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Kommentiert: Flüchtlinge haben an unserem Weihnachten nicht verändertWeihnachten: ein Anlass, die Arme zu öffnen

Mal abgesehen davon, dass wir in diesem Jahr vom Wetter mal wieder um die vielbesungene weiße Weihnacht gebracht worden sind, und Glühwein am besten lauwarm schmeckt, ist doch wieder alles da, was zum Heiligen Abend gehört. Überall bunte Lichter, Weihnachtsschmuck und -bäume. Die Kühlschränke bersten, die Radiosender überschlagen sich mit Weihnachtsmusik, die Geschenke sind gepackt, und heute Abend werden sich die Leute wieder nach dem Kirchgang zum Christkindwiegen auf dem Marktplatz versammeln. Weihnachten wie gehabt? Nicht ganz. Aber doch!

 

Sie sind da, die eine Million Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen und Mittleren Osten. Weit überwiegend islamischen Glaubens. Als sie kamen vor fast drei Monaten, sahen manche Zeitgenossen den Untergang des Abendlandes kommen, beschworen eine unmittelbare Bedrohung herauf – mindestens für Frauen und Kinder, aber auch für die christliche Kultur. Aus „Weihnachtsmarkt“ wird „Wintermarkt“: So werde es bald heißen.

Und was ist tatsächlich passiert? Gar nichts! Jene fremden Menschen, die sich gelegentlich in den Straßen tummeln, huschen möglichst unauffällig vorbei. Es gibt keine Überfälle, keine Bedrohungen, und nicht ein christliches Symbol musste verschwinden. Im Gegenteil: Mit großen Augen verfolgten Flüchtlingsfamilien unser geheiligtes Weihnachtstreiben, fühlten sich von dem für deutsche Verhältnisse ausgelassenen Treiben angesteckt. Viele kennen das Fest sogar von christlichen Nachbarn in ihren Heimatländern. Etliche werden wahrscheinlich mit deutschen Gastgebern feiern, wie mir erzählt wurde. Ich kenne Alsfelder Moslems, die sich ebenso auf Weihnachten freuen wie ihre christlichen Freunde – des ansteckend festlichen Lichterglanzes wegen. Religiöse Toleranz ist auch bei ihnen eine Sache der Aufklärung, und der religiöse Hintergrund möglicherweise genauso eher im Hintergrund wie bei vielen deutschen Christen.

Alles gut also in deutschen Landen, auch mit den neuen Mitbürgern, die das Straßenbild um eine Kleinigkeit bereichern: Kinder. Wenden wir uns also unserer „Leitkultur“ zu, feiern wir Weihnachten und blenden wenigstens für ein paar Stunden oder Tage aus, was uns wirklich bedrückt. Einer Umfrage zufolge wünschen sich Deutsche… nicht mehr Geld, kein neues Auto oder größeres Haus… sondern weniger Stress und mehr Zeit für sich und die Familie. Stimmt. Abgesehen von jenen tatsächlich materiell Bedürftigen, die es zum Glück als Minderheit auch bei uns gibt, bemerken viele Menschen offenbar, dass sie sich immer mehr strecken müssen, um den erarbeiteten Wohlstand zu erhalten. Multitasking – dieses von Arbeitgebern erfundene Tugendwort für Doppel-Stress – dauernde Erreichbarkeit und weite Wege zur Arbeitsstelle zerren an den Nerven, rauben Zeit, die wir gerne anders einsetzen würden. Muss das so sein?

Diese Frage stellen sich neuerdings wohl auch Wirtschaftswissenschaftler. Muss das sein, dass wir immer auf der Jagd nach Wachstum sind, um wenigstens den Stand zu halten? Im Grunde fragte man sich das schon in den siebziger Jahren im berühmten Club of Rome: Wie weit können wir Wachstum treiben? Und jetzt wird die Frage neu gestellt – des Klimas wegen. Weil unser Wachstum Abgase und Müllberge erzeugt, die tatsächlich Einfluss auf die ganze Welt ausüben und die superwichtige Klima-Stabilität kippen könnten. Nebenbei versaut uns das materielle Wachstum die Lebenskultur. Ist das ein physikalisches, universelles Gesetz oder können wir es uns nur nicht anders vorstellen? Weniger ist mehr: Ist das denkbar?

Für Sie und mich ist das im Moment eher eine akademische Frage: Wir können nichts dran ändern. Erst einmal. Aber ändern können wir vielleicht ein bisschen an unserer Einstellung. Wir können ein bisschen solidarischer sein, wenn es um Notlagen geht. Wir können mehr Verständnis haben, wenn andere um ihre Rechte kämpfen. Und wir können die Arme öffnen für jene Menschen, die aus Katastrophen kommen, wie wir sie nur von unseren Großeltern kennen, wenn die „aus dem Krieg“ erzählen. Interessant ist dabei immer, dass die alten Leute von Mangel, Hunger und Verlust erzählen – und vom Zusammenhalt, den die Menschen einander gaben, um gemeinsam die Krise zu überstehen. Die Welt ist kleiner geworden – halten wir auch heute mehr zusammen mit Menschen, die aus Not fliehen mussten! War da nicht mehr was mit christlicher Nächstenliebe – gerade heute?

Womit wir wieder bei Weihnachten 2015 wären, bei Sonnenschein und acht Grad Celsius. Aber auch bei Wärme in der Familie, bei vielen freundschaftlichen Treffen und bei einem Familienfest am Heiligen Abend. Heute Abend. Darauf freue ich mich schon und strebe dem Feierabend entgegen.

Und die ganze Redaktion von Oberhessen-live wünscht Ihnen auch ein

frohes Weihnachtsfest!

Axel Pries

Ein Gedanke zu “Weihnachten: ein Anlass, die Arme zu öffnen

  1. Sehr schöner Beitrag zu Weihnachten Herr Pries!
    Weihnachten mit Flüchtlingen in Homberg mit ca.60 Homberger Familien zu Hause und im Familienzentrum. Sylvesternachmittag auf dem Schloss.

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