Hausmüll, Flaschen, Kot: viel Arbeit auf Alsfelds Straßen„Der Müllmann“ muss täglich aufräumen
ALSFELD (aep). Zwei Dinge findet Gerhard Frick besonders schlimm: Tüten voller Kot in den Büschen und Hundekacke auf dem Pflaster. Aber sonst kann ihn kaum noch erschüttern, was Menschen so hinterlassen, wo es oftmals nicht hingehört: in städtischen Mülleimern und drum herum. Gerhard Frick ist „der Müllmann“ beim Alsfelder Bauhof. Er kümmert sich quasi um den öffentlichen Dreck – und den gibt es so reichlich, dass die Arbeit nie aufhört, bestätigt ein Blick in die Praxis. Eine Rundfahrt im städtischen Elektromobil: von Mülleimer zu Mülleimer.
Früh aufstehen muss, wer Gerhard Frick bei der Arbeit erwischen will: Im Winter startet er um 7 Uhr, im Sommer auch schon eine Stunde früher; die OL-Mitfahrt beginnt um 8 Uhr in Alsfelds Altstadt – die dem Mülleinsammler auf seinen täglichen Touren besonders am Herzen liegt: „Auch wegen der Touristen fange ich in der inneren und äußeren Altstadt an. Die muss sauber sein.“ Der 57-Jährige hat über den Tag viel zu tun, denn auf seiner Strecke durch die gesamte Kernstadt gibt es nicht weniger als öffentliche 60 Mülleimer, die vielfach nicht etwa nur Abfall von Passanten enthalten, sondern auch von jeder Menge Hausmüll überquellen – jeden Tag aufs Neue. Eigentlich eine Sisyphus-Arbeit, bei der man die Laune verlieren könnte. Ein Glück: Gerhard Frick ist von froher Natur: „Irgendwie mag ich meine Arbeit.“ Wohl auch und vor allem, weil er so oft freundlich angesprochen wird.
Er kennt die neuralgischen Stellen der Stadt und deren Besonderheiten, kurvt routiniert durch die Altstadtgassen und steuert von der Obergasse aus den Parkplatz Hinter der Mauer an. Der Blick wandert von links nach rechts. Plötzlich bliebt er stehen, springt aus dem Wagen und kommt mit einer weißen Plastiktüte zurück. Die lag in der Hecke: „So etwas fällt sofort auf.“ Der Müllkorb in dem Eck ist kaum gefüllt, aber das kennt der Einsammler auch anders: „Manche Anwohner scheinen hier regelmäßig Müll zu entsorgen.“ Vorführeffekt: Diesmal gibt es nichts zu beklagen. Der Rundblick hat Methode: „Ich bin im letzten Winkel von Alsfeld unterwegs. Dabei schaue ich, wo etwas nicht in Ordnung ist und erstelle eine Mängelliste.“ Kollegen vom Bauhof werden sich darum kümmern – wenn sie Zeit haben, denn die Aufgaben der 25 Mitarbeiter sind vielfältig.
Die Spanne reicht, so fasst der zusammen, von Pflege, Instandhaltung und Reparatur über Aufbau für Veranstaltungen eben bis zur Müllsammmlung und -entsorgung – Letzteres ein Job, der auch am Wochenende ansteht. Der inspizierende Blick wandert auch über die Alsfelder Spielplätze – am Schnepfenhain jeden Tag.
Jede Ecke in Alsfeld hat ihre typischen Hinterlassenschaften. Im Schatten der Bücherei findet der Sammler häufig leere Schnapsflaschen, wo junge Leute gerne versteckte Gelage halten. Ab Mittag gibt es am Stadthallenparkplatz viel zu tun, wenn Schüler die Körbe mit Pappschachteln, Bechern und Essensresten füllen – oder eben auch nicht. Dann sammelt Gerhard Frick die Hinterlassenschaften von der Straße auf. Ähnlich am Bahnhof, wo die Bushaltestellen nachmittags schlimm aussehen – und wo der Müllsammler auch schon mal freche Sprüche zu hören bekommt, wenn er Jugendliche anspricht. Abends wechselt der Müll an diesen Stellen von Essens- auf Gelagerest: Leere Flaschen und Glassplitter zeugen von Treffpunkten. Auch manche Grünfläche am Rodenberg weist Spuren von Anwohnertreffen auf: Vodkaflaschen sind dort typisch. Im Industriegebiet Ost, wo häufig Lkw-Fahrer nächtigen, verdrecken massenhaft Plastikflaschen die Büsche, manchmal voller Urin. Toilettenpapier hängt in den Zweigen der Böschung – oft direkt neben Kothaufen. „Eklig!“, schüttelt sich der Müllmann der Stadt. Vier Mülleimer hängen dort, aber werden wenig beachtet.
Weiter geht’s nun aber erst einmal durch die Gassen gen Marktplatz. Gerhard Frick leert dort nicht nur die Müllkörbe und pickt herumliegendes Papier auf, sondern sammelt auch Abfall der Stadtverwaltung ein. Ein Blick unter das Rathaus: „Hier muss es tiptop sein.“ Dort fegt er häufiger Reis oder Rosenblüten auf: Hinterlassenschaften von Hochzeiten.
Am Schwälmer Brunnen zeigt er auf den Boden: „Das muss doch nicht sein!“ Gemeint ist ein prächtiger Hundehaufen, den er mit Schaufel und Besen einsammelt, dabei schimpft: „Muss ich auch machen, obwohl es eklig ist und stinkt!“
Dreck war nicht immer sein Metier. Gerhard Frick ist gelernter Straßenbauer, Pflasterer, und hat unter anderem den Brunnen am Märchenhaus mit aufgebaut. Eine Krebserkrankung zwang ihn 2001, diesen Beruf aufzugeben: „Das habe ich körperlich nicht mehr geschafft.“ Als Behinderter begann er dann beim Bauhof der Stadt eine Anstellung als „Müllmann“ – was man kaum glaubt, wenn man beobachtet, wie flott er durch die Straßen fegt. Rein, raus, bücken, schütten, „die viele Rennerei“ strengt den Mann allerdings auch sichtlich an. Die gute Laune verliert er nicht, grüßt freundlich viele Passanten und grinst: „Ich habe sogar Fans!“. In der Obergasse spricht er eine junge Frau an, stellt sie vor: „Das ist Bettina Wegner. Sie ist sozusagen meine ehrenamtliche Helferin.“ Tatsächlich, so stellt sich heraus, kümmert sich die Alsfelderin von sich aus bewusst ums gute Straßenbild, sammelt Abfälle ein – auch die vielen Zigarettenkippen in den Ritzen des Pflasters. „Weil’s mich auch stört“, erklärt sie selbst. „Davon könnten wir mehr Leute haben“, lobt Gerhard Frick.
Auf dem Weg zum Rodenberg erzählt er von den Tücken seiner Aufgabe. Von einem Mann zum Beispiel, der ihn mal bedrohte, weil er meinte, ihm gehöre der Weg in den Erlen alleine. Oder von den zerbrochenen Neonröhren im Müllkorb: „Ich habe da reingefasst, und da hat ein Splitter mir den Handballen aufgeschnitten.“ Durch die obligatorisch doppelten Handschuhe, die er immer trägt. So etwas kann wütend machen.
In der Ernst-Arnold-Straße kommt es zum Gespräch mit einem älteren Anwohner, der gerade Äste von einem Baum am Straßenrand absägt. Ob er denn Kollegen bitten soll, das Holz abzuholen, fragt Gerhard Frick im Plauderton. „Die meisten Leute hier oben sind sehr ordentlich und diszipliniert“, lobt er hinterher: „Die halten die Straße sauber.“ Generell mehr Sauberkeit erhofft er sich von einem neuen Müllsystem, das derzeit in Planung sei – mit vielen Vorschlägen aus seiner Feder. Zum Beispiel könnte die Stadt neue, funktionalere Müllkörbe aufstellen.
Nein, für die Müllsammlung in Alsfeld zuständig zu sein, mache ihm eigentlich nichts aus, sagt Gerhard Frick, obwohl er selbst nachdenklich wird: „Ich bin ja eigentlich unterste Kaste“. Was ihn wirklich stört, sind rücksichtslose Zeitgenossen. Kacke aus Büschen zu klauben, zum Beispiel, ärgert den Mann: „Das ist einfach nur eklig. Ich bin doch auch ein Mensch!“
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