liegt nicht auf derselben Ebene. Pauschal „etwas zurück zu geben“, indem man sich von „dem Staat“ zwingen lässt, Wehrdienst oder einen vergleichbaren Dienst zu leisten, klingt zunächst mal irgendwie „moralisch“, bei näherer Betrachtung aber nicht unbedingt logisch.
    Richtig ist, dass die Eltern – WENN sie pflichtbewusste und fürsorgliche, nach Möglichkeit auch liebevolle Eltern waren – in die Aufzucht ihres Nachwuchses viel Zeit und Geld investiert haben. Ein Kind kostet nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts im Monat durchschnittlich 584 Euro. Das macht, hochgerechnet bis zum 18. Lebensjahr, Kosten von knapp 130.000 Euro (https://www.familie.de/eltern/wie-viel-kosten-kinder-536481.html). Darin nicht enthalten ist der Negativ-Saldo der Betreuung (z.B. Minderverdienst des hauptsächlich Kinder betreuenden Elternteils sowie spätere Auswirkungen auf die Höhe seiner Rente). Was soll ein Wehrdienstleistender den Eltern denn durch diesen Wehrdienst zurück geben, der selbst ein Kostenfaktor ist, den die Eltern durch Steuern zusätzlich finanzieren müssen? Und der dazu beiträgt, dass das Wehrdienst leistende Kind ihnen aufgrund seines schmalen Wehrsolds und einer längeren Ausbildungszeit bis zur Selbständigkeit zusätzlich auf der Tasche liegt!?
    Und Ihre Vorstellung vom „Vater Staat“, der jede Menge für jeden einzelnen Staatsbürger tut und deshalb Dankbarkeit erwarten darf, stammt aus dem Biedermeier. Mit einem modernen Staats- und Gesellschaftsverständnis hat das rein gar nichts zu tun. Der Staat ist nicht das idealisierte Gemeinwohl, sondern ein Dienstleister mit über- und untergeordneten Institutionen und Organisationen, der die Interessen derer vertritt, die genau diese partikulären Interessen in dem bestehenden Dickicht kaum überschaubarer Institutionen (beim Parlament angefangen) und Organisationen (Parteien, Verwaltung, Justiz, Bildungseinrichtungen usw., usw.) am wirkungsvollsten zur Geltung bringen, indem sie über diese Institutionen und Organisationen Macht und Einfluss gewinnen. Ob „der Staat“ dem einzelnen Bürger jeweils mehr gegeben hat als er von ihm eingefordert hat, wäre im einzelnen zu prüfen. Der „kleine Mann“ wird in der Regel eher abgezockt als dass er was geschenkt bekommt, und trägt immer das volle Risiko, wenn’s schief geht.
    Ich sage nicht, dass man sich nicht für das Gemeinwohl einsetzen soll. Dies aber nur in kritischer Distanz zu den Mächten und Mächtigen, die „dem Volk“ die Verteidigung eigener Interessen oder die aus eigener Unfähigkeit resultierenden „Opfer“ gern als im Sinne des Gemeinwohls notwendig verkaufen wollen. Der mündige Bürger lässt sich jedenfalls nicht in der Weise einseifen, wie Sie dies in Ihrem Kommentar versuchen.

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  4. Kurt….sorry, so einen Blödsinn habe lange nicht gehört. Es gibt sicherlich noch andere Dinge um sich gesellschaftlich zu beteiligen. Disziplin und Ordnung fängt z.B. bei der Erziehung durch die Eltern an und sicherlich nicht bei der Bundeswehr. Die Kindergarten- und auch Schulzeit dient ebenfalls zur gesellschaftlichen Fort – und Weiterbildung. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Den von Ihnen geschriebenen Satz “ Da kann man auch verlangen, dass sie etwas zurückgeben „….Ich bin der Überzeugung, dass es sicherlich andere Möglichkeiten gibt um Dankbarkeit auszudrücken als den Dienst an der Waffe wieder zur Pflicht zu machen. Man solle sich eher die Frage stellen, warum man die Wehrpflicht wieder einführen will. Um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken… eher nicht. Um
    jungen Menschen nach Ihren Vorstellungen Disziplin beizubringen? Wollen wir damit Putin besiegen? Nein. Hier geht es um Macht und Geld. Wer weiß, welcher Politiker wieder welchem anderen Idioten auf dieser guten Erde was versprochen hat.

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  5. Ich finde es gut, wenn junge Männer und Frauen etwas für die Gesellschaft tun sollen. Ich selbst war auch 15 Monate als Wehrdienst leistender bei der Bundeswehr. Habe außer Unterkunft, Kleider und Verpflegung auch nur ein paar Mark bekommen, habe aber während dieser Zeit eine Menge gelernt. Disziplin, Selbstständigkeit und eine Kameradschaft die heute bei den meisten Jugendlichen
    fehlt, wurde hier zur Pflicht. Gerade Jugendliche sollten sich einmal vor Augen führen, was Ihre Eltern und der Staat für Sie getan haben, bis sie 18 Jahre alt wurden. Da kann man auch verlangen, dass sie etwas zurückgeben. Dies alles nur selbstsüchtig und für möglichst viel Geld zu tun finde ich beschämend. Jeder in der Bundesrepublik lebende Mensch unter 23 Jahren, der gesundheitlich in der Lage ist, sollte herangezogen werden, egal ob Mann oder Frau.

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