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Viele Besucher und starke Auftritte gab es beim Vogelsberger Kirchentag am vergangenen WochenendePreacher-Slam und viel Musik lockt Besucher an

LAUTERBACH (lrn). „Einfach super“, so kommentierte die Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit des Evangelischen Dekanats Vogelsberg, Lisa Häberle, am späten Samstagabend den ersten der beiden Tage des Vogelsberger Kirchentags.

Das sehr positive Resümee resultierte vor allem aus dem guten Wetter und den zahlreichen Besuchern der beiden Auftaktveranstaltungen – dem Posaunenkonzert in der Stadtkirche und dem Preacher Slam, einem Vortragsmarathon von Kurzpredigten auf dem Lauterbacher Markplatz. Fast zwei Stunden lang brachte ein Ensemble aus rund 70 Blasinstrumenten spielenden Musikern unter Leitung von Landesposaunenwart Albert Wanner richtig Schwung und Rhythmus in das Innere des Gotteshauses.

Mit Musik beschwingt das Fest genießen

Verschiedene Ensembles unterhielten das Publikum mit einer Mischung aus kirchlicher, weltlicher und Filmmusik. Der Landesposaunenwart machte aus den bunt zusammengewürfelten Musikern auch aus dem Dekanat und dem Junior Brass einen wohl klingenden und sehr flott musizierenden Klangkörper. Oft fühlte man sich dabei gar nicht wie bei einem Konzert in einer Kirche. Auch Junior Brass mit unterschiedlichen Dirigenten lieferte ein eindrucksvolles Musikrepertoire. In einem Workshop vor der Veranstaltung hatte das große Ensemble erstmals zusammen Musik gemacht.

Auftaktkonzert in der Stadtkirche mit Posaunenchören und der Preacher Slam waren die herausragenden Veranstaltungen am Samstag beim ersten Vogelsberger Kirchentag des Evangelischen Dekanats Vogelsberg.   Alle Fotos: lrn

Ein überraschendes Ergebnis kam bei rund zweistündigem Preacher-Slam, einem Marathon von fünfminütigen selbstgeschriebenen Kurzpredigten, heraus. Die Sekretärin des Dekanats, Helga Schäfer aus dem Grebenhainer Ortsteil Metzlos-Gehaag setzte sich bei der Bewertung durch das zahlreiche Publikum mit Pfarrer Jürgen Seng aus Schlitz-Hartershausen/Fraurombach an die Spitze und gewann zusammen mit ihm gegen die übrige Reihe von Vogelsberger Theologen.

„Gott neu entdecken“, dieses Motto begleitete alle Veranstaltungen des zweitägigen Kirchenfestes und kam dabei in vielfacher Weise zum Ausdruck. Auch die Reden bei dem Eröffnungskonzert spiegelten den Tenor genauso wieder wie beim Preacher Slam und den insgesamt rund 30 anderen Veranstaltungen an den beiden Tagen zum 500. Geburtstag der Wiederkehr von Luthers Thesen. Kirchenaustritte, Unmut über die „Politik“ der Kirchenoberen, Missbrauchsfälle und leere Kirchen lassen die Verantwortlichen der beiden großen christlichen Religionen wohl auch auf dem flachen Lande zu neuen Ideen und Mitteln greifen, um wieder mehr Menschen an sich zu binden und ihnen in einer kompliziert gewordenen Welt mit immer mehr Konflikten einen gewissen Halt zu bieten.

Mit dem Vogelsberger Kirchentag den Glauben neu entdecken

Diese Vielfalt, den Glauben neu zu artikulieren und nach außen darzustellen, dient sicherlich auch dieser erste Vogelsberger Kirchentag. Mitwirkende waren dabei auch Akteure aus den beiden Nachbardekanaten Alsfeld und Büdinger Land. Unglücklich war sicher allerdings, dass zum gleichen Zeitpunkt in der Nachbarstadt Alsfeld zwei Tage lang mit Theateraufführungen des denkwürdigen Ereignisses für die evangelischen Christen begangen wurde, diese Überschneidung hätte so nicht sein müssen.

Die Anwesenheit auch von Gästen von Außerhalb zeigte deutlich, dass dieser erste Vogelsberger Kirchentag auch eine Wirkung über den heimischen Kreis hinaus hatte. Zu den Gästen zählten etwa der Propst von Oberhessen, Matthias Schmidt, und der katholische Dekan von Alsfeld-Homberg, Jerzy Dmytruk. Dass Reformation etwas mit den 95 Thesen Luthers zu tun habe und dass unter dem Motto „Gott neu entdecken“ spannende neue Thesen gefunden worden seien, betonte die kommissarische Dekanin Luise Berroth.

„Das Motto ist gut gewählt“, bekundete Dr. Berthold Riedesel von der Patronatsfamilie der Freiherren Riedesel zu Eisenbach. Als Erwachsener gelte es, einen eigenen Weg im Glauben zu finden, da reiche der Kinderglauben nicht mehr aus. Leicht werde der Glaube heute beiseite geschoben, doch das leben bestehe eben nicht nur aus Sonntagen, meinte der Baron. Da helfe Gott, es müssten neue Erfahrungen in der Beziehung zu Gott gefunden werden.  Dies sei nicht nur Ziel, sondern auch Aufgabe der christlichen Gemeinschaft. Die Kirche brauche diese Gemeinschaft. Es bestehe heute die Gefahr, dass die Kirche immer mehr zur Randerscheinung werde, deshalb sei ein neuer Aufbruch notwendig. „Regeln und Werte können nur so erhalten werden“, so Riedesel. „Jeder Christ sollte sich zu seinem Glauben bekennen“, forderte der Vertreter der Patronatsfamilie.

Jürgen Seng und Helga Schäfer gewann mit der Note 8,8 den Preacher Slam.

Die Vorsitzendende des Kirchenvorstandes, Jutta Hess, fühlte sich wie Sherlock Holmes,  mit einer Lupe auf Spurensuche nach neuen Wegen, um Gott auf neuen Pfaden zu entdecken. Dies sei sehr spannend, und es sei schön, dass sie dabei nicht allein sei. Sie freute sich über die gemeinsame Spurensuche, denn „wir werden alle bereichert und Gott neu entdecken“.

Orientierungshilfe um die Menschheit zu bewahren

In einer Zeit großer Herausforderungen sei es wichtig, einen Kompass zu haben, bekundete Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak. In den letzten zehn Jahren sei die Geschichte nicht stillgestanden, es habe viele Auseinandersetzungen und politische Unruhen gegeben. Das friedliche Zusammenleben werde oft nicht als Zeichen der Vielfalt, sondern vielmehr der Bedrohung begriffen. „Wir sollten uns unserer Wurzeln und Grundlagen erinnern“, forderte der CDU-Politiker. Mischak sprach von einem Kompass der christlichen Nächstenliebe. Der Kreispolitiker sehe in der Religion eine Orientierungshilfe, die neu sortiert werden müsse. Ohne ihre Wiederentdeckung könne die Menschheit schwer bewahrt werden.

Auf die Gunst des zahlreich anwesenden Publikums waren die Vortragenden beim Preacher Slam angewiesen. Hier galt es, in maximal fünf Minuten plus einem Zuschlag von 16 Sekunden selbstverfasste Gedanken unter dem Thema „Gott neu entdecken“ unters Volk zu bringen. Unter der Moderation von Michael Kaiser wetteiferten acht Frauen und Männer um die Gunst der Zuhörer und ihre Bewertung. Eine Art theologischer Wettstreit, der dem Anschein nach allen, Vortragenden und Zuhörern viel Spaß machte, denn sie brachten unterschiedliche Herangehensweisen an die Thematik, sich Gott neu zu nähern, zum Vorschein. Dass es selbstgeschrieben sein musste und ein bestimmter Zeitrahmen eingehalten werden musste, waren die wesentlichen äußeren Rahmenbedingungen. Bei manchen fiel das Einhalten des Zeitrahmens schwer. Beifall belohnte jeden der Slamer und den theologischen Inhalt.

Die Reihenfolge der Teilnehmer wurde vorab ausgelost, ehe es in folgender Aufstellung an den Start ging: Luise Berroth (Maar, Dekanin), Martin Reibeling (Alsfeld), Heidi Kuhfus-Pithan (Altenschlirf/Schlechtenwegen), Sylvia Puchert (Crainfeld), Dorothea Göbel (Lauterbach), Wolfgang Kratz (Herchenhain), Jürgen Seng (Hartershausen/Fraurombach) –  fast alles evangelische Theologen – Helga Schäfer (Metzlos-Gehaag, Sekretärin des Dekanates) und Heinrich Schäfer (Lauterbach, katholischer Pfarrer).

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