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INTERVIEW mit Kanzleramtschef Dr. Helge Braun über Internetausbau in der RegionBraun: Kein Netz über lange Zeit „nicht mehr zeitgemäß“

BERLIN/VOGELSBERG. Dr. Helge Braun, CDU-Bundestagsabgeordneter des Gießener Wahlkreises und seit kurzem Chef des Bundeskanzleramts, hat sich fest vor genommen, die Digitalisierung im Land voranzutreiben. Doch im Vogelsberg sind viele Bewohner unzufrieden mit dem langsamen Netzausbau. Im Interview mit Oberhessen-live im Berliner Kanzleramt räumt Braun Verbesserungsbedarf ein – und sagt, was er von der aktuellen Verkaufstaktik der Telekom hält.   

Bevor sich die Redaktion von OL nach Berlin aufmachte, haben wir unsere Leser gebeten, uns ihre Fragen an den Minister zukommen zu lassen. Ein Großteil dieser Fragen drehte sich um Probleme mit zu langsamen Internet. Deswegen – und weil eben genau diese Probleme als Minister zu beheben ein Hauptanliegen Brauns ist – haben wir uns entschlossen, dem Komplex Breitbandausbau viel Raum zu geben und als ein extra Teil aus dem großen Interview auszukoppeln.

Der Rest des Interviews mit Fragen an Braun zu den Themen Migration, Ärztemangel, der AfD im Bundestag und einigem mehr soll morgen auf Oberhessen-live erscheinen.

Oberhessen-live: Herr Braun, eines Ihrer Lieblingsthemen ist die Digitalisierung. Auch im Vogelsberg soll es jetzt endlich schnelles Internet geben. Landrat Manfred Görig sagte dazu kürzlich, dass bis Mitte 2019 alle Haushalte angeschlossen sein sollen. Doch mancherorts kappt die Telekom die alten, langsamen ISDN-Anschlüsse, ohne dass neue Leitungen bereits zur Verfügung stehen. Wie würden Sie sich als betroffener Kunde verhalten?

Dr. Helge Braun: Wir haben ja sehr dafür gekämpft, dass es die Bundesfördermittel auch für den Vogelsberg gibt. Dort wurde sehr schnell begonnen mit der Förderung des Bundes den Breitbandausbau umzusetzen. Ich habe mehrfach schon mit den Leuten vor Ort gesprochen, bei den Bundesprogrammen gibt es Verbesserungsbedarf, den wollen wir in dieser Legislaturperiode angehen.

Wenn der vollständige Ausbau im Vogelsberg schon 2019 abgeschlossen ist, ist es ja nicht so schlimm für diejenigen, die heute schon einen vertretbar schnellen Internetzugang haben. Voraussetzung ist, dass diejenigen, die jetzt wirklich sehr kurzfristig eine schlechte oder keine Versorgung haben, bevorzugt angeschlossen werden. Das ist die zentrale Maßgabe.

Aber Sie können den Kunden von staatlicher Seite nicht versichern, dass sie von der Telekom irgendeine Art der Entschädigung bekommen oder dass der Konzern gezwungen werden kann, den Übergang reibungsloser zu gestalten?

Zwingen kann man dazu derzeit nicht. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir einen Rechtsanspruch auf einen schnellen Internetanschluss ab dem 1. Januar 2025 schaffen werden. Den wollen wir bis zur Mitte dieser Legislaturperiode ausgestalten, aber den gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

Mit solchen Plakaten wirbt die Telekom in Alsfeld für ihren Netzausbau.

Mit solchen Plakaten wirbt die Telekom in Alsfeld für ihren Netzausbau.

Was hieße dieser Rechtsanspruch denn konkret? Gäbe es durch ihn dann doch eine Entschädigung für die Kunden?

Nein, das hieße, man wird angeschlossen. Wir wollen in den nächsten Jahren sehr viel öffentliches Geld in die Hand nehmen und einen Wettbewerbsrahmen setzen, damit die Kommunikationsunternehmen von sich aus ein hohes Interesse daran haben, wirtschaftlich die Netze auszubauen. Und wenn dieser Ausbauprozess abgeschlossen und die weißen Flecken auf der Karte verschwunden sind, ich aber immer noch kein schnellen Anschluss habe – dann kann ich mich bei der Bundesnetzagentur melden. Die Agentur verpflichtet dann den Anbieter, der am nächsten an meinem Haus dran ist, mir sofort eine schnelle Leitung zu legen.

Das heißt der Rechtsanspruch würde den Vogelsbergern erst nutzen, wenn im Bundesgebiet als auch im Vogelsberg selbst der Ausbau eigentlich schon durch ist und man davon nicht profitiert hat?

Genau. Und die Hoffnung ist, dass man die Gesetzesregelung dann gar nicht mehr braucht – weil die Anbieter jetzt schon von der Regelung wissen und merken, dass es ein großer Nachteil werden wird, wenn sie jetzt einen Aussiedlerhof nicht sofort mit anschließen und später dazu verpflichtet werden.

Die CDU ist schon seit 2005 an der Regierung. In Finnland gibt es bereits seit 2010 ein Grundrecht auf schnelles Internet. Warum haben Sie diese Idee erst jetzt?

Hätten wir vor 15 Jahren einen Rechtsanspruch erarbeitet, wäre es ein Rechtsanspruch auf ISDN gewesen – und diese Technik ist heute obsolet. Erst jetzt nach ADSL und Vectoring haben wir mit den Glasfasernetzen eine Technik, von der man sagen kann, die wird für sehr lange Zeit das schnellste sein, was man sich vorstellen kann. Deswegen ist es gut, jetzt mit dieser Technik einen flächendeckenden Ausbau anzustreben.

Hätten wir vor 15 Jahren einen Rechtsanspruch erarbeitet, wäre es ein Rechtsanspruch auf ISDN gewesen

Nochmal zur aktuellen Taktik der Telekom, die alten ISDN-Leitungen zu kappen und zu sagen, die alten Verträge werden nicht mehr verlängert, ihr müsst sofort wechseln, sonst steht ihr ohne Internet da: Es wird teilweise ordentlich Druck auf die Kunden in Alsfeld und Umgebung ausgeübt. Finden Sie das fair von der Telekom?

Ich finde das nicht richtig. Ich habe auch schon einige Bürger aus dem Vogelsberg, die sich genau mit dieser Problematik an mich gewandt haben. Da kann man nur appellieren, dass man für die eine schnelle Übergangslösung findet. Und dann sehr bald eine gute Dauerlösung mit Glasfaser. Die Vorstellung, dass jemand gar keinen Internetanschluss über einen längeren Zeitraum hat, finde ich nicht mehr zeitgemäß.

Und Übergangslösung könnte was sein? Netz per Satellit?

Da gibt es ja die unterschiedlichsten technologischen Möglichkeiten, auch die Telekom arbeitet jetzt an Funklösungen, die viel besser sind als die, die wir aus der Vergangenheit kennen. Über so etwas muss man natürlich nachdenken, damit jemand nicht komplett ohne Internet da steht. Aber nochmal: Wir können an das Unternehmen nur appellieren, dies anzubieten – es aber nicht dazu zwingen.

Von Luisa Stock und Juri Auel 

Blick auf den Reichstag aus dem Berliner Kanzleramt.

Blick auf den Reichstag aus dem Berliner Kanzleramt.

2 Gedanken zu “Braun: Kein Netz über lange Zeit „nicht mehr zeitgemäß“

  1. Es ist einfach eine Dreckigkeit hoch zehn, dass viele Menschen im Vogelsberg noch mit einer Internetleitung leben müssen, die dem Standard von vor über zehn Jahren entspricht (beispielsweise DSL 4000). Die Bewohner von afrikanischen failed states haben zum Teil besseres Internet als wir hier. Um den ländlichen Bereich wird sich generell einfach zu wenig gekümmert. Aber Hauptsache, unser Wasser immer weiter in die Kloake Rhein-Main pumpen :>

  2. Ich bin mal gespannt, ob bis 2019 in jedem Ort schnelles Internet möglich ist. Bis jetzt ist mancherorts ein weißer Fleck auf der Landkarte, wo es
    K e i n mobil Funknetz (GSM/UMTS) Netz gibt.
    Genauso werden die Versprechungen dann bei dem schnellen Internet sein. Bisher hat sich kein Politiker dafür interessiert, ob das ausgegebene Geld (Steuergelder) auch wirklich zu 100% dafür ausgegben werden, damit jeder ein schnelles Internet bekommt. Im Vogelsbergkreis soll es ja nur zu 95% technisch umsetzbar sein.
    Politisch sind es natürlich 100% …

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