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Emotionaler Bezug der Bevölkerung zum Thema Wasser - wirtschaftliche Interessen Schaden dem NaturraumFernwasser wird zur Handelsware

ALSFELD (ol). Der Deutsche Gewerkschaftsbund Vogelsberg hatte zu einem Vortrags- und Diskussionsabend mit dem Titel „Vogelsberger Exportgut Wasser? – Welche politische Verantwortung haben wir?“ nach Alsfeld eingeladen.

Als Tagesreferent stand Dr. Hans-Otto Wack von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. zur Verfügung. Überrascht wurden die Veranstalter von der großen Besucherzahl, die den Saal im Hotel Klingelhöffer gedrängt füllte. Nach der Begrüßung durch den DGB Vorsitzenden Bernhard Bender, der das Ziel der öffentlichen Veranstaltung erläuterte, stieg Dr. Wack mit der Feststellung, dass die Feuchtgebiete nicht nur im Vogelsberg die biologische Quelle der Besiedlung sein, in das Thema ein. Dies zeige sich auch daran, dass die Bevölkerung einen hohen emotionalen Bezug zum Wasser und seinem Naturraum habe. Das geht aus einer Pressemeldung des DGB hervor.

In seinem historischen Rückblick auf die Entwicklung der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, insbesondere im Ballungsgebiet Rhein-Main, habe der Referent erläutert, dass 1873 die erste Fernwasserleitung nach Frankfurt gebaut worden war. Eine Cholera-Epidemie sei der Ausgangspunkt gewesen zusammen mit einem deutlichen Bevölkerungszuwachs und verseuchter Brunnen, mehr Frischwasser aus dem Umland nach Frankfurt zu bringen.

In den 70er Jahren sei die Grundwasserförderung im Vogelsberg so stark angestiegen, dass viele Quellen versickerten und Bäche trocken fielen. Die Bodenphysik habe sich verändert, Absenkungen, Verdichtungen und biologische Verarmung hätten sich eingestellt. Bis 2006 seien 70 Prozent aller vorhanden Quellen im Vogelsberg verschwunden gewesen.

Der Widerstand der Bevölkerung und der Naturschutzverbände in den Fördergebieten sei gewachsen. Schwerpunktmäßig wurden in Freiensteinau-Salz und im Gebiet Ohm-Felda durch entsprechende Naturschutzmaßnahmen gegen gesteuert, so Dr. Wack. Im damaligen Stadt-Land-Dialog konnte erreicht werden, dass flache Messpegel in Feuchtgebieten die Förderpumpen steuerten. So sollte eine umweltschonende Grundwassersicherung erreicht werden. Alte Trockenschäden entwickelten sich langsam zurück, versickerte Quellen fangen wieder an zu schütten, berichtete Dr. Wack weiter.

Doch die Auswirkungen des zunehmenden Klimawandels würden eine nachhaltige Grundwasserneubildung verhindern. Schneemangel im Winter, heftiger Sturzregen im Sommer mit schnellem Oberflächenabfluss verhinderten ausreichende Versickerung in den Boden. Die Erosionsschäden nehmen laut Dr. Wack zu, und die Grundwasserneubildung nimmt ab.

Die heutige Fördersituation werde bestimmt durch den Strukturwandel bei den Versorgungsbetrieben. Immer stärker trete die betriebswirtschaftliche Beurteilung in den Vordergrund. Die Auswirkungen auf die Gesamtökologie und den Naturschutz würden zunehmend in den Hintergrund treten. Dies zeige sich in der Tatsache, dass zunehmend örtliche Wasserwerke in Frankfurt deaktiviert werden, obwohl reichlich Wasser vorhanden sei. Die Wasserqualität allerdings mache eine aufwendige Wasseraufbereitung notwendig. Die Schadstoffbelastung müsse kostenintensiv abgebaut werden. Sogar in Trockenperioden würden Schwimmbäder und Grünanlagen im Ballungsgebiet mit frischem Trinkwasser aus entfernten Fördergebieten versorgt.

Die Ovag habe 2013 einen neuen Liefervertrag über 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr mit der Hessenwasser GmbH abgeschlossen. Die Liefermenge werde ergänzt durch fünf Millionen Kubikmeter pro Jahr aus den Fördergebieten des Zweckverbandes Mittelhessischer Wasserwerke aus dem Wohratal. Die Lieferpreise würden unter den kostendeckenden Preisen der Wasseraufbereitung in Frankfurt liegen. Hier werde mehr als deutlich, wie Betriebswirtschaftler über das Naturgut Wasser verfügten.

Das Grundwasser werde sogar in Trockenzeiten abgepumpt, der Naturraum werde gefährdet, das Fernwasser werde zur Handelsware. „Die Geschäftspolitik der Grundwasserförderer sucht neue Absatzmärkte und torpediert hierdurch die umweltschonende Grundwasserförderung“, stellte der Wissenschaftler Dr. Wack fest. Durch die Verlagerung der Fernwasserförderung für die Versorgung der Ballungsgebiete auf das Umland, werde dort das Förderrisiko für den örtlichen Bedarf und die Sicherung des Grundwasserspiegels deutlich teurer. Alleine die Stadt Schotten habe einen Mehrbedarf von einer Million Euro pro Jahr, der durch Gebühreneinnahmen bei der örtlichen Bevölkerung refinanziert werden müsse.

Als politische Forderung wird festzustellen sein, dass ein neues Leitbild auf Landesebene dringend notwendig ist, so Dr. Wack. Die ökologischen Belange müssten gleichrangig mit denen der Versorgungssicherheit berücksichtigt werden. Die Technik der Brauchwassernutzung müsse den Verbrauch von Trinkwasser reduzieren. Die Umweltschonung müsse im Hessischen Wassergesetz verankert werden. Die Defizite im Verwaltungshandeln seien durch ein verbindliches Ressourcenmanagement aufzulösen. Neue Fernwasserleitungen müssten gestoppt werden, es bestehe allerdings erheblicher Investitionsbedarf an den seit Jahrzehnten verlegten Leitungen. Die Zusatzlasten der Kommunen im Fördergebiet der Fernwasserbrunnen seien durch realitätsbezogene Wasserpreise im Ballungsgebiet über einen Lastenausgleich zu decken. Unabdingbar notwendig sei, dass die Wasserpreise im Rhein-Main-Gebiet sich an den Kosten der Aufbereitung orientierten.

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