Pressekonferenz zum Mordfall an achtjähriger Johanna Bohnacker: Staatsanwaltschaft und Polizei geben Details bekanntMordfall Johanna Bohnacker: Tatverdächtiger durch andere Sexualstraftat entdeckt
REGION (ls). Nach 18 Jahren wurde im Fall des Mordes der achtjährigen Johanna Bohnacker am Mittwoch in dieser Woche endlich ein Tatverdächtiger festgenommen. Ein 41-Jähriger wurde in Friedrichdorf von der Polizei geschnappt. In einer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen gaben die Staatsanwaltschaft Gießen und die Polizei Gießen nähere Details zur Festnahme bekannt. Der Mann sei durch eine andere Sexualstraftat aufgefallen. Die Fasern und ein Fingerabdruck an einem Klebeband sollen letztendlich den Ausschlag zum Erfolg der Ermittler gegeben haben.
Rückblick: Vor 18 Jahren soll der Tatverdächtige die Achtjährige am 2. September 1999 im Bereich eines Radweges in Ranstadt-Bobenhausen gewaltsam in den Kofferraum seines Autos – einen VW Jetta – gezerrt haben, sich an ihr sexuell vergangenen und sie anschließend getötet haben. Ein Jahr später wurde die Leiche des Mädchens in einem Waldstück bei Lingelbach gefunden. Seitdem habe die Polizei nie aufgehört, nach dem Täter zu suchen. „In all den Jahren gab es immer wieder Bemühungen, den Täter zu fassen. Wir haben nie aufgehört, nach ihm zu suchen“, sagte der der Leiter der Sonderkommission Roland Fritsch. Bislang blieb die Suche allerdings erfolglos. Bis in dieser Woche.
Am Mittwoch wurde der Tatverdächtige gefasst und ein Haftbefehl wegen Mordes und besonders schwerer sexueller Nötigung erlassen. Der Mann sei überwiegend geständig. „Der Mann zeigt sich verantwortlich für den Tod des Mädchens und gibt ebenfalls zu, sexuelle Absichten an diesem Tag gehabt zu haben“, erklärte der Gießener Staatsanwalt Thomas Hauburger in der Pressekonferenz. Den Tod des Mädchens begründete der Tatverdächtige mit einem Unfall. „Wir gehen erst einmal von vorsätzlicher Tötung aus, weil wir davon ausgehen, er wolle den sexuellen Missbrauch an dem Mädchen verdecken“, gab Thomas Hauburger von der Staatsanwaltschaf bekannt. Mehr könne er dazu nicht sagen.
Auf die Spur des vorbestraften Beschuldigten sei die Polizei durch eine andere Sexualstraftat gekommen: Den sogenannten Maisfeld-Fall. „2016 entdeckten Passanten in einem Maisfeld, wie der Tatverdächtige sexuell motivierte Fesselspiele mit einem 14-jährigen Mädchen durchführte. Das Klebeband und auch die Fesselung waren hier ausschlaggebend“, ergänzte Hauburger. Der Maisfeld-Fall veranlasste die Polizei und die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen, woraufhin eine Hausdurchsuchung bei dem Tatverdächtigen stattgefunden habe. Dabei seien kinderpornographische Dateien gefunden worden. „236 Datenträger und 120 Videokassetten haben wir insgesamt gefunden. Das waren insgesamt 17 Millionen Dateien und davon 6 Millionen Bild- und Videodateien, die wir ausgewertet haben“, erläuterte Fritsch die Einzelheiten der Ermittlungen.
Ausschlaggebend sei allerdings das Klebeband gewesen, das sowohl im Maisfeld-Fall, als auch im Fall der Johanna Bohnacker gefunden wurde. Die darauf befindlichen Fasern sollen mit den im Johanna Bohnacker Fall übereingestimmt haben. „Wir haben beide Klebebänder untersucht und die Spuren darauf verglichen. Das hat letztendlich dazu geführt, dass wir den Täter beweiskräftig überführen konnten“, erklärte Hauburger das komplexe Ermittlungsverfahren. Auf dem Klebeband im Fall der Johanna Bohnacker habe man einen minimalen Teil eines Fingerabdrucks gefunden, der letztendlich den Ermittlungsdurchbruch darstellte: Er soll mit dem linken Daumen des 41-Jährigen übereingestimmt haben. Der Maisfeld-Fall wird ebenfalls weiterhin untersucht.
Auch während der umfangreichen Ermittlungen in den vergangenen Jahren – unter anderem habe die Polizei Massentests organisiert und Fingerabdrücke von Männern, die den gleichen Fahrzeugtyp fuhren genommen, sei der Tatverdächtige damals bereits überprüft worden. „Ja, auch er wurde damals überprüft und auch seine Fingerabdrücke wurden genommen. Allerdings handelte sich bei dem Fingerabdruck auf dem Klebeband um eine minimale Spur. Die Spurenqualität zu der Zeit war allerdings noch nicht auf dem technischen Stand von heute und es ließ sich leicht verzerren“, erklärte der Staatsanwalt.
Fahndung in „Aktenzeichen XY“ brachte keinen Erfolg
Auch der Fahndungsaufruf 2014 bei der Sendung „Aktenzeichen XY“ sei erfolglos geblieben. „Insgesamt haben wir 1500 Hinweise untersucht und rund 200 Aktenbände zum Fall Johanna Bohnacker. 2016/2017 haben wir den Fall erneut aufgearbeitet und unbeteiligte Kollegen, die nicht damit vertraut waren, die Akten nochmal durchsehen lassen“, sagte Fritsch. Man habe sogar alle bekannten Fakten so zusammengesetzt, dass man ein Bild vom Tag des Verschwindens zeichnen könnte. „Ein solcher Fall lässt die Ermittler niemals ruhen. Man fühlt sich verpflichtet und man möchte den Angehörigen Antworten liefern“, ergänzte Fritsch. Das ist ihnen nach gut 18 Jahren gelungen. Die Familie als erstes informiert worden. Man habe sie „von Anfang an eng eingebunden“ in die Ermittlungen, wie Hauburger ausführte. Es sei ein hochemotionaler Moment gewesen.
Bei dem 41-Jährigen handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um einen ledigen, kinderlosen Mann ohne Beruf. Er sei allerdings vorbestraft wegen Betäubungsmitteldelikten und aufgrund von Verkehrsdelikten habe er bereits in Haft gesessen. Verbindungen zwischen zu weiteren ungeklärten Fällen soll es aktuell nicht geben. „Der Mann hat sich nicht nur um seinen Heimatort bewegt. Wir rekonstruieren in den Ermittlungen auch seine Aufenthaltsorte“, erklärte Fritsch. Belastbare Hinweise, dass der Mann für weitere Missbrauchsfälle, Morde oder dem verschwinden anderer Mädchen verantwortlich sei gebe es derzeit nicht. Jetzt wolle man die „herausragende und erfolgreiche“ Arbeit der vergangenen Jahre nochmals „intensivieren“ um endlich zu einem Abschluss zu kommen.
Schreibe einen Kommentar
Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.
Einloggen Anonym kommentieren