Zu Gast bei Extremnews: Die alternative Nachrichtenseite kommt aus BrauerschwendDer Hort der wahren Wahrheiten
BRAUERSCHWEND. Wenn Schlagzeilen zu abgefahren klingen, um tatsächlich wahr zu sein, muss nicht immer gleich der Postillion dahinter stecken. In Brauerschwend schütten Journalisten jeden Tag eine Mischung aus echten und obskuren Neuigkeiten zusammen. Nur: Dort geht es nicht um Satire. Die Rede ist von extremnews.com, einer alternativen Nachrichtenseite im Internet. Zu Gast in einer Redaktion, in der allwissende Energiefelder als alltägliches Recherchewerkzeug gelten.
Wer die Speerspitze des weltweiten Journalismus besuchen will, der muss an den Dorfrand von Brauerschwend fahren. In einem grauen Einfamilienhaus lebt und arbeitet der Mann, der nach eigener Aussage den Spiegel, den Guardian und die New York Times zusammengenommen in Sachen Objektivität und investigativer, unabhängiger Berichterstattung hinter sich lässt. Thorsten Schmitt, 46, Chefredakteur von extremnews.com, öffnet die massive Haustür, die von einem Tonengel in doppelter Gartenzwerkgröße bewacht wird.
Leicht zu finden sind die Redaktionsräume von extremnews nicht. Es braucht einiges an Geduld und Zeit, bis man die Adresse im Internet aufgestöbert hat. An dem Haus selbst prangt in großer, roter Schrift das Logo der Zeitung. Thorsten Schmitt grinst, als er hört, wie lange der Reporter gebraucht hat um ihn und sei Büro ausfindig zu machen. „So soll das ja auch sein“, sagt er zufrieden. Ansprechpartner, rechtlich verantwortlich und Betreiber von extremnews.com ist nämlich laut Impressum eine Firma namens DEURU Impressums-Service mit Sitz in Uruguay, unerreichbar für deutsche Gerichte und Medienanwälte. Das Unternehmen wirbt mit dem Slogan „Keine Angst mehr vor der Abmahnung!“
Weder feige, noch verboten
Eine Zeitung, die sich hinter einem Strohmann in einem fernen Land versteckt. Ist das nicht feige, gar verboten? Für Schmitt ist es keins von beiden. Nur mit diesem Kniff sei es für kleine Verlage ohne gewaltige Rechtsabteilungen möglich, kritisch und unabhängig zu berichten. Nur darum ginge es ihm, nicht darum jemanden mutwillig zu beleidigen und sich vor den Konsequenzen zu drücken. Schmitt hält sein System für genial. Früher habe der Postbote öfter Abmahnungen vorbeigebracht. Seitdem die Seite offiziell in Uruguay verwaltet wird, kommen nur noch höfliche Anfragen von Rechtsanwälten, wenn deren Mandanten mit der Berichterstattung nicht einverstanden sind.
Thorsten Schmitt, der schlanke Mann mit der schwarzen Jeans, dem schwarz-weißen Karohemnd, dem ebenfalls schwarzen Pferdeschwanz und den stets halbgeschlossenen Augenliedern, hat für das Gespräch auf seinem lila Gymnastikball Platz genommen. Unter ihm liegt grauer Teppich, um ihn herum sind vier hellgelbe Wände mit zwei dunkelblauen Türen darin. Zwei Schreibtische, einer davon mit Videokassetten und Schnitt-Technik beladen, stehen in der vielleicht gerade mal 15 Quadratmeter großen Redaktion im Obergeschoss des Hauses. Die meisten der acht Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus. Auf einem kleinen Tischchen in einer Ecke stehen Wasser und Kekse bereit.
Er habe per se nichts gegen die Mainstrem-Medien, sagt Schmitt und wippt dabei nur leicht auf seinem Ball auf und ab. Sie würden auch nicht immer alle lügen. Oftmals aber schon. Das Problem seien nicht die Reporter selbst. Viele würden gern über die Wahrheit berichten. Senderäte und Chefredakteure machten ihnen allerdings einen Strich durch den Notizblock. Aus Angst, Werbeeinnahmen zu verlieren oder befreundete Politiker und Lobbygruppen zu verärgern. Deshalb hat er vor gut acht Jahren extremnews gegründet. Damit will er dem kritischen Journalismus ein neue Heimat geben.
Doch auch die besten Reporter kommen offenbar nicht ganz ohne Werbung aus. Aktuell bewirbt auf extremnews ein Banner den Zorro-Zapper. Eine Konstrukt aus Kupferrohren, gefüllt unter anderem mit Aluminium-Spähnen, Bergkristallen und Siliziumkugeln, das kosmische Energien empfangen und Wolken zerfetzen soll. Und das Ganze für unschlagbare 684 Euro, zuzüglich Versand.
Thorsten Schmitt tritt an, das System zu verändern. „Ich stelle mir die Menschen immer so in einer Box vor“, erzählt er. Alles, was in der Box ist, kennen sie. Was draußen lauert, ist ihnen fremd und macht ihnen Angst. Extremnews soll den Eingesperrten helfen, sich trotz ihrer Angst aus der Kiste zu befreien, um das Unbekannte kennenzulernen. Deswegen lädt Schmitt Kryptozoologen ein (das Wort gibt es wirklich), um mit ihnen über den Yeti und Big Foot zu sprechen. Vielleicht gibt es diese Wesen ja tatsächlich, zumindest sei es wichtig, über das Thema zu reden, sagt er. Seine Seite solle Teil einer Revolution sein, die eine Welt erschafft, in der die Wahrheit nicht mehr so leicht verschleiert werden kann. Das ist der Traum des Idealisten Thorsten Schmitt, für den er bereits einen ganzen Haufen Geld in die Hand genommen.
Extremnews ist Teil der alternativen Nachrichtenagentur ASPM Medien-GmbH & Co. KG. Laut Handelsregister des Amtsgerichts Gießen haben Schmitt und seine Frau Anja als Kommanditisten zusammen 47 000 Euro in die Firma eingebracht. Die restlichen nötigen 3000 Euro teilen sich der Alsfelder Steuerberater Jürgen Vierheller – Redakteur der Seite – und der ehemals auch in Romrod wohnende Esoterik-Heiler Karma Singh sowie dessen in England ansässige Esoterik-Firma Harmony United Limited.
In wenigen Jahren werden die etablierten Medien vollkommen an Bedeutung verloren haben. Das sagt Thorsten Schmitt, der Diplom-Journalist und ehemalige Zeitsoldat, Maschinenschlosser, Softwareentwickler und Atomkraftwerkmitarbeiter mit dem Brustton der Überzeugung.
Der bekannte Mix und das Außergewöhnliche
Viele Nachrichten, die der Leser auf extremnews findet, sind Meldungen, wie sie einem auf fast jeder Nachrichtenseite begegnen. Der bekannte Mix aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Tratsch. Wowereit tritt zurück, Shakira bekommen einen Sohn, Dortmund schlägt Arsenal 2:0 – sowas eben. Und dann sind da die Neuigkeiten, die für den Otto-Normal-Nachrichten-Konsument nicht mehr als Verschwörungstheorien sein dürften.
Für die Leserschaft und die Macher von extremnews sind es die unbequemen Wahrheiten, die die etablierten Meinungsmacher unterdrücken – und es gibt viele Leser, die den bekannten Medien nicht mehr vertrauen. Sie treiben als meckernde Trolle in den Kommentarspalten der großen Nachrichtenportale ihr Unwesen – oder surfen lieber gleich auf extremnews.com vorbei. 575 000 Mal wurde die Seite nach eigenen Angaben im August aufgerufen.
So berichtete das Portal etwa, Forscher hätten ein 300 Millionen Jahre altes Zahnrad eingeschlossen in einem Kohlestück gefunden. Ein Beweis dafür, dass es schon wesentlich früher als gedacht intelligente Menschen gab und die etablierte Geschichtswissenschaft die Leute absichtlich dumm halte. Wenige Tage alt ist die Meldung, Russland habe, um dem Westen in der aktuell angespannten Situation einen Gefallen zu tun, vor kurzem den letzten Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges entlassen. Ein Foto von jenem „Reinhard Kunze“ gibt es dazu leider nicht.
Zu den beliebtesten Geschichten der vergangen Zeit zählte ein Bericht, in dem behauptet wird, Edward Snowden habe nicht nur die NSA bloßgestellt, sondern auch brisante Dokumente über die Chemtrails enthüllt. Jetzt habe man endlich den Beweis für das, was lange als Verschwörungstheorie abgetan wurde: Die USA stecken tatsächlich mit den Herstellern von Flugzeugtreibstoff unter einer Decke, und die Kondensstreifen, die die Urlaubsflieger am Horizont hinterlassen, sind voller Chemikalien, die das Weltklima durcheinander wirbeln. Zu Gunsten der US-Landwirtschaft. Auffällig viele Artikel sind kontra Amerika und haben als Quelle russische Nachrichtenportale.
Man muss bis zum Ende des Snowden-Textes scrollen, bis das Auge in kursiver Schrift eine Anmerkung der extremnews-Redaktion unter dem von einer anderen Seite übernommenen Text erblickt: „Dem deutschen Übersetzer Werner Altnickel und auch unserer Redaktion war es nicht möglich, die Aussagen des Bloggers auf den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Es gibt bisher keinerlei Bestätigung dafür, dass Snowden dies wirklich so gesagt hat – zumal es sich bei „Internet Chronicle“ um eine Satireseite handelt, wie in deren eigenen Beschreibung steht. Allerdings liegen ExtremNews aber auch detaillierte Informationen anderer Personen vor, die den Inhalt des Gesagten bestätigen. Ob allerdings die Informationen wirklich von Snowden stammen, ist mehr als fraglich.“
Recherche mal ganz anders
Sein Team und er haben „mehrere Methoden“, solche und andere Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. So richtig viel mehr will Thorsten Schmitt eigentlich nicht über diesen Arbeitsschritt erzählen. Das sei nämlich „wirklich spektakulär“, wenn etwas darüber herauskäme. Die Vorgänge seien sehr komplex. Thorsten Schmitt hat Angst, falsch verstanden zu werden. Ein kleines bisschen verrät er dann doch: Von einem ehemaligen Mitarbeiter eines amerikanischen Geheimdienstes habe er gelernt, ein über uns schwebendes Energiefeld anzuzapfen, in dem alle Informationen dieser Welt gespeichert sind. Dafür müsse er nicht einmal in Trance sein. Ob Schmitt gerade nur eine Email überfliegt oder den Inhalt so auf Echtheit überprüft, kann der Beobachter nur raten.
Manchmal, wenn er auf seinem Redaktionsball sitzt und sich über den Laptop beugt, checkt Schmitt dazu, ob der Text, so wie er jetzt da steht, energetisch sauber ist. Auch diese Technik scheint für Laien schwer zu erklären. Es geht dabei, vereinfacht gesagt, um Kraftfelder im Inneren des Menschen, mit denen sich spüren lässt, ob der Text einen Leser beeinflusst oder nicht. „Wir bekommen Feedback von Leuten, die sagen, wenn sie die Nachrichten woanders lesen, spüren sie Wut, Hass oder Zuneigung. Bei uns, sagen sie, spüren sie nichts.“ Schmitt sagt das nicht ohne Stolz.
Sein Talent für etwas anderes als die Verbreitung der Wahrheit einzusetzen, komme für ihn nicht mehr in Frage. Natürlich könne er mit seinen Fähigkeiten sehr viel Geld verdienen. Aber davon würde sich die Welt nicht verändern, sagt er fast wehmütig. Und das hat Schmitt fest vor. Extremnews soll expandieren. Der Chefredakteuer des online-Magazins bastelt an seinem eigenen Internet-Fernsehsender. In seiner Scheune sollen die Studios entstehen, die ersten Quadratmeter alter Fußboden sind auch schon herausgerissen. Zwei Millionen solle das Projekt kosten und 35 Arbeitsplätze schaffen. Das Geld will Schmitt unter anderem über die Genossenschaft Neue Perspektive Medien besorgen – einem Zusammenschluss von Menschen, die für das selbe kämpfen wie er.
Gesendet werden soll rund um die Uhr. Einen kleine Fangemeinde bringt extremnews schon mit. Um die 4000 Menschen haben den Youtube-Channel des Magazins abonniert. Eines der meist geklicktesten Videos: Heiler Karma Singh starrt den Betrachter zwei Minuten und 58 Sekunden lang mit erhobenen Händen an. Je häufiger der User den Clip abspielt, desto schneller sollen seine Schulden verschwunden sein.
Von Juri Auel – mehr über den Autor
Insgesamt fühle ich mich schon ein bißchen „auf den Roller genommen“, wenn ich das lese. Esoterik ist andererseits aber auch nicht wirklich mein Thema.