Hintergründe zu den wohl veruntreuten vier Millionen EuroSparkassen-Skandal: Die Fragen und Antworten
REGION. (ls/jal). Bei der Sparkasse Oberhessen soll ein Mitarbeiter über Jahre mehrere Millionen Euro veruntreut haben. Wer ist der Mann? Wie konnte es so lange unentdeckt bleiben? Und welche Schuld trifft die Politik? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was ist über den Beschuldigten bisher bekannt?
Der 44-jährige Sparkassen-Mitarbeiter hatte in der Gemeinde Limeshain im Wetteraukreis ein hohes, politishes Amt inne und war Mitglied der Gemeindevertretung. Seinen Posten legte er einem Bericht der „Wetterauer Zeitung“ zufolge inzwischen nieder.
In der Lokalpolitik habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen, hieß es vom Bürgermeister der Gemeinde. Dort war er laut „Wetterauer Zeitung“ nicht nur als Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses, sondern auch als lokaler Sportfunktionär tätig.
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Ermittler Bankunterlagen. Außerdem stellten sie auf deutschen Konten rund drei Millionen Euro sicher. Wohin die restlichen eine Millionen Euro verschwunden sind, ist bislang noch unklar. Der Mann hatte eine führende Position im Rechnungswesen der Bank inne. Vor drei Jahren wurde er laut einem Zeitungsbericht für sein 25-jähriges Dienstjubiläum geehrt. Da keine Verdunklungsgefahr bestehe, muss der Politiker laut Aussage der Staatsanwaltschaft nicht in Untersuchungshaft.
Wie kam die Tat ans Licht?
Die Frage von Oberhessen-live, ob es bei der Aufklärung des Falls entscheidende Hilfe vom Finanzamt gab, verneinten die Pressestelle des Landkreises Vogelsberg und der Sprecher der Sparkasse Oberhessen gleichermaßen. „Die Aufdeckung des Untreuefalles erfolgte durch die Sicherungssysteme der Sparkasse Oberhessen“, hieß es aus dem Kreishaus. Demnach erstattete die Sparkasse selbst Strafanzeige gegen ihren Mitarbeiter.
Warum kam man dem Täter erst so spät auf die Schliche?
Dazu können Staatsanwaltschaft und Landkreis bislang noch keine genauen Auskünfte geben. Man stehe noch an den Anfängen der Ermittlung. Auch ob der Mann Mitwisser hatte oder ob er Unterschriften seiner Kollegen fälschte, ist bislang noch nicht geklärt.
Eine Erklärung wäre: Der Mitarbeiter steckte sich immer nur geringe Beträge, die nicht direkt auffallen, in die eigene Tasche. ABER: Sind die Angaben seines Geständnisses richtig, so ließ er in einem Zeitraum von acht bis zehn Jahren insgesamt vier Millionen Euro verschwinden. Das sind im Jahr gut 400.000 Euro und im Monat etwa 33.000 Euro. Pro Tag wären das durchschnittlich um die 1.111 Euro, die der Politiker umgeleitet haben müsste. Eine nicht gerade unscheinbare Summe in diesen Intervallen.Welche Sicherungssysteme gibt es bei der Sparkasse Oberhessen?
Die Sparkasse hat mehrere Mechanismen, die einen solchen Fall wie den jetzigen eigentlich verhindern oder frühzeitig erkennen sollen. So gilt ab einer bestimmten Summe beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip. Das bedeutet, dass ab einem Betrag X Mitarbeiter Transaktionen von einem Kollegen gegenzeichnen lassen müssen. Außerdem fischt sich die interne Revisionsabteilung zufällig Vorgänge raus und überprüft zum Beispiel Unterschriften auf ihre Echtheit. Wie hoch der entsprechende Betrag war, den der mutmaßliche Täter ohne Kollegen bewegen durfte, konnte der Sprecher der Sparkasse Oberhessen auf Anfrage nicht sagen.
Wem gehört die Sparkasse Oberhessen?
„Gehören“ sei der falsche Begriff, sagte ein Mitarbeiter des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen Oberhessen-live. Sparkassen befänden sich vielmehr in einer Trägerschaft und könnten deswegen auch nicht verkauft werden. Im Falle der Sparkasse Oberhessen sind die Träger die beiden Landkreise ihres Geschäftsgebietes, also der Wetteraukreis und der Vogelsbergkreis. Die Sparkasse ist somit eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die dem Gemeinwohl dienen soll. Ihr Sitz ist in Friedberg.
2016 betrug die Bilanzsumme der Bank 4,41 Milliarden Euro. Nach eigenen Angaben waren Bis zum Ende des Jahres 953 Mitarbeiter an 51 Standorten beschäftigt.
Welche Verantwortung fällt dem Landrat bei dem aktuellen Skandal zu?
Weil der Landkreis Träger der Sparkasse ist, sitzt Landrat Manfred Görig im Verwaltungsrat, einem Kontrollgremium des Geldinstituts. Genauer gesagt ist er dessen Vorsitzender. Dennoch ist Görig eigener Auffassung nach nicht verantwortlich dafür, dass der Skandal erst so spät aufgeflogen ist. In einer Stellungnahme heißt es: „Die Aufgabe als Vorsitzender des Verwaltungsrates ist nach dem Sparkassenrecht darauf beschränkt, die Richtlinien der Geschäftspolitik zu bestimmen und die Geschäftsführung des Vorstandes zu überwachen. Aufgabe ist nicht die Führung und die Kontrolle des eigentlichen operativen Tagesgeschäfts“.
Görig will den Kreisausschuss in seiner nächsten Sitzung am 27. April über die bis dahin aktuellsten Ermittlungserkenntnisse informieren.
Sind Privatkunden betroffen – und wenn ja, wie bekommen Sie ihr Geld zurück?
Nach bisherigem Kenntnisstand der Staatsanwaltschaft ist kein privates Geld verschwunden. Ein Mitarbeiter des Sparkassen-Verbandes sagte, sollten Privatkunden dennoch geschädigt worden sein, würde ihnen der Verlust von der Sparkasse erstattet.
Wie hat die Sparkasse neben der Anzeige auf den Vorfall reagiert?Landrat Görig teilte gegenüber Oberhessen-Live mit, dass die Sparkasse selbstverständlich Schadensersatzforderungen gegen den ehemaligen Mitarbeiter geltend machen werde. Ziel sei es, dass die Erkenntnisse aus den Ermittlungen zu den notwendigen Konsequenzen führten. Welche Konsequenzen das genau sei werden, ließ der Landrat bislang offen.
Die Stimmung ist angespannt
Wie ist aktuell die Stimmung in der Sparkasse Oberhessen?
Die Stimmung in den Filialen der Sparkasse Oberhessen ist laut Insiderinformationen zur Zeit angespannt und von Angst geprägt. Nur wenig dringt nach Außen. Spricht man Mitarbeiter auf den Vorfall an, bekommt man sehr oft ein und den selben mechanisch anmutenden Satz zu hören, der klingt, als komme er aus dem Krisenhandbuch eines PR-Managers: „Ich bitte um Ihr Verständnis, zu einem laufenden Verfahren keine Auskunft geben zu können“. Laut Informationen von Oberhessen-Live erfuhren die Angestellten selbst erst am vergangenen Dienstag von dem Vorfall. Dazu erhielten sie einen Brief mit Verhaltensaufforderungen und vorgeschriebenen Antworten, die zum Tragen kommen sollten, falls Kunden sie auf den Vorfall ansprächen.
Wie geht es weiter?
Seitens der Staatsanwaltschaft werden weiter Zeugen vernommen und jede Menge Akten gesichtet. Die Sparkasse wolle die Ermittler weiter unterstützen, heißt es. Nach Informationen von Oberhessen-live muss die Bank möglicherweise ihre Bilanzen aus den vergangenen acht bis zehn Jahren alle nochmal überarbeiten. Wann es zu einer Anklageerhebung und einer Verhandlung kommen soll, ist bislang noch unklar. Die Sparkasse möchte zunächst ihre eigenen Gremien informieren, bovor sie sich selbst an die Öffentlichkeit wenden möchte, um weitere Details bekannt zu geben.
LINKTIPP:
„Die Kontrolle der Sparkasse hat total versagt“ – ein Kommentar
Wirkliche und ehrliche Antworten wird es nie geben.Siehe Dieselskandal. Für solche Fälle werden die Rücklagen kalkuliert.Zahlen wir alle. Schaut euch mal die Kontogebühren an und vergleicht.
Das Geklüngel zwischen Parteibuchwirtschaft und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen leistet dem Ganzen noch Vorschub. Auch die Stellungnahmen des Limeshainer Bürgermeisters und Parteikollegen, der Betroffene habe sich in seinen kommunalen Ämtern nicht „zuschulden kommen lassen“, ist ziemlich „dünn“. Es reicht nicht aus, wenn ein führender Mitarbeiter einer öffentlich rechtlichen Sparkasse nach den von ihm selbst eingeräumten Betrügereien nur seine Ämter ruhen lassen will; er ist schliesslich als Vorsitzender der Gemeindevertretung so was wie der „Bundespräsident auf lokaler Ebene“. Anweisungen der Sparkasse an die Mitarbeiter, was sie in der Öffentlichkeit in dieser Sache äußern dürfen, zeugt auch von keinerlei Transparanz. Spielen da etwa wieder die Landratswahlen im Vogelsbergkreis am 24. September eine gewichtige Rolle mit, dass nur das zugegeben wird, was eh schon durchgesickert ist? Das Verhalten der Beteiligten stärkt weder das Vertrauen in die Kommunalpolitik noch in das der Sparkasse. Eine lückenlose Offenlegung wäre vonnöten – aber davon ist wie bei anderen strittigen Themen im Vogelsbergkreis keine Rede. Die heile Welt-Botschaften werden rund um die Uhr in die Medienlandschaft gestreut, wird es hingegen mal ernst, wird gemauert oder sich hinter allgemeinen Floskeln verkrochen. Ist da die politische Verdrossenheit der Bürger noch ein Wunder?
Vielleicht wollte der Mitarbeiter so viel wie sein Vorstand verdienen. Als Leiter Rechnungswesen weiß er, was die monatlich alles bekommen und nutzen! Oder er hat gesehen was die Kommunalpolitik durch Spenden von der Sparkasse abgreift! Wer es wissen will kann ja sich den Gesetzlich vorgeschrieben Offenkegungsbericht zum Virstandsgehalt und den Pensionszusagen anzeigen lassen. Und Kommentare sollten hier nur die abgeben, die selbst noch nie geschummelt haben! Sicherlich ist das hier mehr als schummeln… Richtig oder nicht! Siehe Offenlegungsbericht zu den Vorstandsgehältern! Ich kann den Mitarbeier verstehen.
Dazu kann man nur sagen unglaublich!!! Da hat doch alles und jeder versagt,wenn so etwas erst nach Jahren auffällt. Da gehören alle vorgesetzten und Entscheidungsträger sofort entlassen.