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Ein neues Organ im Darm, Street Food und neue Kontrollmethoden bei DiabetesEin Plädoyer für den samstäglichen Eintopftag

ALSFELD (ol). „Roggenbrot, Hausmacher Wurst und sauer eingelegte Gurken sind die perfekte Diät“, dafür plädierte die Diabetesberaterin Ursula Reul-Hölscher die Woche in ihrem Vortrag „Blutzucker – ein Spiegel Ihrer Lebensgewohnheiten“ in der Krankenpflegeschule des Kreiskrankenhauses in Alsfeld.

Von Darmbakterien, die Diabetes begünstigen oder sogar verschlimmern können, über neue Kontrollverfahren bis zu Street-Food – also „schnellem Essen“ – schlug Reul-Hölscher erneut einen gekonnten Bogen in ihrem für Laien gut verständlichen Referat, wie in einer Pressemitteilung bekannt gegeben wurde.

Ein Vortrag für die, die es nicht nötig haben

Wie jede Vortragsveranstaltung des Krankenhauses, die von dem Förderverein „Freunde und Förderer des Kreiskrankenhauses e.V.“ veranstaltet wird, begrüßte auch dieses Mal ein Vorstandsmitglied des Vereins, Dr. Erich Heinz, die rund 60 Interessierten. Heinz, zweiter Vorsitzender und früher selbst niedergelassener Internist in Alsfeld, stellte provokativ – aber mit einem Augenzwinkern – zu Beginn des Abends folgende These in den Raum: „Es kommen sowieso nur diejenigen, die sich eh schon gut ernähren. Die, denen der Vortrag guttun würde, sitzen zuhause und futtern.“ Das Lachen des Plenums gab ihm offensichtlich recht.

Bevor es tatsächlich um das leidige Thema Essen ging, stieg Ursula Reul-Hölscher mit einem ganz aktuellen Wissen ein: Dem Darmmikrobiom. Das Darmmikrobiom ist ein bisher noch nicht erkanntes „Organ“ – wie Wissenschaftler es gerne bezeichnen – im Darm. Dabei beschreibt es eigentlich eine bestimmte Funktion des Darmes. Das Mikrobiom bestehe zu 90 Prozent aus Bakterien, so Reul-Hölscher, mit denen der Mensch im Normallfall im Einklang lebt. Allerdings, und das ist die neue Erkenntnis der Wissenschaft, könnten eine günstige oder aber auch ungünstige Besiedlung Auswirkungen auf das Körpergewicht haben. „Diese Bakterien können beispielsweise Heißhungerattacken auslösen oder gerade das Gegenteil bewirken“, weiß die Ernährungsberaterin. Damit übe das Mikrobiom indirekt auch einen Einfluss auf die Diabeteserkrankung aus.

Von individuellen Bakterien und Gewichtsfluktuation

Rund zwei Drittel der Bakterien seien bei jedem Menschen gleich, während das andere Drittel individuell sei – ein persönlicher Fingerabdruck also! Welche Nahrung der Körper gut verdauen kann und ob der Mensch davon zu oder abnimmt, hänge laut Reul-Hölscher demnach von der individuellen Bakterienbesiedlung im Darm ab. „Es können zwei Personen exakt das gleiche Essen zu sich nehmen – dabei nimmt der eine davon zu, der andere nimmt aber ab“, so die Expertin.

In ihrem Vortrag klärte die engagierte Diabetesberaterin die Zuhörer auf, wie man durch gesunde Ernährung und einem bewussten Lebensstil diese Bakterien beeinflussen könnte. „Das ist natürlich leichter gesagt als getan“, weiß die mehrfache Mutter und Großmutter, die die Herausforderungen und Verführungen selbst nur zu gut kennt. Denn der Berufsalltag, das Ausüben von Ehrenämtern oder der Familienalltag erfordern manchmal „schnelle Essen“. Oftmals werde dann auf das vermeintlich verpönte „Street-Food“ zurückgegriffen.

Aber nicht nur die Essensauswahl im Schlaraffenland der Schnell-Versorger an sich sei das größte Problem, sondern dass sich viele zu wenig Zeit zum Essen nehmen, schnell zwischendurch etwas „reinschieben“ und somit nicht mehr „bewusst“ essen. „Das Gehirn registriere dann auch einen kalorienreichen Burger oder Currywurst mit Pommes nicht als vollständige Mahlzeit“, weiß die Expertin. So würde man am Ende des Tages mehr essen, als es eigentlich notwendig wäre.

Ursula Reul-Hölscher referierte wie immer sehr verständnisvoll und anschaulich über den Umgang und Lebensführung bei einer Diabeteserkrankung. Foto: Anja Kierblewski

Street Food nicht verteufeln

Natürlich sei das vielfältige Essensangebot auf der Straße unheimlich verlockend. Auch der ernährungsbewussten Ursula Reul-Hölscher falle es schwer, morgens nicht in die Bäckerei hinein zu gehen, wenn sie den herrlichen Duft der frisch gebackenen Brötchen auf ihrem Weg zur Arbeit rieche. „Bei dem Duft kommen mir Erinnerungen an meinen letzten Urlaub wieder hoch, an dem ich mir morgens immer frische Brötchen gegönnt habe…“

Überraschend an dem Abend war, dass die Expertin Street Food gar nicht verteufelte. Im Gegenteil, sie hob manche Angebote sogar besonders hervor. Sie wies auf unterschiedliche Street Food-Varianten hin – beispielsweise amerikanische, asiatische, türkische, italienische und natürlich deutsche Angebote in den Fußgängerzonen und Drive-Inns. Statt zu kritisieren, zeigte sie den konzentriert lauschenden Zuhörern auf, wie man selbst aus dem Essen auf der Straße eine gesunde und ausgewogene Mahlzeit gestalten könnte. „Es muss nicht immer der große Burger sein – die italienische Küche beispielsweise, kocht in den meisten Fällen immer frisch und ausgewogen.“ Und: „Zwar hat der beliebte Döner in etwa so viele Kalorien wie ein „Big Mac“, aber er ist größer und mit seinem frischen Gemüse um einiges nahrhafter und macht satt.“

Traditionellen Eintopftag wieder einführen

Auch das Fischbrötchen, das die begeisterte Nordsee-Urlauberin lieben gelernt hat, sei durch seine gesunden Fette und dem hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt ein wunderbares und vor allem nahrhaftes Fast Food. Generell könne jedes womöglich ungesunde Essen durch einen Salatteller oder Rohkost sättigender und vor allem gesünder gemacht werden. Dabei wirke sich der Salat mit einem Dressing aus Essig oder Öl sogar positiv auf den Insulinspiegel aus.

Auch der klassische Metzger um die Ecke könne mit warmen und kalten, nahrhaften Speisen aufwarten. So sei zum Beispiel die Hausmacher Wurst um einiges fettärmer, als die beliebte Bratwurst, bestätigt auch ein Metzger im Publikum, selber Diabetes-Patient. Besonders die verschiedenen angebotenen Suppen in den Metzgereien haben es Ursula Reul-Hölscher angetan, die in diesem Zuge auch gleich für den traditionellen Eintopftag am Samstag plädierte.

Viel trinken und auf Kohlenhydrate achten

Um sich auch mit wenig Zeit eine gesunde Mahlzeit in der Stadt zu besorgen, muss besonders auf die Menge der Ballaststoffe geachtet werden. Je mehr Ballaststoffe ein Gericht enthält, umso gesünder sei es. „Mehr Ballaststoffe bedeuten aber auch: Mehr trinken“, so die 61-Jährige, die in diesem Zusammenhang nochmal auf die angebotene Getränkeauswahl für die angeregten Zuhörer im Saal verwies.

Besonders Diabetespatienten sollten neben den Ballaststoffen außerdem auch darauf achten, welche Kohlenhydrate in der Mahlzeit stecken und ungesättigte Fettsäuren sowie Trans-Fettsäuren vermeiden.

Nichts destotrotz, machte sich die Referentin als Alternative zum Fast Food für die zuhause vorbereitete Imbisse stark: „Eine Brotbox mit Rohkost oder sauren Gurken und einer kleinen Portion Obst bietet alle wichtigen Nährstoffe, die der Körper und vor allem der Darm für den Tag benötigen – außerdem weiß man so genau, was drinsteckt.“

Viel Gemüse, viel Obst, wenig Fett und viel Bewegung

Zusammenfassend war das Ansinnen der Mitarbeiterin des Alsfelder Kreiskrankenhaus, zu vermitteln, dass das A und O einer gesunden Ernährung – nicht nur für Diabetespatienten – viel Gemüse, viel Obst, wenig Fett und viel Bewegung sei. „Und mehr Eintöpfe“

Zum Ende des ausführlichen und lehrreichen Vortrages nahm sich Ursula Reul-Hölscher noch viel Zeit, um mit den Gästen individuelle Gespräche zu führen, Fragen zu beantworten und weitere Tipps zu geben.

Der nächste Vortrag aus der KKH-Reihe für medizinisch Interessierte findet wie üblich am ersten Dienstag im Monat statt, dieses Mal am 1. August 2017. Thema des Referenten Udo Weisbach, Fachkraft für Hygiene, ist der in aller Munde bekannte und gefürchtet Krankenhauskeim: „Wir bieten dem Krankenhauskeim Paroli!“ In seinem Vortrag erläutert er die Hygienemaßnahmen in der Alsfelder Klinik.

Neues Verfahren zur Blutzuckermessung

Für viele Diabetespatienten ist das ständige Stechen für die regelmäßige Blutzuckerkontrolle eine Last und schränkt sie in ihrem Alltag ein. Ein neues Verfahren sorgt für eine einfache, stechfreie und vor allem über 14 Tage konstante Messung, indem sich der Patient einen Sensor (etwa so groß wie eine 2 €-Münze) selbstständig an den Oberarm anbringt. Dieser kalibriert sich mit dem Lesegerät und misst zuverlässig die Gewebsglukose, die sogar aussagekräftiger ist als die Glukose im Blut. Auch viele Teilnehmer des Vortrages, nutzen dieses Verfahren bereits und berichteten über positive Erfahrungen. Für weitere Fragen können Sie sich jederzeit an Ursula Reul-Hölscher wenden unter Telefon 0 66 31 – 98 75 20 oder u.reul@kreiskrankenhaus-alsfeld.de

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