Über hundert Gäste waren zu Ortsbeiratssitzung gekommen, um sich über die geplanten Windkraftanlagen zu informierenHitzige Debatten um geplante Windkraftanlagen
RAINROD (cdl). Im Jahr 1991 wurde die erste Windkraftanlage im gesamten Vogelsberg in Rainrod in Betrieb genommen. Lange spielte das Thema Windkraft in der Ortschaft eine untergeordnete Rolle. Doch 25 Jahre später ist der Streit um die mögliche Errichtung mehrerer industrieller Windkraftanlagen rund um das Dorf voll entbrannt. Zur Ortsbeiratssitzung am Donnerstagabend blieb kein Stuhl im Bürgerhaus frei und die Emotionen kochten hoch. Am Montag hatte die Rainröder SPD Flugblätter im Ort verteilt und zur Teilnahme an der öffentlichen Sitzung aufgerufen.
Mittlerweile stehen im Kreisgebiet mehrere Hundert Windkraftanlagen und vielerorts gab es heftige Diskussionen. In der Gemeinde Feldatal gab es gleichzeitig zur Kommunalwahl einen Bürgerentscheid, in vielen Alsfelder Ortsteilen ist das Thema Windkraft zuletzt heiß diskutiert worden, um nur einige wenig Beispiele zu nennen.
In Rainrod befürchten viele Bürger, in den kommenden Jahren von Windkraftanlagen umzingelt zu werden und Einbußen ihrer Lebensqualität hinnehmen zu müssen. Der Abend begann sogleich mit gegenseitigen Schuldzuweisungen im Ortsbeirat. Sowohl SPD als auch Bürgerliste warfen sich gegenseitigen Mangel an bereitgestellten Informationen vor. Nach einer dreiviertelstündigen hitzigen Debatte, um Anträge und das verteilte Flugblatt, meldete sich Bürgermeister Timo Georg aus dem Publikum zu Wort und bat darum in der Tagesordnung weiter zu machen. Den anwesenden Bürgern sollten ihre offenen Fragen beantwortet werden.
Die SPD hatte auch beantragt, dass Dr. Martin Böhm zum Thema „Gesundheitsrisiken durch Infraschall“ referieren sollte. Dazu kam es jedoch nicht, weil die Tagesordnung bereits einen anderen Referenten vorgesehen hatte und Dr. Böhm „auf gepackten Koffern saß“, wie er selbst anmerkte. Der Bürgermeister schlug vor den Vortrag nachzuholen und in einigen Wochen einen Infoabend zu veranstalten, zudem alle Rainröder und Brauerschwender eingeladen werden sollen.
Die Planung eines Windkraftprojektes stand auf der Tagesordnung
Am Donnerstagabend sollte laut Tagesordnung nur die Windparkplanung zum Projekt Scheuernwald vorgestellt werden. Der Sprecher der Eigentümer Scheuernwald Andreas Weiß hatte darum gebeten, das Projekt in der Ortsbeiratssitzung vorzustellen. „Der Gemeinschaftswald ist seit Generationen weiter vererbt worden“, so Weiß. Der Wald habe aktuell 28 Teilhaber, wovon neun Teilhaber in Rainrod ihren Wohnsitz haben. 80 Prozent seien im Besitz der neun Teilhaber und somit handle es sich um ein Rainröder Wald.
Die Stürme Cyrill und Wiebke hätten den Wald stark beschädigt und die Wiederaufforstung sei misslungen. „Wir müssen sehen, dass wir da oben einen wirtschaftlichen Betrieb bekommen, weil Eigentum verpflichtet.“ In den letzten vier Jahren habe es mehrere Offenlegungen des Flächennutzungsplans gegeben. Er sei darüber hinaus in der Zeitung abgedruckt gewesen. In dieser Zeit habe es nicht einmal Kritik daran gegeben.
Im Anschluss stellte der Projektleiter Jörg Süllwald von wpd onshore die Planungen vor. Insgesamt drei Anlagen würden derzeit im Scheuernwald geplant. Über die anderen Projekte Drumherum können er nichts sagen, da er davon keine Kenntnis habe. Er erklärte die einzelnen Planungsschritte und anhand einer Windkarte, dass der Wind den Schall vom Dorf wegtreibe. Ganz zum Schluss seines Vortrages berichtete er, dass eine Windkraftanlage nur 1,1 Kilometer entfernt vom nächsten Haus liegt.
Die Nähe zum Dorf der Windkraftanlagen stößt auf Widerstand
Somit war die Diskussion und Fragerunde eröffnet. Obwohl Süllwald ausdrücklich darauf hinwies, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten und er nur fachliche Fragen zum Projekt beantworten könne, wollten die Bürger ihre Sorgen entkräftet wissen. „Ich bin der falsche Ansprechpartner. Ich bin Projektleiter“, so Süllwald. Alle Bürger hätten die Möglichkeit sich direkt an das Regierungspräsidium Gießen zu wenden. „Schauen Sie sich, an welche Bedingungen erfüllt werden müssen.“
Der Schlagschatten der Rotorblätter und die Geräuschentwicklung, der in Planung befindliche Anlagen wurden, aus dem Publikum immer wieder bemängelt und intensiv nachgefragt. Bei bestimmter Sonneneinstrahlung sei der Betreiber mittlerweile dazu verpflichtet die Anlagen abzuschalten, erklärte Süllwald.
Die bestehende Anlage vor Rainrod auf der anderen Seite des Dorfes könne man hören und bei Schlagschatten müssten die Rollos geschlossen werden, berichtete der SPD-Ortsbeirat Peter Hill. „Ich bin enttäuscht, dass ich erst heute informiert wurde. Unsere Aufgabe als Ortsbeirat ist es, die Interessen der Bürger zu vertreten“, bekundete Bürgerlisten-Ortsbeirat Stefan Georg hinsichtlich der kurzen Distanz der geplanten Anlagen zum Dorf.
Bürgermeister Georg wies daraufhin, dass es sich um Planungen handele und erst, wenn der Plan vorliege, könne die Gemeinde Stellung nehmen. Man habe stets alles kommuniziert und er stehe allen Bürgern mit Informationen zur Verfügung. Beim Windkraftprojekt Homberg habe man eine Stellungnahme abgegeben und erreicht, dass die Anlage deutlich weiter weg vom Dorf errichtet werde.
Gleich mehrere Projekte stehen in den Startlöchern
Im Anschluss verlagerte sich die Diskussion auf weitere angedachte Projekte. „Wir müssen das Gesamtbild sehen und uns nicht auf eine Fläche konzentrieren. Wir kriegen einen Schallkessel“, so Hill. Die SPD hängte ein Plakat mit einer Fotomontage, auf der 28 Windkraftanlagen rund um Rainrod zu sehen sind. Die Bürgerliste um Ortsvorsteherin Tanja Georg hatte die hohe Anzahl schon am frühen Abend bezweifelt. Timo Georg rechnete vor, dass zu den bestehenden Anlagen noch weitere sechszehn, hinzukommen könnten, davon aber einige in Richtung Reuters und nicht im direkten Blickfeld von Rainrod.
Das rief Rechtsanwalt Christian Hagemeier auf den Plan, der sechs Parteien gegen die Errichtung von Windkraftanlagen in der Gemarkung Rainrod und Brauerschwend vertritt. Theoretisch möglich seien laut Flächennutzungsplan sogar 35 Anlagen. So viele werden aber nicht kommen. Gerade im Scheuernwald seien einige Horste nicht berücksichtigt worden, daher sehe er gute Chancen, das Projekt zu kippen.
Daraufhin kam es zu einer Fachdebatte zwischen Hagemeier und dem Bürgermeister, bis ein Bürger einschritt und darauf aufmerksam machte, dass das im Ortsbeirat nicht zu suchen habe.
Das Dorf beginne gerade, bei dem Thema Windkraft auseinanderzudriften. Jedoch sei die Bürgerliste angetreten, um künftig wieder enger zusammenzurücken, beendete die Ortsvorsteherin die Sitzung. Trotz ihrer mahnenden Worte mussten sich die Grundbesitzer von einigen Bürgern nach der Sitzung noch einige deftige Worte anhören. In kleinen Gruppen wurde weiter heftig debattiert.
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