Tinariwen spielen am Freitag auf dem Herzberg FestivalHerzberg Festival: Ein Blick in die Kultur der Tuareg
HERZBERG/BREITENBACH (mb). Auf dem Herzberg Festival geht es um Liebe, Freiheit und Frieden. Die Menschen behandeln sich auf eine Art und Weise, wie man sie nur noch selten in unserer Welt voll mit Arbeit, medialer Aufmerksamkeit und Leistungsdruck findet. Genau darüber singt die Band Tinariwen, deren Mitglieder aus dem Volk der Tuareg abstammen. Oberhessen-live hat mit Sängerin Mina über deren Kultur, das Herzberg Festival und ihre Lieder gesprochen.
Die Tuareg, das ist ein Volk, das unter der afrikanischen Sonne der Sahara wandert. Das Wandern bedeutet für sie Freiheit. Leider sind sie in dieser sehr eingeschränkt, da sie kein eigenes Land haben und in Konflikt mit anderen Ländern stehen und oft aus ihrer Heimat fliehen müssen. Tinariwen singen über Freiheit und Liebe, über die Sehnsucht, aber auch über kritische politische Themen aus ihrer Heimat. Auf die Frage, ob sie diese überall singen können antwortet Mina: „Wir singen unsere Lieder überall“ und lächelt „oft verstehen uns andere Kulturen auch nicht.“ Tinariwen singen auf dem Herzberg vor allem in ihrer eigenen Sprache ‚Tamaschek‘ aber sie singen auch auf Französisch. Die meisten ihrer Tourneen beschränken sich allerdings auf den europäischen Raum, aber auch in den USA haben sie schon gespielt und spielen im November in Hong Kong.
„Unsere Lieder handeln von Politik, Freiheit und Liebe.“
Im Sommer spielen sie in Dänemark auf dem ‚Roskilde Festival‘: „Hier haben wir 2001 unser erstes Konzert in Europa gespielt“, erinnert sich Mina. Auch in Deutschland spielen sie noch auf einigen Konzerten, so zum Beispiel am 7. August in Frankfurt im Palmengarten. Und wie gefällt der Band das Herzberg Festival? „Das Festival ist so toll! Wir sind seit gestern da und es hat den ganzen Tag geregnet. Die Leute haben sich ausgezogen, die Kinder haben im Matsch gespielt und wollten tauchen. Die Atmosphäre ist einfach super alle helfen sich gegenseitig, das ist sehr schön zu sehen.“
In der Kultur der Tuareg verschleiern vor allem die Männer das gesamte Gesicht.
Tinariwen spielen auf ihren Konzerten in der in ihrer Kultur üblichen Kleidung. Die Männer kleiden sich in Gewänder und haben einen Turban auf. Das Ganze nennt sich auf Tamaschek ‚Erhewid‘. Die Frauen ziehen lockere Gewänder an, den sogenannten ‚Tasanist‘. Mina erzählt aus der Kultur der Tuareg: „Mit 16 Jahren werden Männer in unserer Kultur erwachsen. Sie bekommen die ersten Bartstoppeln – das ist für uns ein Zeichen der Männlichkeit. Zur Feier bekommt er dann traditionell seinen Turban vom Dorfältesten aufgesetzt.“ Leider wird diese Tradition heutzutage nur noch selten ausgeführt, sagte Mina. Für die Mädchen gebe es so ein Fest nicht.
Für die Männer das Erehewid, für die Frauen den Tasanit
„Zwischen 9-18 Jahren etwa tragen die Mädchen ein blau-schwarzes Tuch, mit etwa 20 Jahren bekommen sie dann ihren Tasanist: Das schwarze Tuch.“ In der Kultur der Tuareg gelten Mädchen zwischen 20 und 30 als besonder schön, weswegen sie das Tuch in diesem Alter bekommen. Die Tuareg leben im muslimischen Glauben, Mina betet auch fünfmal täglich. Trotzdem gibt es einige kulturelle Unterschiede gegenüber der muslimischen Kultur, die wir Europäer gewohnt sind.
Der männliche Teil der Band.
Die Männer der Tuareg sind oft bis auf die Augen von ihrem Erhewid eingeschleiert. „Wenn die Männer krank sind, oder schwach sind oder einfach nicht den Bart rasiert haben, dann verstecken sie in unserer Kultur ihr Gesicht.“ Die Frauen benutzen ihre Tücher aber auch oft zur Verhüllung des Gesichtes. Um sich vor der Sonne, dem Wind und dem Sand der Sahara zu schützen. Sie zeigt die verschiedenen Arten, mit der man sich im Tasanist vor dem Wetter schützen kann. „Wir sind aber vollkommen frei in der Entscheidung, ob wir die Kleidung tragen oder nicht. Sie hat sowohl religiösen, als auch kulturellen Hintergrund.“
Tinariwen möchten ihre Kultur in der Welt bekannt machen und sie repräsentieren, deshalb ziehen sie auf der Bühne immer die traditionelle Kleidung ihres Volkes an. Hinter der Bühne haben viele der männlichen Mitglieder ihre Robe ausgezogen. Mina, die mittlerweile in Hamburg mit ihrem Mann und zwei Kindern wohnt, hat auch ihre ganz gewöhnliche Alltagskleidung mit im Gepäck. „In Hamburg laufe ich auch ganz normal in Jeans durch die Gegend.“
Die Band macht viel Stimmung unter den Besuchern.
Die anderen Bandmitglieder wohnen zum größten Teil in Algerien, für Konzerte kommt die Band dann immer wieder zusammen. Aufgrund des Krieges konnte Mina ihre Familie einige Zeit nicht mehr sehen. Ihr Vater lebt immer noch das ursprüngliche Nomadenleben des Tuareg Volkes. „Wenn ich zu Hause bin, dann gehe ich zu dem Brunnen, wo er immer sein Wasser holt. Dort frage ich mich dann durch wer ihn zuletzt gesehen hat.“ Außer ihrer Schwester hat kaum jemand ein Handy, die Kommunikation läuft somit schwer. Trotzdem findet Mina, dass das Leben noch schöner war, als es noch keine Handys und Computer gab. „Die Leute sitzen nebeneinander und schauen nur in ihr Handy. Das ist sehr schade.“
Interviewpartnerin Mina mit einer traditionellen Tasse grünem Tee.
Zum Abschluss des Interviews gibt es noch ein Glas frisch gebrühten grünen Tee auf traditionelle Art der Tuareg. Tinariwen – eine Band, die die Ideen und den Spirit des Herzberg Festivals voll und ganz vertritt. Liebe, Freiheit und Einigkeit. Von den Hippies und anderen Kulturen kann man noch einiges lernen und der Grundgedanke dieses Festivals sollte sich jeder Besucher und Leser noch einmal verinnerlichen. Peace und Love von den ‚Fools on the Hills‘.
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