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Die ADAC Vogelsberg-Rallye lockte Top-Piloten aus ganz Deutschland – Geschichten von kleinen und großen Ralley-Fahrern – Mark Wallenwein gewinnt erstmals im Vogelsberg„Ein sportliches Feuerwerk“ im Grünen

SCHLITZ/VOGELSBERGKREIS. Wer bei der ADAC Rallye Vogelsberg einen Überblick bekommen will, der muss selbst eine Art Vogelsberg-Rallye veranstalten. Denn diese hochwertige Rallyesport-Veranstaltung verteilt sich über den ganzen Vogelsberg, startet jeweils irgendwo im Grünen und endet im Grünen, und würden nicht die aufgemotzten Renn-Boliden in regelmäßigen Abständen röhrend vorbei ziehen, könnte man meinen, die Zuschauer wären der Natur wegen unterwegs. Unter Motorsportfreunden klingt das aber so: Dieses Zusammentreffen der deutschen Rallye-Elite am Freitag und Samstag war „ein sportliches Feuerwerk“ im Vogelsberg.

So war das auch bei dem Auto-Spektakel, das an diesem Wochenende durch den Vogelsberg zog – mit Schlitz als Zentrum. 75 Teams aus ganz Deutschland gingen an den Start. Mancher Hobby-Fahrer war unter der Rubrik „Slowly Sideways dabei, aber auch die Größen des deutschen Rallye-Sports. Für sie geht es am Wertungen und Punkte für drei Wettbewerbe in den Divisionen – so auch die ADAC Rallye Masters. Bei dem dritten von zwölf gemeinsam ausgetragenen Läufen der Rallye Masters und DRM (Deutsche Rallye-Meisterschaft) trafen erstmals in dieser Saison alle Titelfavoriten aufeinander, verkünden die Veranstalter: Fabian Kreim, Ruben Zeltner und Mark Wallenwein.

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Zuschauer oberhalb von Köddingen: jede Minute kommt ein neuer Wagen um die Ecke gebraust.

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Zwölf Wertungsprüfungen waren zu fahren

Wie alle anderen mussten sie zwölf Wertungsprüfungen auf sechs Strecken fahren: bei Willofs, zweimal Schlitz, Nieder-Aula, Ulrichstein und in Feldatal. Das bedeutet: auf Asphalt wie auf Schotter die Berge rauf und runter und durch unzählige scharfe Kurven der Vogelsberger Wiesen-Landschaft. „Tanz auf dem Vulkan“ nennen das die Berichterstatter auf ihrer begleitenden Facebook-Seite, wo der Fortschritt der Rennen verfolgt wird – und spektakuläre Fotos von den Tücken erzählen. Wenn Fahrer ihre „Reifen schonen“, wie Kurvenfahrten auf zwei Rädern oder Flugeinlagen hinter Kuppen genannt werden, kommt das Publikum auf seine Kosten.

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Der Mann mit den Zeiten: Rainer Rimbach notiert die Werte und gibt sie per Funk durch.

Die Ergebnisse konnten Motorsportfans beinahe direkt nach jeder Wertungsprüfung sofort sehen – das Internet macht’s möglich. Die wurden nämlich an jedem Ziel über Funk weitergegeben, eingepflegt und auf der Website des Rennens sichtbar gemacht – so bei der Vogelsberg-Rallye der Zweikampf zwischen Mark Wallenwein und Fabian Kreim an der Spitze, den Ersterer am Ende höchst knapp für sich entscheiden sollte. Es war sein erster Sieg im Vogelsberg, verrät das Facebook-Posting, wo auch die Endergebnisse nachgelesen werden  könnte.

Einer der Helfer, der diesen Service möglich machte, war Rainer Rimbach. Selbst beim MSC Weißenborn im Motorsport aktiv, bestand seine Aufgabe in der Weitergabe via Funk der von Kurt Faber und Gisela Ripper – „die gelbe Gisa“ – ermittelten Streckenzeiten am Zielpunkt oberhalb von Köddingen. Ausrichter der Vogelsberg-Rallye war der Automobilclub Schlitz, aber „man hilft sich ja“, erzählt er beim Warten auf das nächste Auto. „Wenn wir die Werra-Meissner-Rallye veranstalten, kommen die und helfen uns.“ Bei dem schönen Wetter des Wochenendes sieht sein Job nach Freizeit an frischer Luft mit schönem Weitblick aus. Aber Rainer Rimbach winkt ab: Alles schön, aber wenn man zwei Wertungsprüfungen am Ziel ausharren muss, dann werden die Stunden doch lang. Bis spät am Abend war er am Freitag dabei und am Samstag in aller Frühe gleich wieder.

Schotter-Strecken setzen den Reifen zu

Wer die Piloten treffen wollte, musste im Fahrerlager in Schlitz schauen – aber flott sein. Denn die meiste Zeit waren die auf den Straßen von Wertungsprüfung zu Wertungsprüfung unterwegs, und die Zeit für Kontrolle und Reparatur der Wagen ist exakt bemessen. Nicht nur auf der Strecke geht es um Tempo. Dabei ist der Check der Rallye-Fahrzeuge unter Umständen lebenswichtig, und die Schotter-Strecken im Vogelsberg setzen den Wagen reichlich zu. Mancher Satz Reifen bleibt bei der Vogelsberg-Rallye buchstäblich auf der Strecke.

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Mit Spaß dabei: der Unternehmer Jürgen Stehr in seinem geschichtsträchtigen Mercedes beim Plausch.

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Im Fahrerlager gehören die Autos den Mechanikern: Hat es Schäden gegeben?

Im Fahrer-Lager kann man die Favoriten treffen – und so bekannte Gesichter aus der heimischen Rallye-Sporetszene wie den Unternehmer und Hobby-Rennfahrer Jürgen Stehr. Er ist passionierter Rallyefahrer seit 1969 und selbst seit Jahren Hausherr bei einer eigenen Rallye-Veranstaltung. Aber der 66-Jährige steigt auch heute noch gerne noch selbst in Rallye-Wagen – außerhalb jeder Konkurrenz. „Das macht mir immer noch großen Spaß!“ Dafür ist das Schmuckstück, das Jürgen Stehr durch den Vogelsberg lenkt, um so interessanter. Der Mercedes  sieht das Oldtimer aus und ist auch einer – aber ein besonderer. Der Mercedes 450 SLC 5.0, Baujahr 1979, von dem nur 1240 Stück gebaut wurden, hat bereits eine Rallye-Geschichte hinter sich. Damit nahm der berühmte Rallye-Fahrer Björn Waldegaard 1979 an der Safari-Ralley in Kenia teil.

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Weiblich, jung und am Steuer: Wenige Frauen fahren mit. Unter ihnen Melanie Schulz (Mitte) und Bianca Lustig (r.).

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Ziel: die „Top Zehn“ knacken: Melanie Schulz und Bianca Lustig machen sich bereit.

Wenige weibliche Piloten im Starterfeld dabei

Immer wieder im Mittelpunkt des Interesses in jedem Fahrerlager: die wenigen weiblichen Piloten. Drei waren es bei der ADAC Vogelsberg-Rallye – nebst einer Reihe von Beifahrerinnen – und eine von ihnen war Melanie Schulz aus Drackenstein, die mit der Bielefelderin Bianca Lustig im Opel um Punkte kämpfte. Geduldig lächelt sie bei der immer wieder neuen Frage, wie es denn ist, sich als Frau in dieser Männerdomäne zu behaupten. Melanie Schulz macht sich nichts aus dieser Rolle. Es sei ganz normal, als Frau dabei zu sein, sie fühle sich ernst genommen, und die Zeiten hätten sich geändert, erzählt sie, schiebt lächelnd nach: „Es macht viel Spaß, den Jungs die Rücklichter zu zeigen!“ Ihre Beifahrerin drängt: Die beiden müssen los. Mit den Zeiten wird es eben auch im Fahrerlager sehr genau genommen. Melanie Schulz und Bianca Lustig haben ein ehrgeiziges Ziel: Vergangenes Jahr waren sie zwölfte im Gesamt-Cup geworden. „Dieses Jahr wollen wir die Top-Zehn knacken!“

Als die beiden ihren Wagen weggefahren haben, bleiben zwei junge Männer in der Box zurück, die eben noch die Hände unter der Motorhaube hatten. Ja, erzählt der eine, der nicht namentlich genannt werden will, er ist der Freund der Pilotin. Er schraubt, sie fährt: „Es ist schön, weil wir ein gemeinsames Hobby haben.“ Er hat kein Problem mit der Rollenverteilung in seiner Beziehung – und zu hause hat alles auch wieder seine Ordnung. Da sitzt er am Steuer.

von Axel Pries

Eindrücke von der Vogelsberg-Rallye:

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