Mittelalterfest auf der Burg Herzberg – Neuauflage nach dem Rückzug des RitterbundsWenig Volk bei den Ritterspielen im Regen
BREITENBACH/HERZBERG (aep). Es hat etwas anheimelnd Ursprüngliches, wie sie da um das kleine Feuer hocken, in der Glut stochern und sich wärmen. Das haben die Mittelalter-Freunde auch nötig, die an diesem Wochenende an der Burg Herzberg ausharren: mittelalterlich gewandet in mittelalterlichen Zelten, während der Regen im Minutentakt herunterprasselt, das Thermometer kaum über 15 Grad klettert. Daran mag es denn zum Teil gelegen haben, dass die traditionellen Ritterspiele auch in diesem Jahr wenig besucht waren. Aber auch bei bestem Sonnenschein und aller Authentizität: Die Veranstaltung, die lange alle Jahre wieder Tausende Menschen auf den Berg zog, ist nicht mehr, was sie war.
Auch an diesem Wochenende geht es richtig mittelalterlich zu am Fuße der großen Burg. Mehr als zwei Dutzend Zelte haben die Jünger jenes Zeitalters auf den Wiesen aufgeschlagen, bieten den Besuchern neben möglichst authentischen An- und Einblicken auch allerlei Handwerkliches zu erstehen und einen Hauch der berühmten Turnier-Disziplinen, mit denen die Ritter einst Kräfte maßen. Rustikale Speise- und Getränkestände geben der Veranstaltung Ausflugsqualität. Alles möglichst echt: Das ist eine Maßgabe, nach der die Teilnehmer ihr Lager einrichten – und genießen.
„Back to the roots!“, erklärt zum Beispiel Michael Degenhardt aus Heuchelheim, warum er mit seinem Freunden nicht im Nylon-Zelt samt Outdoor-Wolfsspuren campen geht, sondern gut wassersaugende Baumwolle bevorzugt. Er nimmt häuifg an Mittelalter-Veranstaltungen teil, bringt manchmal auch Schafe oder eine Schmiede mit, um den Besuchern zu zeigen, „wie das früher war.“ Früher – als die Zeit irgendwie langsamer verlief. Wenn er mit seinen Freunden das Lager aufbaut, ist die erste Handlung auf dem Weg ins Mittelalter: Handys aus und ab ins Zelt damit! „Da bleiben die bis Sonntagabend!“, versichert er am qualmenden Lagerfeuer.
Entspannen: Handys bleiben bis Sonntagabend aus
Ab da wird es ein entspanntes Wochenende, und die Clique gibt sich alle Mühe, wirklich mit dem auszukommen, was das Mittelalter zu bieten hat. Kartoffeln gibt es nicht – die erreichten Europa erst Jahrhunderte später – stattdessen Erbsen und Bohnen und auch Fleisch, wenngleich das im Topf des Bauern eher selten vorkam. Die jungen Leute wirken nicht unglücklich damit. „Wir sind hier relaxter. Es ist einfach entspannend!“ Ähnlich die Ansicht zweier Frauen unter dem Zeltvordach gegenüber, nähend, plaudernd. Diese Mittelalter-Veranstaltungen sind auch Treffen für Gleichgesinnte, erzählen sie: „Es sind die Menschen“, erklärt die eine as dem Kölner Raum die Anziehung der Mittelalter-Lager und zeigt auf ihre Nachbarin aus Worms, die normalerweise die Taverne bewirtschaftet, aber gerade frei hat: „Wir sehen uns nur hier.“ So locker, wie sie den nächsten Regenschutt abwarten, ahnt man, dass die Entspannung echt ist.
Es gab am Samstag allerdings auch nicht allzuviel zu tun auf dem Berg mit der Burg. Es mögen gerade mal einige Hundert Besucher gewesen sein, die trotz des gleichmäßig unsteten Wetters anreisten – teilweise aus weiter entfernten Orten. Da kam denn auch nicht die frühere Volksfeststimmung auf, mit der die Ritterspiele des Ritterbunds locken konnten, als noch die dreifache Menge Mittelalter-Freaks und Kettenhemd-Ritter die Wiesen bevölkerten, sich lautstarke Schlachten um die Burg lieferten und lärmend an der Taverne becherten. Mancher Recke vom Ritterbund ist wohl inzwischen wieder dabei, aber das Spektakel kommt weit bescheidener daher.
Ritterspiele: einst mit die größten in Deutschland
Die Herzberger Ritterspiele gehörten zu den größten ihrer Art in Deutschland – authentischer und immer noch günstiger als das kommerzielle Mittelalterliche Spektakulum. Indes: Der Ritterbund hat sich bekanntlich vergangenes Jahr aus der Veranstaltung herausgezogen und offenbar viele Anhänger mitgenommen. Ein Streit mit der gastgebenden Dörnberg’schen Stiftung über die Kosten, Eintrittspreise und Ausrichtung soll dem Schnitt nach 18 Jahren vorausgegangen sein.
Aber offenbar gab es auch eine Auseinandersetzung unter den Mittelalter-Freunden selbst: zwischen Fundamentalisten und Pragmatikern. Das geht aus Gesprächen in den Zeltlagern hervor. Jene, die heute noch an der Burg dabei sind, leben Mittelalter so authentisch, wie es angenehm ist – aber nicht so streng, wie der Ritterbund offenbar verlangte – wohl auch um wegen des anhaltenden Zuschauerschwunds eine neue Qualität zu bieten. Der Unterschied liegt in Detailfragen: Muss die Gewandung dem gleichen Jahrhundert entstammen wie die Bewaffnung? Und: Dürfen die Nähte der Kleider auch mit der Maschine genäht sein, um noch als authentisch durchzugehen?
Die Ritterspiele finden auch noch am Sonntag zu Füßen der Burg Herzberg statt.
Impressionen von den Ritterspielen und Mittelalterfest am Samstag:
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