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Wir suchen nach Neuem und hoffen auf Bekanntes – Gedanken über das SchicksalDas Leben ist ein Labyrinth, und wir sind die Stifte

VOGELSBERGKREIS. Die Schülerin Jessica Haak ist 16 Jahre alt, aus Schotten und Autorin bei Oberhessen-live. Als solche hat sie bereits in mehreren Beiträgen ihres und das Leben anderer Menschen reflektiert – mit Einsichten, die dem Klischee des oberflächlichen Teenagers heftig widersprechen. Diesmal denkt sie über Schicksal und Vorhersehbarkeit nach: das Leben als Labyrinth. Ein Anstoß.

Vor nicht allzu langer Zeit brachte mich ein skurriler Beitrag im nächtlichen Fernsehprogramm ins Grübeln. Es ging um sogenannte „Prepper“, Menschen, die sich professionell auf den Weltuntergang l vorbereiten. Dazu kaufen sie sich beispielsweise Konserven, die mehr als 15 Jahre haltbar sind und legen sich Kellerbunker an, die vor radioaktiver Strahlung und sämtlichen anderen Katastrophen schützen sollen. Nun fragt man sich natürlich, wo es solche Menschen gibt? Die Antwort lautet, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Amerika. Auch wenn „unbegrenzt“ recht vielfältig interpretierbar ist und die Menschen ihr Geld lieber in einen angeblichen Weltuntergang investieren, anstatt sich zu versichern, geriet ich in tiefste Überlegung über Vorhersehbarkeit und Organisation.

Wie viel Vorhersehbarkeit ist eigentlich gesund?

Wir Menschen sind Geschöpfe der Neugier. Wir strömen in alle Ecken der Erde aus und erforschen, egal ob zu Land oder zu Wasser, die verschiedensten Gegebenheiten. Täglich werden neue Lebewesen entdeckt, und die Medien stecken voller merkwürdiger Studien. Ebenso versuchen wir auf persönlicher Ebene unsere eigene Belastbarkeit zu erproben. Viele von uns arbeiten häufig mehr als sie müssen, zum einen weil es die Gesellschaft so will und zum anderen um andere und natürlich auch sich selbst nicht zu enttäuschen.

Auf der einen Seite bilden wir uns so tagtäglich unser ganz eigenes Weltbild und versuchen es auf der anderen Seiten anderen Menschen zu vermitteln. Wir lesen, spekulieren, erleben und etablieren neue Ideen und malen so das Bild eines bunten Planeten. Auf unserer eigenen Farbpalette mischt sich die Neugier dennoch häufig mit der Lust eines konkreten Wissens. Wir lassen Dinge nicht einfach auf nur uns zukommen, wir wollen wissen aus welcher Richtung sie auf uns zu kommen. Das ist natürlich kein Nachteil, aber auch kein Argument.

Salopp gesagt, sind wir paradoxe Geschöpfe

Wir streben nach etwas Neuem, etwas Unentdeckten und hoffen sogleich darauf, dass uns etwas Vertrautes, etwas bereits Erlebtes erwartet, und wir minimalen Aufwand betreiben müssen. Salopp gesagt, sind wir paradoxe Geschöpfe. Zum einen weil wir nach Neuem streben und Altes erwarten. Und zum anderen, weil wir gesund sein wollen und uns stattdessen eigenverantwortlich höchst ungesund verhalten. Ich bin keine Ärztin und auch keine Psychologin, aber ich bin Schülerin und das ist heutzutage beinah auch ein Fachgebiet.

Stetig wird man von den verschiedensten Charakteren umgeben und geprägt. Man trifft auf organisierte, desorientierte, orientierte und nicht organisierte Menschen und jeder von ihnen meistert die Schullaufbahn ohne Hellseher zu sein oder jegliche anderen spirituellen Kräfte zu besitzen. Schon früh erkennen wir Schüler, dass es unglaublich unnötig ist, über seine Noten und bestimmte Testinhalte zu spekulieren und trotzdem versuchen wir es immer wieder. Wir spielen ein Spiel mit der Vorhersehbarkeit und wissen, dass wir eigentlich nur verlieren können. Auch wenn sich der ein oder andere Teil unserer Spekulationen bewahrheitet – Eins zu Eins ist dies nie der Fall.

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Wozu in die Zukunft sehen?

Organisation als dritter Mitspieler

In unserem Duell gegen die Vorhersehbarkeit, kommt uns die Organisation recht häufig in die Quere. Gelegentlich kommt es vor, dass Menschen Organisation mit Vorhersehbarkeit verwechseln oder beides auch gleichstellen, doch das ist fatal. Schließlich begeben wir uns nicht zu diversen Wahrsagern, um einen perfekten Haushaltsplan zu erhalten. Natürlich überschneiden sich beide Komponente gelegentlich, dennoch arbeiten sie in den meisten Fällen gegeneinander. Man organisiert beispielsweise ein wichtiges Ereignis und erhofft sich gutes Wetter und die nötige Stimmung. Je mehr man hofft, und je mehr man plant, desto mehr geht schief und man wird schließlich ein attraktives Opfer der Vorhersehbarkeit. Wenn man am meisten mit einem bestimmten Sachverhalt rechnet, kommt meistens alles anders. Jeglichen organisatorischen Fähigkeiten werden außer Kraft gesetzt und man wird vor den Tisch der blanken Tatsachen gesetzt. Vielleicht ist das eine List oder eher ein Hinweis der Natur.

DEN perfekten Partner finden, DIE perfekte Karriere gehen

Wir Menschen wollen DEN perfekten Partner finden, wir wollen DIE perfekte Karriere gehen und am besten DAS perfekte Traumhaus besitzen. Manchmal ist es verständlich, dass wir alles unter Kontrolle haben wollen, in vielen Fällen sollten wir diesen Zwang jedoch unterdrücken. Es liegt einfach nicht in unserer Natur und auch nicht in unserer Macht über unser eigenes Schicksal zu bestimmen. Wir bekommen Chancen, die wir nutzen oder auch ablehnen können. Ist Letzteres der Fall, müssen wir das Beste daraus machen und daraus lernen. Generell gehen wir also eigenständig unsere Wege, werden jedoch ab und zu von äußeren Umständen und dem Schicksal geleitet. Wir bauen diese Wege nicht selbst, wir entscheiden uns nur für welche.

Das Leben ist wie eine vorgefertigtes Labyrinth, bestehend aus einer endlos großen Pappe und wir sind die Stifte. Es gibt viele Ziele und viele Lösungen, um sie zu erreichen. Wir müssen versuchen, müssen scheitern, müssen finden und müssen fortschreiten um unseren persönlichen Horizont zu finden. Diese Erkenntnis sollte uns doch eigentlich von unserem zwanghaften Kontrollverlangen und dem Spiel mit der Vorhersehbarkeit abbringen. Wir können nicht immer alles wissen und wir müssen es auch nicht.

„Die Herausforderung des Lebens besteht im Leben“

Die Vorstellung bis ins Detail über seine Zukunft informiert zu sein, finde ich beängstigend. Man lebt doch, um neue Menschen kennenzulernen, Freundschaften zu pflegen, die Welt zu erkunden und um seinen eigenen Horizont zu erweitern. Welchen Horizont besitze ich, wenn ich weiß, was mich die nächsten siebzig Jahre erwartet? Um diese Frage zu beantworten, kann ich auf ein drei Meter-Brett steigen und die Linie des hier endenden Horizontes berühren. Die Herausforderung des Lebens besteht im Leben. Es geht nicht darum, vor einer Glaskugel zu sitzen und morgige Angelegenheiten vorherzusehen. Es geht darum, sie selbst zu erleben und sich überraschen zu lassen.

Was weiß ein Mensch über Freiheit, wenn er darüber nur aus Erzählungen hört?! Was weiß ein Mensch über sein Leben, wenn er selbst nicht lebt?! Was weiß man über die Zukunft, wenn man sie nicht aktiv miterlebt? Nichts! Wir sollten uns manchmal einfach von der Magie des Schicksals leiten lassen und uns an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Wir sollten für jeden positiven Aspekt dankbar sein, denn hier hat es das Schicksal gut mit uns gemeint.

Wenn wir uns ausschließlich auf wilde Spekulationen konzentrieren, dann sind wir nicht nur Opfer der Medien geworden, sondern müssen uns gar nicht erst um ein lebenswertes Leben bemühen. Es ist krankhaft, sich auf etwas nicht Naheliegendes, nicht Existierendes zu fixieren und seinen Lebensmittelpunkt darauf zu richten.

Um auf die anfänglich erwähnten „Prepper“ Bezug zu nehmen, denke ich, dass es sicherlich nicht schlecht ist, in einem vernünftigen Maße auf diverse Katastrophen vorbereitet zu sein. Dennoch ist es schlecht, sich krankhaft darauf zu fixieren. Ohne voreilig über solche Menschen zu urteilen, muss ich ehrlich sagen, dass sie ein wenig Mitleid in mir wecken. Ihre teilweise von der Medien hervorgerufene, Naivität hindert sie regelrecht am Leben. Es ist völlig in Ordnung, Notfallvorräte in seinem Haus zu lagern, dennoch erachte ich es für fragwürdig, seine Familie tagtäglich durch Überlebungsübungen zu bugsieren.

„Bleib bloß im Keller, gleich passiert etwas!“

Vielleicht habe ich den Sinn dieser „Prepper“ nicht ganz verstanden, aber ich frage mich, wieso man lebt, um auf einen Weltuntergang zu warten. Wäre das sinnvoll, könnte sich ein jeder von uns mit diversen Waffen ausstatten, wir könnten jegliche Konserven aufkaufen, uns in unsere Keller sperren und sie nie wieder verlassen. Und falls jemand auf die Idee kommen würde, auch nur für den Zehntel einer Minute ins Freie hinauszugehen, dann würde man alle Insassen flüstern hören: „Bleib bloß im Keller, gleich passiert etwas!“

Möglicherweise war das jetzt eine große Portion Ironie, dennoch muss ich zugeben,dass mich diese Menschen regelrecht fuchsen. Auf der großen weiten Welt gibt es die verschiedensten Probleme, mit denen viele Menschen zu kämpfen habe. Deswegen ist das Maß der Dinge wirklich überschritten, wenn wir auf die Idee kommen uns mehr Probleme zu schaffen als wir eigentlich schon besitzen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass jeder an das glauben soll, was er für richtig hält. Niemand besitzt die Macht, die Handlungsweisen anderer Menschen erzwungenermaßen zu verändern, und das ist auch nicht der Sinn der Sache. Weiterhin besitzen wir nicht die Macht in die Zukunft zu schauen, und das ist gut so. Wir sollten die Lust am Leben, die Neugier und die Freude behalten und nicht immer alles wissen wollen. Wir sollten die Dinge auf uns zukommen lassen und uns einfach daran erfreuen, dass wir unsere Farbpalette selbst mischen können.

Von Jessica Haak

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