Sonderthema Weihnachten: Einblicke in den Weihnachtsbetrieb einer Bäckerei – Vom Stress am Ende des JahresGESUCHT: Lieblingsrezepte für weihnachtliches Gebäck
ALSFELD. Von außen hat die Szene etwas von einer gut geölten Maschine: Hier wird geknetet, dort gerührt, daneben bestrichen, und von Tisch drüben kommt das Geräusch der Eier, die im Sekundentakt aufgeschlagen werden. „Der oberste Ofen ist frei!“, ruft jemand von der einen Seite, „Yohoo!“ kommt zur Bestätigung von der anderen. Dann holt Bäckermeister Michael Rühl einen Schieber aus der Hitze, entfernt die Formen – und da liegen sie, goldbraun glänzend, heiß duftend: die neuen Weihnachtsstollen. Sorte Zacharias – der Stollen des Jahres.
Es ist Weihnachtszeit: Hochsaison für Konditoren und Bäcker, so auch in der Alsfelder Konditorei Günther. Dutzende Sorten Weihnachtsgebäck wollen produziert werden.
Spätestens ab dem ersten Adventswochenende kann man sich diesem Weihnachtsangebot nicht mehr entziehen, wenn die Auslagen der Bäckereien und Konditoren sich unter der Vielfalt des Naschbaren biegen: Lebkuchen tauchen traditionell erst in der Zeit auf, ebenso die Weihnachtsstollen – und eine große Zahl von Plätzchen, die irgendetwas mit Zimt zu tun haben. Kein Zweifel: Die Weihnachtswochen sind eine Ausnahmezeit für Kalorienbewusste, zu verlockend ist die süße Vielfalt.
Wenn draußen stimmungsvolle Straßenbeleuchtung die große Dunkelheit erhellt, ist die Hochsaison für die kleinen und großen Plätzchen-Bäcker. Jetzt werden zuhause die alten Rezepte hervorgekramt, die schon Oma nutzte, um ihr legendäres Weihnachtsgebäck herzustellen. Der gemütliche Backnachmittag zweier oder dreier Generationen in der samstäglichen Küche gehört in vielen Familien zum adventlichen Ritual, zur Einstimmung aufs besinnliche Weihnachtsfest.
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Das Rezept für Spekulatius von Günther
Die Mengen variieren nach Anzahl der gewünschten Plätzchen:
1000 Gramm Zucker (fein), 535 Gramm Butter, 1650 Mehl (405), 335 Gramm Vollei, 10 Gramm Spekulatiusgewürz, 6 Gramm Salz, evtl. Milch mit etwas Zimt (5 Gramm).
Zucker und Butter verkneten, die Eier und das Mehl drunter arbeiten. Die Motive stechen und vor dem Backen die Milch mit dem Pinsel drüber streichen. Zehn bis zwölf Minuten bei 160 Grad Umlufthitze in den Backofen.
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Mit etwas anderen Augen sehen die Konditormeisterin Birgit Günther und ihre Mitarbeiter die Vorweihnachtszeit – so wie auch sämtliche Kollegen aus dem Backhandwerk: In den letzten Monaten des Jahres müssen sie doppelt ran, das Weihnachtsangebot auf das normale Programm draufsatteln. Und dabei handelt es sich nicht um zwei oder drei alte Plätzchen- und Stollen-Rezepte: Die Liste des Weihnachtsprogramms in der Konditorei Günther bedeckt in normal kleinen Lettern ein komplettes DIN A4-Blatt.
Vanillekipferl – natürlich! – zählen dazu, ebenso Nuss-Spitzgebäck oder Zimtsterne – logisch! Aber bei den Lebkuchen stehen gleich 15 verschiedene Sorten auf dem Zettel. Und wenn’s um Marzipan geht: Davon werden 14 Varianten festgehalten. Dazu Duchesse, „Spitzbuben“, Heidesandgebäck, Nuss-Spritzgebäck, Spekulatius und so weiter bis zu dem Dutzend verschiedener Stollen: Butterstollen, Vulkanstollen, Mandelstollen, Marzipanstollen…. bis zum Stollen des Jahres: dem Zachariasstollen. Für den bekam Birgit Günther 2011 schon mal einen Vermarktungspreis. Was den Stollen so besonders macht, verrät sie nur ansatzweise: Der Teig wird mit Schwarzbier angesetzt, und die Rosinen baden in Whisky. Quasi ein Stollen-Fest zum Fest.
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Gesucht: Ihre besten Rezepte für Weihnachtsgebäck
In vielen Familien gibt es alte Rezepte für Weihnachtsgebäck: Plätzchen, Kuchen, Stollen. Die möchten wir veröffentlichen! Bitte, senden Sie uns Ihr Lieblingsrezept zu – jede Zusendung wird veröffentlicht. Kontakt: redaktion@oberhessen-live.de
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„Jeder bringt mal eine Idee für ein Gebäck mit“, erklärt die 49-Jährige die Herkunft so vieler Kreationen, während sie zum Besuch der Backstube einlädt. Dort herrscht bereits seit der letzten Oktober-Woche Hochbetrieb: „Dann geht das Weihnachtsgeschäft los!“ Ab dann gilt für die Back-Belegschaft unter den 20 Mitarbeitern des Betriebs: jeden Tag ein paar Stunden zusätzliche Arbeit und natürlich Urlaubsverbot. Wer zuschauen will, kann schon sehr früh am Morgen vor „dem Aufstehen“ einen warmen Elektro-Offen erleben: Brot und Brötchen sind das ganze Jahr über gefragt. Für Journalisten, die nur für Brände und Überschwemmungen vor 7 Uhr aufstehen, gibt es in der Vorweihnachtszeit aber auch ab 8.30 Uhr noch den vollen Betrieb zu erleben.
Da hantieren der Bäckermeister Michael Rühl und die Bäckergesellin Stefanie Brähler mit den Klappen aller vier Ofen-Etagen: Plätzchen raus, Stollen rein, Spekulatius raus. Und zwischendurch kommen Nüsschen auf Plätzchenteig, bekommen Quarkstollen den glänzenden Guss – in Handarbeit – knetet der Meister Teig für 20 Stollen – mit der Maschine. Aber generell gilt: „Es ist fast alles Handarbeit“, erklärt die Chefin, die sich mitten im planvollen Gewusel mit einer störrischen Spekulatius-Stanze abmüht. Der Teig ist zu kalt, will einfach nicht hinein, 60 Sekunden Backofen helfen beim Durchrutschen.
Tatsächlich sorgt ein konkreter Plan für jeden Tag dafür, dass der Backstuben-Betrieb mit den acht Mitarbeitern möglichst reibungslos funktioniert. Der hängt am Kühlschrank zwischen diversen Merkzetteln für Rezepte. So entstehen nicht jeden Tag die gleichen Stollen. Auch die Spezialbrote zum normalen, täglichen Sortiment werden auch nur montags, mittwochs, freitags gebacken. Mitten im Stress sieht es eigentlich ganz entspannt aus, wie Birgit Günther an der Maschine steht, derweil ihr über die Schulter geschaut wird: „Hier arbeitet die Chefin, und die Mitarbeiter machen Pause!“ Alles lacht.
Aber mit fortschreitendem Dezember ist „das gute Bier alle“, wie man in Hessen sagt. Mit zunehmender Arbeitsbelastung wird der Ton zwischen Knethaken und Elektroofen auch schon mal gereizter. So ab Mitte Dezember haben die fleißigen Weihnachtsbäcker in der Günther’schen Backstube ein Ziel: Weihnachten erreichen und im Januar ein paar Tage ausspannen. Das alles für die große Vielfalt der weihnachtlichen Nascherei.
Von Axel Pries
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